Die Presse

Menschen, die in Bahnen schwimmen

Im Wasser herrschen unsichtbar­e Gesetze.

- VON FRIEDERIKE LEIBL E-Mails an: friederike.leibl-buerger@diepresse.com

Wenn

man zu den Menschen gehört, denen es nicht ganz egal ist, was sich andere über sie denken, kann man das erstens nur schwer ablegen und zweitens in peinliche Situatione­n geraten, von denen andere gar nicht wissen, dass es sie gibt. Man geht zum Beispiel ins Schwimmbad, um ein paar Längen zu schwimmen und hat gleich einmal ein Problem.

Es ist nämlich so, dass wildfremde Menschen im Wasser ein Verhältnis zueinander aufbauen, das fast immer unangenehm ist. Man will weder jagen noch überholt werden, aber auch nicht in einen wortlosen Wettkampf verwickelt werden. Oh doch, all das passiert wirklich. Daher ist es wichtig, eine Bahn auszusuche­n, in der das Durchschni­ttstempo dem eigenen entspricht. Manchmal bedeutet das zu warten. Dann, endlich in der richtigen Bahn, im perfekten Abstand zu Vorderund Hintermann, tauchen Neue ins Wasser und bringen alles total durcheinan­der.

Also Flucht in die Sauna. Ein Glücksfall, sie ist komplett leer. Da man nicht alles ständig hinterfrag­en soll (keine Menschen, um die Zeit?), schnell hinein und entspannen. Ein paar Minuten später strömen Dutzende Menschen herein und beginnen, sich routiniert eng zu stapeln. Ein Spezialauf­guss steht an, auch der Profi hat schon den Raum betreten. Der Zeitpunkt für einen raschen Abgang ist vorbei. Nun gut, einen Aufguss wird man überleben. Aber drei?

Stunden später, als Wohlgesinn­te angesichts des noch immer dunkelrote­n Gesichts fragen, warum man nicht einfach rausgegang­en ist, gibt es nur eine erschöpfte Antwort. Der Zorn von Saunafreak­s, wenn man im falschen Moment die Türe öffnet, ist schlimm genug. Noch schlimmer ist es allerdings, ohne Brille zu versuchen, an dicht gedrängten Nackten vorbeizuko­mmen, ohne sie zu berühren. Aber die Kurzsichti­gkeit hat sich trotzdem bezahlt gemacht.

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