„Der Geist New Yorks hat mich nie verlassen“
Pop. Fast 40 Jahre nach „Copacabana“zollt Barry Manilow seiner Heimatstadt mit dem Album „This Is My Town“wohlklingend Tribut. Mit der „Presse“sprach er über gefährliche Ecken in New York, Jazz und Bob Dylans seltsame Ermutigung.
Down at the Copa, Copacabana, the hottest spot north of Havanna“: Barry Manilows Loblied auf einen New Yorker Nachtclub aus dem Jahr 1978 läuft bis heute in Discos. Aus Manhattan selbst sind die herrlich zwielichtigen Tanz-Etablissements genauso wie die winzigen Jazzclubs längst verschwunden: Die Gentrifizierung schreitet voran, die Spekulanten sind bereits auf benachbarte Bezirke ausgewichen. Auch aufs andere Ufer des East River, etwa nach Williamsburg.
Dort ist der heute auch schon 73-jährige Entertainer Barry Manilow aufgewachsen. Aus der Perspektive des mittellosen Aufsteigers hat er dem schummrig beleuchteten, aber umso bunteren Nachtleben der Siebzigerjahre in Songs wie „Copacabana“und „New York City Rhythm“ein Denkmal gesetzt. Im Gespräch mit der „Presse“erinnert er sich: „In meiner Jugend weigerten sich die Taxifahrer von Manhattan rüberzufahren. So gefährlich war es damals dort.“
„L. A. hat nicht einmal ein Zentrum“
Er selbst lebt seit einiger Zeit in Los Angeles, doch sein Herz schlägt immer noch in New York: „L. A. hat nicht einmal ein Zentrum, und alles dreht sich um den Film. New York hingegen war immer eine Musikstadt und hat noch in der finstersten Depression mehr Seele gehabt als L. A. im Sonnenschein.“In diesem Sinn hat Manilow nun ein schwungvolles Konzeptalbum zum Thema New York City aufgenommen. Im Titelsong „This Is My Town“geizt er nicht mit Superlativen: Die „man-made miracle town“beherberge nicht nur die cleversten Menschenkinder, sondern auch jene mit den strahlendsten Augen, behauptet er im Schutze eines dynamisch scheppernden Arrangements. Die Energie seiner Heimatstadt fühlt er jedenfalls noch stark in sich: „Ich rede viel, ich gehe schnell, der Geist New Yorks hat mich nie verlassen.“
Einen gelungenen Mix aus eigenen Songs und noch nicht totgehörten Standards zu formen, war schwieriger als gedacht. „Es gibt hunderte New-York-Songs, und ein Großteil davon ist wirklich gut. Hörst du dich einmal da ein, hebt es dein eigenes Songwriting gleich auf eine höhere Ebene.“
Zunächst wollte sich Barry Manilow auf fünf Fremdkompositionen beschränken, darunter Leonard Bernsteins elegisches „Lonely Town“. Aber dann resignierte er vor einigen großartigen Melodien, darunter „Native New Yorker“und „Empire State Of Mind“. Acht davon fasste er zusätzlich in einem Medley zusammen, das in seiner ersten Fassung 15 Minuten lang war: „Es war ein ver- dammter Kampf, das auf knapp sieben Minuten zu schneiden.“Die Arrangements hat Manilow selbstverständlich in die eigene Hand genommen. „Als ich mit Musik begann, wollte ich ein zweiter Nelson Riddle (ein Arrangeur Frank Sinatras, Anm.) werden. Oder eine Art George Martin, der Mann, der mit feiner Hand die Hintergrundarbeit bei den Beatles machte. Arrangieren ist mir bis heute die liebste Arbeit im Rahmen der Musik. Nie wollte ich es mir anmaßen, selbst der Performer zu sein.“Er wurde es bekanntlich doch. Arrangieren kann er freilich immer noch. Die wendigen Arrangements von „This Is My Town“schnurren wie die Motoren würdig gealteter Automobile. Nur beim Song „Brooklyn Bridge“beließ er es beim Originalarrangement von Shorty Rogers aus 1963. Dafür bastelte er ein virtuelles Duett mit dem 1999 verstorbenen USSänger Mel Torme.´ War das schwierig? „Nein. Das geht mittlerweile ganz gut. Vor einigen Jahren hab ich ein ganzes Album mit virtuellen Duetten gemacht. Da war die Technik noch nicht so avan- ciert. Damals war es recht knifflig.“Mit Torme´ sang Manilow 1984 auch im wirklichen Leben: „Mein Erfolg im Pop hat mich damals völlig überrollt. Ich musste dringend einmal etwas ganz für mich machen. Und so plante ich mein Jazzalbum ,2.a.m. – Paradise Cafe‘.“´ Mit seiner zweifelhaften Reputation als Popschnulzier wagte er den Kontakt mit Größen des Jazz. „Ich war mir nicht sicher, ob Jazzmusiker überhaupt mit mir arbeiten würden. Nervös rief ich Mel Torme´ an. Er meinte zu meiner Sehnsucht nach einem Jazzalbum ganz trocken: ,Wurde ja schon Zeit‘, und war sofort dabei.“Gerry Mulligan, Sarah Vaughan und Mundell Lowe machten ebenfalls mit. So akzeptierte die Jazzszene ihn.
Als ihn Bob Dylan umarmte
Manilows Popaktivitäten fanden ja nicht nur Fans. So erfolgreich Titel wie „Mandy“und „Could It Be Magic“am Markt auch waren, viele spotteten über seine zuckrigen Balladen und das Gerücht, dass er sich deshalb alle zwei Stunden die Zähne putzen würde. Doch dann traf er Bob Dylan Ende der Achtzigerjahre auf einer Party. Dieser umhalste ihn und murmelte „Don’t stop doing what you are doing, man.“Manilow, damals schwer von negativen Kritiken zerzaust, war das ein großer Trost: „Im ersten Moment dachte ich mir, dass er wohl schwer eingeraucht sein musste. Meinte er es wirklich ernst? Wohl schon. Diese Begegnung hat mich jedenfalls sehr ermutigt.“Und wie findet Manilow, der zuletzt mit „The Greatest Songs Of The Fifties“Platz 1 der US-Charts eroberte, Dylans Interpretation des Great American Songbook? „Ganz, ganz wunderbar singt er diese Klassiker. Ich hätte nie gedacht, dass er, der aus dem Folk kommt, sich so gut auskennt im Repertoire.“