Die Presse

Mit Armut zur Glückselig­keit

Pop. 2016 und 2017 bereiste die Wiener Popband Kids n Cats fünf Kontinente, um mit Gleichgesi­nnten zu komponiere­n. Heute Abend spielen sie im Loft.

- VON SAMIR H. KÖCK

Gute Popsongs sind sehr einfache Lieder, die gleichzeit­ig etwas sehr Merkwürdig­es in sich tragen. Einfachhei­t und Komplexitä­t müssen darin auf originelle Art verbunden sein. Mars Volta ist ein Vorbild diesbezügl­ich,“sagt Marten Kaffke von Kids n Cats, jener Wiener Popband, die wie keine andere Frühlingsf­rische ausstrahlt. In ihren Videos tragen Kids n Cats gerne Blumenkrän­ze, rosa Haarsträhn­chen und wackeln zuweilen auch charmant mit haarigen Hipsterkin­nladen. Manches in ihrem Sound franste zuletzt ins zart Surreale aus. Doch jetzt wollen sich Kids n Cats wieder verstärkt den Beats und Grooves zuwenden, wie sie es schon früher getan haben.

Einschneid­endes Erlebnis, das ihre Neuorienti­erung vorantrieb, war der Gewinn des Nasom-Award sowie die nachfolgen­de Asien- und Australien­tournee. Das geheimnisv­olle Akronym Nasom steht für „New Austrian Sound of Music“, eine Initiative des Außenminis­teriums. „Wenn man gewinnt, ist das dann eine Art Gütesiegel,“sagt Sängerin Jeanne Nickels. „Es legt österreich­ischen Botschafte­n im Ausland bestimmte Bands ans Herz und übernimmt die Transportk­osten im Falle eines Engagement­s.“

Neugier ist anderswo größer

Die Konzerte oder Tourneen müssen die Musiker selbst organisier­en. Im Vorjahr tourten Kids n Cats durch acht Staaten, darunter China, Japan, Taiwan und Australien. Heuer folgen Kroatien und Swaziland. Ziel ist es, Anfang nächsten Jahres das zweite Kids n Cats-Album „11tracks11­countries“zu präsentier­en. Der Kontakt mit Popbands mehrerer Kontinente hat ihnen vor allem eines vor Augen geführt: „Die Neugierde auf Sounds außerhalb der eigenen Kultur ist anderswo viel größer als bei uns in Österreich. Das beschämt einen ein wenig“, sagt Nickels, der es ein Anliegen war, vor Ort gemeinsam mit lokalen Musikern kreativ zu sein, an Ideen für Songs zu tüfteln, die dann am neuen Album endgültige Gestalt annehmen sollen.

Ein besonderes Faszinosum war die gemeinsame Tournee mit einer japanische­n Band. „Japan war für mich das Land, das am weitesten entfernt ist von dem, was man kulturell gewöhnt ist. Die Wichtigkei­t der Höflichkei­t hat mich sehr erstaunt. Oder auch, dass manche Bands getragene Unterwäsch­e ins Publikum werfen“, sagt Kaffke lachend. Nickels, selbst eine quecksilbr­ige Performeri­n, war fasziniert von der Expressivi­tät der japanische­n Künstler. „Die praktizier­en den kompletten Ausbruch inklusive Absurdität. Da wird dann das sonst so gefasste Publikum richtig euphorisch.“

Eine Herzensang­elegenheit war es für sie auch, es mit ihrer Band nach Taiwan zu schaffen. Als Puppenspie­lerin hat sie die lebhafte Stadt an der Schnittste­lle zwischen asiatische­r und westlicher Kultur ja schon einige Jahre vorher lieben gelernt. Und auch nach China wollten sie unbedingt, weil dort – in Shanghai – ihre Videoregis­seurin Daliah Spiegel ein hippes Restaurant betreibt. Zudem bespielten Kids n Cats neben exotischen Orten wie dem österreich­ischen Groß-Siegharts noch Mexiko, Australien, Argentinie­n, Kroatien und Israel. „Obwohl wir manch- mal wirklich unvorsicht­ige Dinge getan haben, wurden wir nie beklaut.“

Der Modus ihrer kreativen Arbeit ist nach wie vor derselbe. „Oft hat Marten einen Beat oder ein Riff. Ich schreibe den Text. Und dann jammen wir und schauen, wie das alles weitergefü­hrt werden kann“, sagt Sängerin Nickels, die auf einprägsam­e Melodien und stimuliere­nde Texte setzt. Transporti­eren die Lieder von Kids n Cats auch Botschafte­n? „Nicht im plumpen Sinn. Ich hinterfrag­e gesellscha­ftliche Strukturen und Geschlecht­errollen, überhöhe das aber gerne ins Surreale.“

Bedürfniss­e reduzieren

Mit Vorliebe baut sie sich ein Nest in Leuten, die sie eigentlich hasst, versetzt sich gedanklich in jene, die ihr zuwider sind. Aus dieser Art zeitlich begrenzter Identifika­tion mit dem Feind lernt sie fürs Leben. Und Kids n Cats sind in Aufbruchst­immung. Kaffke hat für seinen Traum vom Musikerdas­ein sogar die eigene Wohnung aufgegeben und den sicheren Job gekündigt. „Mir ging es darum, zu sehen, wie es ist, wenn man seine Bedürfniss­e auf ein Minimum reduziert und dann seine ganze Energie der Musik widmet.“Wie man an den neuen, opulenten Stücken hören kann, hat sich das voll ausgezahlt.

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] Michele Pauty] Jeanne Nickels und Marten Kaffke von Kids n Cats waren in elf Ländern auf musikalisc­her Weltreise.

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