Konzerne lassen sich vor Erdo˘gans Karren spannen
Türkei. In einer groß angelegten Imagekampagne unter der Schirmherrschaft der Regierung schwärmen Manager von Multis von den Vorzügen des Wirtschaftsstandorts Türkei. Nur deutsche Unternehmen widerstanden der Versuchung.
Wien. Am Sonntag lässt der türkische Präsident Erdogan˘ über eine Verfassungsreform abstimmen, die ihm diktatorische Macht sichern soll und das Ende der Demokratie am Bosporus besiegeln dürfte. Und was sagen die Vertreter internationaler Konzerne dazu? „Die Türkei ist ein fantastischer Ort“, verrät der Regionalmanager von Nestle´ und verheißt ihr eine „rosige Zukunft“. Sein Kollege von Hyundai preist das Land für seine „Harmonie“. Und der Statthalter des Pharmariesen Glaxo Smith Kline schwärmt von einem „Land der Vielseitigkeit“und „Gastfreundschaft“. Diese Hymnen der Führungskräfte vor Ort sind Teil einer groß angelegten, ein Jahr dauernden Imagekampagne, die ein türkischer Exportverband namens TIM unter Schirmherrschaft der Regierung Ende März gestartet hat.
Damit will er auf die „Gräuelpropaganda“antworten, die den „Ruf der Türkei“zu „zerstören“versuche. 500 Millionen Menschen sollen damit zur „Realität“bekehrt werden, in Ländern wie den USA, Deutschland, Frankreich, Großbritannien und Italien. Man schaltet TV-Spots zur besten Sendezeit, Radiowerbung und vor allem ganzseitige Anzeigen in Printmedien wie der „Financial Times“, dem „Wall Street Journal“, der „Zeit“oder dem „Stern“. Deren Lesern will man „auf ehrliche Weise“sagen, was wirklich passiere, erklärte der Wirtschaftsminister. Hätten doch „gewisse Medien unerhörte Vorwürfe erfunden“. Dass die Firmen beim Reklamefeldzug mitspielen, nennt die „FAZ“ein „Anbiedern an Erdogans˘ Türkei“– und lobt die deutschen Unternehmen Siemens und Mercedes, die der Versuchung heldenhaft widerstanden haben.
Aber 16 der 40 angesprochenen Konzerne ließen sich bereitwillig vor den Karren des türkischen Präsidenten spannen – darunter so klangvolle Namen wie Ford, Fiat- Chrysler, Unilever, Samsung, Vodafone, Toyota und No- vartis. Das könnte dem Image dieser Unternehmen in der westlichen Welt durchaus schaden. „Die Interessen regionaler Führungskräfte werden über die des Gesamtunternehmens gestellt“, analysiert der Kommunikationsexperte Andreas Bantel im Schweizer „Tagesspiegel“. Was gefährlich sei: „Gut geführte Global Player lassen die Finger von Annäherungsversuchen an Autokraten.“
Türkische Konzerne kritischer
Sogar türkische Großunternehmer äußern sich differenzierter als die westlichen Multis. Zwar halten sie sich – verständlicherweise – mit offener Kritik am Präsidenten zurück und plädieren nicht explizit für ein Nein beim Referendum. Aber ihr Verband Tüsiad, dessen 4000 Mitglieder 80 Prozent des türkischen Außenhandels abdecken, lässt seine Präferenzen doch durchblicken – indem er immer wieder die Bedeutung von Rechtsstaatlichkeit, Gewaltenteilung und unabhängiger Justiz betont. (red.)