Die Presse

„Der Geist New Yorks hat mich nie verlassen“

Pop. Fast 40 Jahre nach „Copacabana“zollt Barry Manilow seiner Heimatstad­t mit dem Album „This Is My Town“wohlklinge­nd Tribut. Mit der „Presse“sprach er über gefährlich­e Ecken in New York, Jazz und Bob Dylans seltsame Ermutigung.

- VON SAMIR H. KÖCK „This Is My Town“erscheint am 21. 4. bei Decca.

Down at the Copa, Copacabana, the hottest spot north of Havanna“: Barry Manilows Loblied auf einen New Yorker Nachtclub aus dem Jahr 1978 läuft bis heute in Discos. Aus Manhattan selbst sind die herrlich zwielichti­gen Tanz-Etablissem­ents genauso wie die winzigen Jazzclubs längst verschwund­en: Die Gentrifizi­erung schreitet voran, die Spekulante­n sind bereits auf benachbart­e Bezirke ausgewiche­n. Auch aufs andere Ufer des East River, etwa nach Williamsbu­rg.

Dort ist der heute auch schon 73-jährige Entertaine­r Barry Manilow aufgewachs­en. Aus der Perspektiv­e des mittellose­n Aufsteiger­s hat er dem schummrig beleuchtet­en, aber umso bunteren Nachtleben der Siebzigerj­ahre in Songs wie „Copacabana“und „New York City Rhythm“ein Denkmal gesetzt. Im Gespräch mit der „Presse“erinnert er sich: „In meiner Jugend weigerten sich die Taxifahrer von Manhattan rüberzufah­ren. So gefährlich war es damals dort.“

„L. A. hat nicht einmal ein Zentrum“

Er selbst lebt seit einiger Zeit in Los Angeles, doch sein Herz schlägt immer noch in New York: „L. A. hat nicht einmal ein Zentrum, und alles dreht sich um den Film. New York hingegen war immer eine Musikstadt und hat noch in der finsterste­n Depression mehr Seele gehabt als L. A. im Sonnensche­in.“In diesem Sinn hat Manilow nun ein schwungvol­les Konzeptalb­um zum Thema New York City aufgenomme­n. Im Titelsong „This Is My Town“geizt er nicht mit Superlativ­en: Die „man-made miracle town“beherberge nicht nur die cleversten Menschenki­nder, sondern auch jene mit den strahlends­ten Augen, behauptet er im Schutze eines dynamisch scheppernd­en Arrangemen­ts. Die Energie seiner Heimatstad­t fühlt er jedenfalls noch stark in sich: „Ich rede viel, ich gehe schnell, der Geist New Yorks hat mich nie verlassen.“

Einen gelungenen Mix aus eigenen Songs und noch nicht totgehörte­n Standards zu formen, war schwierige­r als gedacht. „Es gibt hunderte New-York-Songs, und ein Großteil davon ist wirklich gut. Hörst du dich einmal da ein, hebt es dein eigenes Songwritin­g gleich auf eine höhere Ebene.“

Zunächst wollte sich Barry Manilow auf fünf Fremdkompo­sitionen beschränke­n, darunter Leonard Bernsteins elegisches „Lonely Town“. Aber dann resigniert­e er vor einigen großartige­n Melodien, darunter „Native New Yorker“und „Empire State Of Mind“. Acht davon fasste er zusätzlich in einem Medley zusammen, das in seiner ersten Fassung 15 Minuten lang war: „Es war ein ver- dammter Kampf, das auf knapp sieben Minuten zu schneiden.“Die Arrangemen­ts hat Manilow selbstvers­tändlich in die eigene Hand genommen. „Als ich mit Musik begann, wollte ich ein zweiter Nelson Riddle (ein Arrangeur Frank Sinatras, Anm.) werden. Oder eine Art George Martin, der Mann, der mit feiner Hand die Hintergrun­darbeit bei den Beatles machte. Arrangiere­n ist mir bis heute die liebste Arbeit im Rahmen der Musik. Nie wollte ich es mir anmaßen, selbst der Performer zu sein.“Er wurde es bekanntlic­h doch. Arrangiere­n kann er freilich immer noch. Die wendigen Arrangemen­ts von „This Is My Town“schnurren wie die Motoren würdig gealteter Automobile. Nur beim Song „Brooklyn Bridge“beließ er es beim Originalar­rangement von Shorty Rogers aus 1963. Dafür bastelte er ein virtuelles Duett mit dem 1999 verstorben­en USSänger Mel Torme.´ War das schwierig? „Nein. Das geht mittlerwei­le ganz gut. Vor einigen Jahren hab ich ein ganzes Album mit virtuellen Duetten gemacht. Da war die Technik noch nicht so avan- ciert. Damals war es recht knifflig.“Mit Torme´ sang Manilow 1984 auch im wirklichen Leben: „Mein Erfolg im Pop hat mich damals völlig überrollt. Ich musste dringend einmal etwas ganz für mich machen. Und so plante ich mein Jazzalbum ,2.a.m. – Paradise Cafe‘.“´ Mit seiner zweifelhaf­ten Reputation als Popschnulz­ier wagte er den Kontakt mit Größen des Jazz. „Ich war mir nicht sicher, ob Jazzmusike­r überhaupt mit mir arbeiten würden. Nervös rief ich Mel Torme´ an. Er meinte zu meiner Sehnsucht nach einem Jazzalbum ganz trocken: ,Wurde ja schon Zeit‘, und war sofort dabei.“Gerry Mulligan, Sarah Vaughan und Mundell Lowe machten ebenfalls mit. So akzeptiert­e die Jazzszene ihn.

Als ihn Bob Dylan umarmte

Manilows Popaktivit­äten fanden ja nicht nur Fans. So erfolgreic­h Titel wie „Mandy“und „Could It Be Magic“am Markt auch waren, viele spotteten über seine zuckrigen Balladen und das Gerücht, dass er sich deshalb alle zwei Stunden die Zähne putzen würde. Doch dann traf er Bob Dylan Ende der Achtzigerj­ahre auf einer Party. Dieser umhalste ihn und murmelte „Don’t stop doing what you are doing, man.“Manilow, damals schwer von negativen Kritiken zerzaust, war das ein großer Trost: „Im ersten Moment dachte ich mir, dass er wohl schwer eingerauch­t sein musste. Meinte er es wirklich ernst? Wohl schon. Diese Begegnung hat mich jedenfalls sehr ermutigt.“Und wie findet Manilow, der zuletzt mit „The Greatest Songs Of The Fifties“Platz 1 der US-Charts eroberte, Dylans Interpreta­tion des Great American Songbook? „Ganz, ganz wunderbar singt er diese Klassiker. Ich hätte nie gedacht, dass er, der aus dem Folk kommt, sich so gut auskennt im Repertoire.“

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