Der Koreaner, der unauffällig lässig durch die Kurven jagt
Test. Die aktuellste Variante des Kia Rio ist ein schnittiges, gut bestücktes Ding, das Kurven mag und selbige hat, aber irgendwie doch nicht so auffällt.
Es gibt im Leithagebirge, dem maximal 484 Meter hohen Bergrücken zwischen Wiener Becken und Neusiedler See, diese herrlich gewundenen acht Kilometer zwischen Stotzing und Eisenstadt, wo die Polizei wegen der Biker wieder Hochsaison hat. Es war beeindruckend, wie sich jüngst bei einer grauzonenhaften „Schau ma mal was so geht“- Fahrt der Kia Rio, dieser kleine Koreaner, den es seit Kurzem in vierter Generation seit 1999 gibt, dort schlug: Pickte der auf dem Asphalt wie auf Schienen, schluckte die Federung jede Unebenheit und neigte sich die Karosserie auch in wüsten Spitzkurven keinen Zentimeter.
Mein VW Golf hingegen hätte sich dort in den Kurven geneigt wie ein Schiff und das jeweils innenseitige Hinterrad gehoben wie der Hund ein Bein; mein 1983er-Käfer hätt’ sowieso einen Baum umarmt. Natürlich fahren so nur Prolos und Poser, aber egal – es ging ja um technische Erkenntnis.
Echt lässig fühlte es sich jedenfalls an in dem geräumigen Fünftürer mit Schrägheck, der an sich kein Sportwagen ist, innen edel wirkt und dessen Ausstattung – im Zentrum das Multifunktionsdisplay wie ein Altar – in schönen Farben schnickschnackarm straight und 90er-haft daherkommt. Der (beim Testauto) Dreizylinder-TGDI-Benziner mit 120 PS (die stärkste Variante, bei 84 geht’s los) grummelte fistelig-angestrengt, wie es Dreizylinder halt tun, aber der Durchzug war okay; mit 172 Nm Drehmoment zwar nicht erdrückend und nach oben hin nachlassend, aber ausreichend. Im Fond hat man beachtliche Beinfreiheit, das Ladevolumen ist mit 325 bis 980 Litern (bei umgeklappter Rückenlehne) für die Kleinwagenklasse groß. Alles wirkt solide, zudem sind da sieben Jahre/150.000 km Garantie. Und dann packt Kia ein Ausmaß an Ausstattung zu Preisen hinein, das erstaunt: Ab 12.700 Euro geht die Variante Neon los, die an sich alles Nötige hat. Ab 15.500 Euro sind sehr nützliche Dinge wie Rückfahrkamera, Regensensor und statisches Kurvenlicht dabei. Das tüch- tig befüllte Testauto der Gold-Variante indes kam vor allem ob des Motors auf mindestens 20.000 Euro.
Nachschauen tut man anderen
Blöd nur, dass nach dem Kurvenrausch dann in Eisenstadt, so wie generell während der total 616 Kilometer des zweiwöchigen Fahrtests, sich ein Effekt nicht einstellte, den Kia-Broschüren betonen: Dass das Design so „aufsehenerregend“und „atemberaubend“wirke. Nun, es ist ein nettes Auto mit toller Tigernase, fließenden Linien und anständigen Rundungen, aber nachschauen tun einem die Leute, wenn sie meinen Käfer sehen. Vor dem stilistischen Hintergrundrauschen des aktuellen Pkw-Designs hebt sich der Rio kaum ab.
Auch sonst ist manches vordergründig: Armaturen, die beim Klopfen billig hart und hohl tönen; rote Anzeigen an der Mittelkonsole, die an Sonnentagen schwer lesbar sind. Statt des behaupteten Durchschnittsverbrauchs von 4,7 l ergab der Test mit viel Landstraßenanteil 6,8. Und wieso klingt die Hupe nach Kleinmädchengejammer? Doch sucht man einen gut bestückten großen Kleinwagen mit tollem Preis-Leistungs-Verhältnis und ist kein Poser, ist der Rio super. (wg)