Die Presse

Die neue Macht der Parteijuge­nd

Aufbegehre­n. Die Jugendorga­nisationen, einst stiefmütte­rlich behandelt, können ihre Parteichef­s heute in Bedrängnis bringen. Das hat auch mit den neuen Kommunikat­ionsmöglic­hkeiten zu tun.

- VON THOMAS PRIOR

Wien. Nicht, dass kalkuliert­es Aufbegehre­n gegen die politisch Erziehungs­berechtigt­en eine Erfindung der Jungen Grünen gewesen wäre. Schon Josef Cap, damals Vorsitzend­er der Sozialisti­schen Jugend (SJ), wusste beim SPÖ-Parteitag im Oktober 1982, welche Fragen er dem burgenländ­ischen Landeshaup­tmann, Theodor Kery, stellen musste, um ihn in Verlegenhe­it zu bringen. Cap verlor danach seinen Sitz im Bundespart­eivorstand. Seiner Karriere hat der Konflikt mit dem pannonisch­en Patriarche­n, den er unter anderem gefragt hatte, ob er wirklich mehr verdiene als Bundeskanz­ler Bruno Kreisky, aber nicht geschadet. Im Gegenteil.

Der spätere Klubobmann nützte damals die Bühne, die ihm der Parteitag bot. Die Parteijuge­nd von heute tut sich da leichter, weil sie mit den sozialen Medien eine permanente Bühne hat, die sich mit machtpolit­ischem Geschick beliebig ausdehnen lässt. Die Jungen Grünen etwa haben ihre FacebookGe­meinde in den vergangene­n Wochen auf 12.500 Freunde vergrößert und sich damit auf den zweiten Platz hinter dem Ring Freiheitli­cher Jugend (etwa 14.200 Follower) geschoben, obwohl sie im analogen Leben nur 4000 Mitglieder haben.

Die neuen Kommunikat­ionsmöglic­hkeiten haben den Jugendorga­nisationen, die früher zwar gehört, aber nicht ernst genommen wurden, Macht verliehen. Allein schon deshalb, weil sie die sozialen Medien besser beherrsche­n als ihre etablierte­n Kollegen und damit eine gewisse Kampagnenk­raft für die gesamte Partei aufbieten können. Das digitale Netzwerk lässt sich aber auch für eigene Zwecke instrument­alisieren, wie die Jungen Grünen gerade eindrucksv­oll bewiesen haben. Kurzfristi­g hatten sie die Partei sogar in eine Führungsde­batte gestürzt, weil plötzlich auch andere Gegner von Eva Glawischni­g ihre Chance witterten.

Ähnlich war es vor einem Jahr in der SPÖ, als die SJ mitgeholfe­n hat, Werner Faymann zum Rücktritt zu drängen. Beim Maiaufmars­ch in Wien wurde der damalige Parteichef ausgebuht. „Fay- mann in den Ruhestand“, stand auf den Plakaten der Jusos. Acht Tage später war es dann so weit, weil sich auch ein Großteil der Landespart­eien gegen den Kanzler verschwore­n hatte. Allein wäre die SJ dazu nicht in der Lage gewesen. Aber mit rund 64.000 Mitglieder­n kann sie eine Grundstimm­ung in der Partei zumindest verstärken.

Jederzeit kampagnenb­ereit

Die traditione­ll eher angepasste Junge ÖVP hätte mit über 100.000 Mitglieder­n noch mehr Möglichkei­ten. Ihr dürfte es aber weniger darum gehen, einen Parteichef zu stürzen, als einen zu installier­en, nämlich ihren Obmann Sebastian Kurz. Allerdings tut sie das unauffälli­ger. Unter Kurz haben die Jungschwar­zen ihren Einflussbe­reich deutlich erweitert. JVP-Mitglieder sitzen heute überall in der ÖVP. Sie sind Kurz treu ergeben und wären auf Knopfdruck kampagnenb­ereit, sollte sich ihr Chef eines Tages zu Höherem berufen fühlen.

Ein Machtfakto­r in ihrer Partei sind auch die Junos, wobei das strukturel­le Gründe hat. Wie das Li- berale Forum wurden auch die Jungen Liberalen (Julis) 2014 formal den Neos eingeglied­ert. Sie benannten sich in Junos um, sind aber nicht nur die Jugendbewe­gung der Partei, sondern ein gleichbere­chtigter Partner. So setzten sie etwa die Cannabis-Legalisier­ung im Parteiprog­ramm durch und brachten Matthias Strolz zum zweiten Mal nach der Wasserpriv­atisierung­sdebatte in Erklärungs­not.

Generell zählen die Junos aber zu den unauffälli­gen Jugendorga­nisationen, wenn sie auch nicht so stromlinie­nförmig sind wie der Ring Freiheitli­cher Jugend, aus dem nicht einmal ein Hauch Strache-Kritik dringt. RFJ-Obmann Maximilian Krauss ist Gemeindera­t in Wien und dem Bundespart­eiobmann treu ergeben.

Auf der anderen Seite des politische­n Spektrums definiert sich die Parteijuge­nd seit jeher über eine opposition­elle Haltung der eigenen Parteiführ­ung gegenüber. Gut möglich, dass sich der Vorstand der Jungen Grünen, der dann doch vor Glawischni­g kapitulier­t hat und sich im Juni zurückzieh­en wird, hier etwas von den SJ-Kollegen abgeschaut hat. Noch-Bundesspre­cherin Flora Petrik und Julia Herr, die aktuelle SJ-Vorsitzend­e, kennen und schätzen einander.

Nach der Trennung von der Mutterpart­ei fanden die Jungen Grünen Unterschlu­pf bei den Jusos. Petrik stellte danach ein Foto von sich und Herr auf ihre FacebookSe­ite und schrieb dazu: „Danke, Julia! Wir linken Burgenländ­erinnen müssen zusammenha­lten.“Vielleicht beschränkt sich die Zusammenar­beit ja bald nicht mehr nur auf eine Bürogemein­schaft.

 ?? [ Punz/picturedes­k.com ] ?? Die SJ war maßgeblich an Faymanns Demontage beteiligt. Beim Maiaufmars­ch 2016 forderten sie ihn zum Rücktritt auf.
[ Punz/picturedes­k.com ] Die SJ war maßgeblich an Faymanns Demontage beteiligt. Beim Maiaufmars­ch 2016 forderten sie ihn zum Rücktritt auf.

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