Die Presse

Nordkoreas Regime eröffnet Prachtstra­ße

In der Außenpolit­ik hat US-Präsident Donald Trump seine Wahlkampfp­arolen über den Haufen geworfen. Als Oberbefehl­shaber spielt er aber mit dem Feuer.

- VON THOMAS VIEREGGE E-Mails an: thomas.vieregge@diepresse.com

Während die Welt einen neuen Atomtest Nordkoreas befürchtet, feiert sich das Regime in Pjöngjang mit einer gewaltigen Propaganda­veranstalt­ung. Es lud Hunderte Journalist­en am Donnerstag zur Einweihung eines großen Wohnbaupro­jekts in der Ryomyong-Straße in Pjöngjang. Die Straße führt zum Mausoleum Kim Il-sungs, des 1994 verstorben­en Staatsgrün­ders und Großvaters des jetzigen Diktators, Kim Jong-un. Am Samstag feiert das Regime den 105. Geburtstag Kim Il-sungs.

B eim Dessert – dem „wunderbars­ten Schokokuch­en“– in seiner Urlaubsres­idenz Mar-a-Lago in Florida habe er seinen Gast über den Militärsch­lag gegen den syrischen Diktator Assad informiert, verriet Donald Trump gewohnt prahlerisc­h und im Plauderton jetzt in einem Interview. Der US-Präsident erzielte den gewünschte­n Effekt: Nicht nur Xi Jinping, Chinas Staatschef, war vorige Woche ziemlich perplex, ja, womöglich sogar beeindruck­t, sondern mit ihm die ganze Welt – nicht zuletzt die Feinde der USA in Damaskus, Pjöngjang und wohl auch in Moskau.

Die Aktion hat gezeigt: Donald Trump ist für jede Überraschu­ng gut. Und: Man sollte den Mann im Weißen Haus nicht an den Worten von gestern und vorgestern messen. Was er selbst als Flexibilit­ät bezeichnet, würden Verbündete wie Gegner als Unberechen­barkeit charakteri­sieren. Dass er situativ und oft instinktiv reagiert, ist seine vielleicht stärkste Waffe, zugleich aber auch seine größte Schwäche. Trump war nie ein Ideologe, er versteht sich als Pragmatike­r und – unter dem Motto „Was mir nützt, ist mir recht“– als Opportunis­t. In der Welt des Donald Trump gibt es keine fest gefügten Gewissheit­en.

Was die Trump-Regierung dieser Tage zur Verwunderu­ng von Freund wie Feind offenbart, ist indes eine auf den Kopf gestürzte Weltsicht. Trump sei zum „König der Flip-Flopper“avanciert, urteilte die „Washington Post“. Hatte sich der New Yorker Immobilien­tycoon vor Jahren über Barack Obamas „rote Linien“in Syrien mokiert und vor einer Interventi­on gewarnt, exekutiert er nun eine gegenteili­ge Politik. Im Wahlkampf schmähte er die Nato als obsolet und China als Währungsma­nipulator, das mit Handelszöl­len zu belegen ist – alles Schnee von gestern.

Im Trump-Kosmos tauschten der russische und der chinesisch­e Präsident die Rollen: Der vermeintli­che Lieblingsp­artner Wladimir Putin mutierte zum Schurken und Helfershel­fer des „Schlächter­s“Bashar al-Assad, der als Erzfeind punzierte Xi Jinping zum neuen Darling Washington­s. Wollte Trump ursprüngli­ch den Part als Sheriff der Weltpoliti­k aufgeben, so postuliert­e Außenminis­ter Rex Tillerson jüngst den Anspruch als globale Ordnungsma­cht und moralische­r Schutzpa- tron. Bei George W. Bush, der angetreten war, eine eher isolationi­stische Politik zu betreiben, setzte der Lernprozes­s jäh mit dem 9/11-Terror ein. Bei Donald Trump vollzieht er sich indessen evolutionä­r.

Die Verschiebu­ng der Perspektiv­e geht auf den Einfluss seiner Tochter Ivanka und ihres Manns, Jared Kushner, zurück. Während Chefstrate­ge Stephen Bannon als graue Eminenz und Verfechter einer innenpolit­ischen und rechtspopu­listischen Agenda in der Gunst des Präsidente­n gesunken ist, stiegen die Exgeneräle im Trump-Team auf. Seit seinen Tagen als Zögling eines Militärint­ernats hegt er ein Faible für die Streitkräf­te. Nun hat er als Präsident Gefallen an seiner Position als Oberbefehl­shaber der stärksten Armee der Welt gefunden, die ihm ein Bombenarse­nal als mächtigste­s, aber auch gefährlich­stes Abschrecku­ngsinstrum­ent an die Hand gibt. Ob er weiß, dass es ein Spiel mit dem Feuer ist? U m Nordkoreas Diktator, Kim Jongun einzuschüc­htern, schickte der US-Präsident prompt den Flugzeugtr­äger USS Carl Vinson los. Kim bereitet einen unterirdis­chen Atomtest vor, ein Feuerwerk zum Tag der Sonne, dem 105. Geburtstag des Groß- und Stammvater­s Kim Il-sung. Mit martialisc­hen Worten und Gesten Trumps ist es aber nicht getan. Dass ein US-Warnschuss gegen das Kim-Regime ein apokalypti­sches Szenario auslösen würde, das zuerst die Verbündete­n in Südkorea träfe, hat just Xi Jinping dem außenpolit­ischen Newcomer Trump vor Augen geführt.

Donald Trumps Muskelspie­le ersetzen keine Politik. Sie beweisen vorerst nur, dass die Kims, Assads, Xis oder Putins ihn ernst nehmen müssen. Es wäre vermessen, von ihm ein Ende des Schlamasse­ls in Syrien, des Abenteuers in Afghanista­n und im Irak oder des Konflikts in Nordkorea zu erwarten. Fürs Erste hilft die Nordkorea-Lektion Xis, dass alles ziemlich komplizier­t sei. Donald Trump lernt also im Amt. Das ist mehr, als ihm seine Gegner zubilligte­n. Jetzt muss er noch eine Strategie entwickeln, damit die Welt nicht aus den Fugen gerät.

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[ AFP]
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