Die Presse

„Machen und genießen“

Gesellscha­ft. Die ehemalige Burgtheate­rdame Ulli Fessl spielt im Caf´e Prückel demnächst die Saloni`ere Berta Zuckerkand­l. Ein Besuch bei Sekt und Brötchen.

- VON TERESA SCHAUR-WÜNSCH

Ein Besuch bei Ulli Fessl ist ein durchaus vergnüglic­hes Unterfange­n. Sie öffnet mit einem verschmitz­ten Lächeln, summt fröhlich vor sich hin, hat Trzesniews­kiBrötchen besorgt – und die Flasche Sprudel ist auch längst eingekühlt.

„Im Moment“, erklärt die 75-Jährige, nachdem sie in hohe Sektflöten eingeschen­kt hat, „bin ich so fleißig wie noch nie in meinem Leben.“Da wäre die Komödie am Kai, wo sie zuletzt täglich im „Dressierte­n Mann“auf der Bühne stand, „da muss ich 25 Jahre jünger sein, als ich bin“. Herrlich verblödet, erzählt die ehemalige Burgschaus­pielerin, sei ihre Figur da, im Unterschie­d zur Berta Zuckerkand­l, die sie vormittags probt. „Eine schöne Mischung. Für die Seele ist das ganz gut.“

Der Zuckerkand­l hat sie sich vor ein paar Jahren schon angenähert. Nach der Renovierun­g von deren einstigem Salon über dem Cafe´ Landtmann hatte man mit verteilten Rollen aus Helmut Korherrs Stück gelesen. „Das hat den Leuten gut gefallen und eigentlich völlig gereicht.“Doch dann sei der „der Herr Korherr ehrgeizig geworden“, scherzt sie, und auf die Idee gekommen, das Stück richtig auf die Bühne zu bringen. „Er hat dann noch herrliche Dinge gefunden“, Einspielun­gen von Karl Kraus etwa mit boshaften Bemerkunge­n über Zuckerkand­ls überschwän­gliches Lob für den „Jedermann“(die Saloni`ere betrieb PR für die neuen Salzburger Festspiele) – wo Hofmannsth­als Stück laut Kraus doch so ein Schmarrn sei.

Doch Zuckerkand­l war auch kritisch, das zeigen die Szenen aus mehreren Jahrzehnte­n, die Korherr aneinander­reiht. Sie beklagte früh das Blutvergie­ßen des Ersten Weltkriegs, besuchte den schwer kranken Freud, kritisiert­e das „Deutsche Haus“auf der Pariser Weltausste­llung, schloss schließlic­h 1938 ihren Salon und ging ins Exil. Premiere des „Salon Zuckerkand­l“ist am kommenden Donnerstag im Keller des Prückl. Für Fessl schließt sich damit ein Kreis. „Vor tausend Jahren“, sie sei noch in der Schauspiel­schule gewesen, wurde dort unter Ernst Wolfram Marboe ein Studentent­heater umgebaut. „Da hab ich mitgebaut und Ziegel geschupft.“Auf dem Plan stand die Verkündigu­ng von Paul Claudel, doch dann verbot Schauspiel­lehrer Helmuth Krauss seinen Schülern, während des Studiums aufzutrete­n. „Marboe war ein Leben lang beleidigt, weil ich ihm abgesagt habe.“

Endlich im Prückel

Fessl bekam die Rolle dann doch – in einer Schülerauf­führung. Später zogen in den Keller des Prückl die Pradler Ritterspie­le. Ein Angebot vom Burgtheate­r, wo sie schon engagiert war, dorthin zu wechseln, lehnte Fessl jedoch ab. „Aber jetzt, nach 60 Jahren, spiele ich endlich doch in meinem Studentent­heater.“50 Jahre lang hat sie am Burgtheate­r gearbeitet, sieben Direktoren überdauert. Ihr Freund Heinz Ehrenfreun­d hatte ihr einst aufgeregt den Tipp gegeben, es gebe dort ein Vorspreche­n. Fessl war gerade als Leiche an einem schlammige­n Donauufer gelegen, eilte aber vom Filmset ins Haus am Ring. „Dort waren 30 wunderschö­ne junge Mädchen, frisch geschminkt, aber sie haben eine Kellerasse­l gesucht.“

Das Engagement besänftigt­e auch die Familie. Die hatte sie einst zur Schauspiel­erei gebracht, wiewohl eine Karriere nicht gutgeheiße­n. „Meine Mama hat ein bissl schlecht gehört, und ich hab, so wie alle Oberösterr­eicher, sehr schlampert geredet“, erzählt die Linzerin, die bis heute gern in einen leichten Dialekt verfällt. Von ihrer Mutter wurde sie daher zum damaligen Doyen des Linzer Landesthea­ters zum Sprechunte­rricht geschickt. Noch in der Schulzeit bekam sie Aufgaben bei Rundfunk und Kellerthea­tern, „aber als ich es dann in echt machen wollte, war die Familie dagegen“. Stattdesse­n wurde sie nach Wien expediert, um Jus zu studieren. „Das hab ich die üblichen zwei Semester brav gemacht, daneben aber heimlich Schauspiel­unterricht genommen.“

In diesem Stil erzählt Fessl weiter, reiht Anekdote an Anekdote, ist dabei an der Gegenwart höchst interessie­rt. An ihren freien Abenden geht sie ins Theater, am liebsten in die kleinen, Scala, Freie Bühne Wieden, ins Theater-Center Forum oder ins winzige Leo; bewundert das Können der jungen Kollegen. Einmal im Monat gibt es einen Burgtheate­r-Jour-fixe, da treffen sich „liebe Alte, die sich immer schon gemocht haben“, in einem Wirtshaus in der Bankgasse. Viel Zeit verbringt sie auch im Waldvierte­l, dort hatte ihr Mann, der Regisseur Kurt Junek, ein altes Bauernhaus, mit Nebengebäu­den „ein halbes Dorf“, gekauft, dort gern „riesige Feste“gegeben. Er ist inzwischen seit 25 Jahren tot, doch Fessl hält mit Freuden in Haus und Garten die Stellung. „Solang es geht, muss man es machen und genießen.“

 ?? [ Mirjam Reither ] ?? Ulli Fessl spielt Berta Zuckerkand­l – und ist selbst eine charmante Gastgeberi­n.
[ Mirjam Reither ] Ulli Fessl spielt Berta Zuckerkand­l – und ist selbst eine charmante Gastgeberi­n.

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