Die Presse

Sure 5, Vers 51, ein Comic und der Gouverneur von Jakarta

Ein Heft mit Marvel-Superhelde­n, „X-Men Gold Nr. 1“, erhält politische Dimension. Auf seinen indonesisc­hen Zeichner wird künftig verzichtet.

- VON NORBERT MAYER E-Mails an: norbert.mayer@diepresse.com

Arabisch „Wal¯ı“bedeutet Freund Gottes, Protektor, Beistand – und einiges mehr.

Zahlen und Buchstaben ergeben zuweilen versteckte Botschafte­n. Das Auto des Antihelden Donald Duck zum Beispiel hat für gewöhnlich ein Nummernsch­ild 313, manchmal 1313. Man könnte aus ersterem herauslese­n, dass Donald nach der üblichen Datierung in den USA am 31. 3. geboren wurde, Es könnte auch darauf verweisen, dass Walt Disneys Zeichner die Enten in Büro Nr. 313 schufen. Die 13 mit der 3 davor sehen Pessimiste­n als vollendete­s Unglück. Für den Wiener Mathematik­er Rudolf Taschner hingegen, der sich mit dieser Materie liebevoll beschäftig­t hat, ist 313 trotzdem eine tolle Glückszahl.

Warum die Panzerknac­ker jeweils zwei dreistelli­ge Nummern mit Variatione­n der Ziffern 1, 7 und 6 tragen, wissen nur eingeweiht­e Donaldiste­n, sie verraten es keinem Fremden. Einfacher ist die Botschaft von Neonazis. Selbst die schlichter­en können sich merken, dass 88, zweimal der achte Buchstabe, für „Heil Hitler“steht.

Ähnliche Codes hat Ardian Syaf verwendet, der für den US-Comicverla­g Marvel an der neuen Serie „X-Men Gold“zeichnete. Man verzichtet künftig auf seine Mitarbeit, und zwar wegen der Zahl 212 und der Folge QS 5 : 51. Was aber ist so schlimm an der Botschaft? Dazu muss man ausholen. In Syafs Heimat, Indonesien (fast 90 Prozent der 260 Millionen Einwohner sind Muslime), ist ein Christ Gouverneur der Mega-Metropole Jakarta. Er muss sich am Sonntag der Stichwahl stellen. Islamische Eiferer werfen ihm Blasphemie vor, er steht wegen Beleidigun­g des Korans seit dem Vorjahr vor Gericht. Am 2. 12. 2016 kam es gegen ihn zu einer Massendemo­nstra- tion. Der Zeichner war angeblich dabei und soll danach die Codes in seine Comics eingefügt haben. „212“ist inzwischen für Gegner des Gouverneur­s, die keinen Christen in Führungspo­sition haben wollen, ein Slogan – so wie sich Braune mit 88 verständig­en und Duck-Fans mit 313.

Syaf machte Gebrauch von der Zahl 212. In einem Bild appelliert die jüdische Superheldi­n Kitty Pryde vor einer Menge an die Toleranz. Auf einem Geschäftss­child im Hintergrun­d steht 212. Mit dem Rücken zum Betrachter verdeckt Pryde das Schild „Jewelry“partiell, nur noch „Jew“ist deutlich zu lesen. Auch der Held Colossus hat eine Botschaft. Er schwingt grimmig einen Schläger. Auf seinem T-Shirt ist „QS 5 : 51“zu lesen – die 5. Koransure („Der Tisch“, laut Überliefer­ung zu Medina geoffenbar­t), Vers 51. Was besagt er? Die gängige Variante in Indonesien: „Muslime sollen nicht Juden und Christen als Anführer nehmen.“Es bedeutet hier wohl: Weg mit dem Christen-Gouverneur! Wenn es nur so einfach wäre. In der deutschen Übersetzun­g von Max Henning steht: „O ihr, die ihr glaubt, nehmt euch nicht die Juden und Christen zu Freunden.“In einer anderen Übersetzun­g, von Abu-r-Rid˛a¯ Muhammad, ist hingegen nicht von Freunden sowie Christen und Juden, sondern Beschützer­n und Ungläubige­n die Rede.

Und was steht auf Arabisch? Die Gläubigen sollen sich keine „Awliya“¯ unter jenen nehmen, denen vor ihnen die Schrift gegeben wurde. Die Einzahl lautet „Wal¯ı“. Der ist ein Freund Gottes, Protektor, Beistand in Rechtsfrag­en und einiges mehr. Von einem Gouverneur, der sich um Wasser, Strom oder die Müllabfuhr in Jakarta kümmert, ist im Koran keine Rede.

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