Die neue Macht der Parteijugend
Aufbegehren. Die Jugendorganisationen, einst stiefmütterlich behandelt, können ihre Parteichefs heute in Bedrängnis bringen. Das hat auch mit den neuen Kommunikationsmöglichkeiten zu tun.
Wien. Nicht, dass kalkuliertes Aufbegehren gegen die politisch Erziehungsberechtigten eine Erfindung der Jungen Grünen gewesen wäre. Schon Josef Cap, damals Vorsitzender der Sozialistischen Jugend (SJ), wusste beim SPÖ-Parteitag im Oktober 1982, welche Fragen er dem burgenländischen Landeshauptmann, Theodor Kery, stellen musste, um ihn in Verlegenheit zu bringen. Cap verlor danach seinen Sitz im Bundesparteivorstand. Seiner Karriere hat der Konflikt mit dem pannonischen Patriarchen, den er unter anderem gefragt hatte, ob er wirklich mehr verdiene als Bundeskanzler Bruno Kreisky, aber nicht geschadet. Im Gegenteil.
Der spätere Klubobmann nützte damals die Bühne, die ihm der Parteitag bot. Die Parteijugend von heute tut sich da leichter, weil sie mit den sozialen Medien eine permanente Bühne hat, die sich mit machtpolitischem Geschick beliebig ausdehnen lässt. Die Jungen Grünen etwa haben ihre FacebookGemeinde in den vergangenen Wochen auf 12.500 Freunde vergrößert und sich damit auf den zweiten Platz hinter dem Ring Freiheitlicher Jugend (etwa 14.200 Follower) geschoben, obwohl sie im analogen Leben nur 4000 Mitglieder haben.
Die neuen Kommunikationsmöglichkeiten haben den Jugendorganisationen, die früher zwar gehört, aber nicht ernst genommen wurden, Macht verliehen. Allein schon deshalb, weil sie die sozialen Medien besser beherrschen als ihre etablierten Kollegen und damit eine gewisse Kampagnenkraft für die gesamte Partei aufbieten können. Das digitale Netzwerk lässt sich aber auch für eigene Zwecke instrumentalisieren, wie die Jungen Grünen gerade eindrucksvoll bewiesen haben. Kurzfristig hatten sie die Partei sogar in eine Führungsdebatte gestürzt, weil plötzlich auch andere Gegner von Eva Glawischnig ihre Chance witterten.
Ähnlich war es vor einem Jahr in der SPÖ, als die SJ mitgeholfen hat, Werner Faymann zum Rücktritt zu drängen. Beim Maiaufmarsch in Wien wurde der damalige Parteichef ausgebuht. „Fay- mann in den Ruhestand“, stand auf den Plakaten der Jusos. Acht Tage später war es dann so weit, weil sich auch ein Großteil der Landesparteien gegen den Kanzler verschworen hatte. Allein wäre die SJ dazu nicht in der Lage gewesen. Aber mit rund 64.000 Mitgliedern kann sie eine Grundstimmung in der Partei zumindest verstärken.
Jederzeit kampagnenbereit
Die traditionell eher angepasste Junge ÖVP hätte mit über 100.000 Mitgliedern noch mehr Möglichkeiten. Ihr dürfte es aber weniger darum gehen, einen Parteichef zu stürzen, als einen zu installieren, nämlich ihren Obmann Sebastian Kurz. Allerdings tut sie das unauffälliger. Unter Kurz haben die Jungschwarzen ihren Einflussbereich deutlich erweitert. JVP-Mitglieder sitzen heute überall in der ÖVP. Sie sind Kurz treu ergeben und wären auf Knopfdruck kampagnenbereit, sollte sich ihr Chef eines Tages zu Höherem berufen fühlen.
Ein Machtfaktor in ihrer Partei sind auch die Junos, wobei das strukturelle Gründe hat. Wie das Li- berale Forum wurden auch die Jungen Liberalen (Julis) 2014 formal den Neos eingegliedert. Sie benannten sich in Junos um, sind aber nicht nur die Jugendbewegung der Partei, sondern ein gleichberechtigter Partner. So setzten sie etwa die Cannabis-Legalisierung im Parteiprogramm durch und brachten Matthias Strolz zum zweiten Mal nach der Wasserprivatisierungsdebatte in Erklärungsnot.
Generell zählen die Junos aber zu den unauffälligen Jugendorganisationen, wenn sie auch nicht so stromlinienförmig sind wie der Ring Freiheitlicher Jugend, aus dem nicht einmal ein Hauch Strache-Kritik dringt. RFJ-Obmann Maximilian Krauss ist Gemeinderat in Wien und dem Bundesparteiobmann treu ergeben.
Auf der anderen Seite des politischen Spektrums definiert sich die Parteijugend seit jeher über eine oppositionelle Haltung der eigenen Parteiführung gegenüber. Gut möglich, dass sich der Vorstand der Jungen Grünen, der dann doch vor Glawischnig kapituliert hat und sich im Juni zurückziehen wird, hier etwas von den SJ-Kollegen abgeschaut hat. Noch-Bundessprecherin Flora Petrik und Julia Herr, die aktuelle SJ-Vorsitzende, kennen und schätzen einander.
Nach der Trennung von der Mutterpartei fanden die Jungen Grünen Unterschlupf bei den Jusos. Petrik stellte danach ein Foto von sich und Herr auf ihre FacebookSeite und schrieb dazu: „Danke, Julia! Wir linken Burgenländerinnen müssen zusammenhalten.“Vielleicht beschränkt sich die Zusammenarbeit ja bald nicht mehr nur auf eine Bürogemeinschaft.