Ängste und Opec treiben den Ölpreis
Binnen gut zweier Wochen hat der Ölpreis den großen Absturz vom März wettgemacht. Nun machen sogar Gerüchte die Runde, die Opec könnte die Förderdrosselung verlängern.
Wien. Der vehemente Absturz des Ölpreises im März auf unter 50 Dollar je Barrel ist seit gestern endgültig überwunden. Nach einem zweiwöchigen steilen Anstieg – übrigens dem längsten seit 2012 – erreichten die Notierungen für das schwarze Gold damit ein Niveau wie zuletzt Ende Februar. Konkret kostete die für Europa relevante Sorte Brent gestern, Mittwoch, zwischenzeitlich 56,66 Dollar je Fass. Auch der Preis für ein Fass der US-Sorte West Texas Intermediate (WTI) markierte mit 53,77 Dollar ein Sechswochenhoch.
Die Gegenbewegung zum vorherigen Preisverfall gründet gleich auf mehreren Faktoren. Ein wichtiger ist das Faktum des US-Luftangriffs auf einen Militärflughafen in Syrien vom vergangenen Freitag. Nicht dass Syrien selbst ein wichtiges Ölförderland wäre, aber eine Eskalation in diesem Land bliebe nicht ohne Folgen für wichtige Ölförderländer der Region, fasst die Bank Vontobel die Stimmung auf dem Markt zusammen.
Viele Unruheherde
„Mit den wieder in den Vordergrund rückenden geopolitischen Spannungen ist eine Komponente hinzugekommen, die den Ölpreis in nächster Zeit unterstützen dürf- te“, meinen auch die Rohstoffexperten der Commerzbank.
Unruhig ist es bei Weitem nicht nur im Nahen Osten. In Venezuela, das über die größten nachgewiesenen Ölreserven der Welt verfügt, haben blutige Massenproteste gegen die Regierung und der vorerst nur knapp abgewendete Staatsbankrott Befürchtungen ausgelöst, es könnte zu Förderengpässen kommen.
In Libyen war zuletzt tatsächlich eine Pipeline blockiert, in Kanada eine Produktionsanlage aufgrund eines Feuers.
Jenseits dieser Einzelereignisse beeinflusst im Moment auch die Organisation erdölexportierender Länder (Opec) die Märkte wieder merkbar – und zwar sowohl mit tatsächlichen Schritten wie auch mit lediglich verbaler Präsenz.
Opec macht von sich reden
Real haben die Opec-Staaten, die sich ja im November untereinander und mit diversen Nicht-OpecStaaten auf eine temporäre Kürzug der Produktion geeinigt und so den zuvor abgesackten Preis stabilisiert hatten, die Förderung im März sogar etwas mehr reduziert, als dies vereinbart worden war, berichtet die Agentur Reuters. Weitaus aufgepeitschter reagiert der Markt jedoch darauf, dass Saudiarabien, der relevanteste OpecStaat, laut Bloomberg eine Verlängerung dieser Vereinbarung über das erste Halbjahr hinaus anstrebt. Andere Mitgliedstaaten wie Kuwait hatten ihre Unterstützung dieser Idee schon zuvor geäußert. Ähnliche Überlegungen für sein eigenes Land hatte übrigens auch der russische Energieminister, Alexandr Nowak, kundgetan. Russland ist der weltweit größte Förderer außerhalb der Opec und war im Herbst federführend bei der Einigung mit der Opec. Die Commerzbank hält es aber für „sehr unwahrscheinlich“, dass Russland auch im zweiten Halbjahr an einer Förderkürzung teilnimmt. Ähnliche Zweifel hatte die Bank aber bereits im Herbst geäußert – und war damit damals falsch gelegen.
Vor diesem Hintergrund schätzt die US-Energiebehörde, dass die amerikanische Förderung aus Schieferöl nun wieder stärker zulegen werde, da sich wegen des gestiegenen Preises mehr Bohrungen rechnen. Vor allem 2017 würden die Investitionen greifen. Diese Rechnungen bremsen gegenwärtig den Ölpreisanstieg etwas ab, obwohl der für die Vorwoche vermeldete Rückgang der US-Rohöllagerbestände um 1,3 Mio. Barrel den Preis weiter hätte antreiben sollen.