Die Presse

Die mit Hemd und Sakko oder Hoodie und Esprit

Anpassung. Der politische Nachwuchs muss nicht zwangsläuf­ig rebelliere­n: Einige Jungpoliti­ker halten sich mit Kritik an der Parteispit­ze bewusst zurück. Loyalität ist lang keine Garantie für eine Karriere – aber zumindest kein Hindernis.

- VON IRIS BONAVIDA

Wien. Während die Jungen Grünen in den vergangene­n Wochen laut gegen die Mutterpart­ei aufbegehrt hatten, verhielt sich ein junger Grüner erstaunlic­h ruhig: Julian Schmid. Der bald 28-jährige Nationalra­tsabgeordn­ete sagte kein Wort zu dem internen Konflikt, reagierte nicht auf Anfragen.

Aus strategisc­her Sicht ist das durchaus nachvollzi­ehbar: In seiner Rolle als Jugendspre­cher kann Schmid den Parteinach­wuchs nicht offiziell vor den Kopf stoßen. Mit Kritik an der Parteispit­ze hält er sich aber genauso zurück.

Und das macht sich bezahlt: „Lieber Julian! Du bist mit deinem Esprit ein Vorbild für viele junge Menschen, die sich politisch engagieren wollen!“, schrieb Parteichef­in Eva Glawischni­g erst im März auf seine Facebook-Seite. Für die Parteichef­in gilt Schmid als große Nachwuchsh­offnung. Dementspre­chend oft wird er auch vermarktet: zum Beispiel auf der Titelseite des parteieige­nen Jugendmaga­zins „Eva“im Wahlkampf, oder auf Plakaten („Öffi für alles“).

In den eigenen Reihen brachte ihm sein Image des angepasste­n Politikers zwar Kritik ein. Aber in seiner Zielgruppe, den grünaffine­n Jungwähler­n, kommt Schmid an: Vor allem in den sozialen Medien hat er sich so etwas wie eine kleine Fangemeins­chaft aufgebaut. Diese Plattforme­n nutzt er auch, um seine Themen anzubringe­n: Wie zum Beispiel seine jetzige Kampagne für die Einführung von Mathematik als Maturawahl­fach.

Was Schmid für die Grünen ist, war Christoph Peschek für die Wiener SPÖ: Der jetzige Rapid-Geschäftsf­ührer wurde rund um das Jahr 2010 gezielt eingesetzt, um junge Wähler anzusprech­en. Der 26-jährige Gewerkscha­fter und selbst ernannte „Prolet“, tourte dafür durch die Wiener Nachtclubs. Gegenüber der eigenen Parteispit­ze war er stets loyal, sein erklärtes Feindbild war ein anderes: ein gewisser Heinz-Christian Strache.

Wild gegen mild

Wäre Peschek nicht aus der aktiven Politik ausgestieg­en, hätte er durchaus gute Karrierech­ancen gehabt: Der Wiener Bürgermeis­ter, Michael Häupl, nannte ihn immerhin schon „die größte Nachwuchsh­offnung der Partei“.

Eine ähnliche Linie verfolgte auch die ehemalige Bundesgesc­häftsführe­rin Laura Rudas mit ihren Jungen Roten. Ein kleiner Kreis an Wiener Genossen sollte vor Urnengänge­n jugendlich­e Wähler gewinnen. Ohne Kritik an den eigenen Reihen.

Wild gegen mild, rebellisch versus angepasst: In der SPÖ wur- den diese zwei Zugänge sogar institutio­nalisiert. Die Sozialisti­sche Jugend (SJ) sieht sich als Stachel im roten Fleisch – mit einem „kritischso­lidarische­n Naheverhäl­tnis“zur SPÖ. Die Junge Generation (JG) gilt hingegen als angepasste Organisati­on – ihre Mitglieder haben auch gleichzeit­ig ein rotes Parteibuch, was bei der SJ nicht der Fall ist. „Die JG wurde mit leichter Überheblic­hkeit belächelt“, erzählt ein ehemaliges SJ-Mitglied. „Das waren die im Hemd und Sakko. Die, die etwas werden wollten.“Die SJ habe sich dafür zu sehr auf interne Kritik konzentrie­rt.

JG-Chefin Katharina Kucharowit­s sitzt seit 2013 im Parlament – und gilt tatsächlic­h als jemand, der nur ungern öffentlich die SPÖ kritisiert. Ihre Meinung äußere sie lieber in internen Sitzungen, sagt sie immer wieder. Gegen die eigene Fraktion zu stimmen, werde sie wohl hoffentlic­h nie müssen. Am Ende tat sie das doch – gemeinsam mit drei anderen Mandatarin­nen – gegen das Asylpaket.

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[ APA ] Julian Schmid, Markenzeic­hen Kapuzenpul­lover.

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