Menschen, die in Bahnen schwimmen
Im Wasser herrschen unsichtbare Gesetze.
Wenn
man zu den Menschen gehört, denen es nicht ganz egal ist, was sich andere über sie denken, kann man das erstens nur schwer ablegen und zweitens in peinliche Situationen geraten, von denen andere gar nicht wissen, dass es sie gibt. Man geht zum Beispiel ins Schwimmbad, um ein paar Längen zu schwimmen und hat gleich einmal ein Problem.
Es ist nämlich so, dass wildfremde Menschen im Wasser ein Verhältnis zueinander aufbauen, das fast immer unangenehm ist. Man will weder jagen noch überholt werden, aber auch nicht in einen wortlosen Wettkampf verwickelt werden. Oh doch, all das passiert wirklich. Daher ist es wichtig, eine Bahn auszusuchen, in der das Durchschnittstempo dem eigenen entspricht. Manchmal bedeutet das zu warten. Dann, endlich in der richtigen Bahn, im perfekten Abstand zu Vorderund Hintermann, tauchen Neue ins Wasser und bringen alles total durcheinander.
Also Flucht in die Sauna. Ein Glücksfall, sie ist komplett leer. Da man nicht alles ständig hinterfragen soll (keine Menschen, um die Zeit?), schnell hinein und entspannen. Ein paar Minuten später strömen Dutzende Menschen herein und beginnen, sich routiniert eng zu stapeln. Ein Spezialaufguss steht an, auch der Profi hat schon den Raum betreten. Der Zeitpunkt für einen raschen Abgang ist vorbei. Nun gut, einen Aufguss wird man überleben. Aber drei?
Stunden später, als Wohlgesinnte angesichts des noch immer dunkelroten Gesichts fragen, warum man nicht einfach rausgegangen ist, gibt es nur eine erschöpfte Antwort. Der Zorn von Saunafreaks, wenn man im falschen Moment die Türe öffnet, ist schlimm genug. Noch schlimmer ist es allerdings, ohne Brille zu versuchen, an dicht gedrängten Nackten vorbeizukommen, ohne sie zu berühren. Aber die Kurzsichtigkeit hat sich trotzdem bezahlt gemacht.