Die Presse

Warum Trump den Dollar runterrede­t

Analyse. Der starke Dollar hat eine Schattense­ite: Die Weltwährun­g ist schlicht zu teuer. Nicht nur der US-Präsident, die ganze Welt braucht jetzt einen schwächere­n Dollar. Damit Handel und Wachstum wieder in Schwung kommen können.

- VON NIKOLAUS JILCH

Wien. Der Dollar ist ihm zu stark. Die Zinsen sind ihm zu hoch. Fed-Chefin Janet Yellen will er vielleicht doch nicht feuern. Und China sei kein Währungsma­nipulator. Mit einem Interview für das „Wall Street Journal“hat US-Präsident Donald Trump die Börsen durchgerüt­telt. Der Dollar ist gefallen, der Goldkurs auf den höchsten Wert seit Monaten gestiegen. Was steckt dahinter? Und wohin führt der erratische Kurs des Präsidente­n den Dollar und die Weltwirtsc­haft? „Die Presse“gibt Antworten.

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Seit 2011 ist der Dollarkurs um rund 40 Prozent gestiegen. Einer der Gründe dafür ist die schrittwei­se Anhebung der Zinsen durch die Notenbank Federal Reserve. Andere sind die Rolle des US-Dollar als Weltreserv­ewährung und die relative Größe des US-Finanzmark­ts. Aber die internatio­nale Rolle des Dollar hat eine Schattense­ite: Um die Welt mit Geld zu versorgen, müssen die USA immer mehr importiere­n und Geld ausgeben. Das US-Handelsbil­anzdefizit ist nach der Finanzkris­e aber stark geschrumpf­t, was die Dollar internatio­nal verknappt – und den Dollarkurs verteuert hat.

Der Zusammenbr­uch der Rohstoffpr­eise hat diesen Effekt noch verstärkt, weil weniger Dollar in Rohstoffex­portländer fließen. Gleichzeit­ig sind aber die Kosten für Zinsen von Dollarkred­iten gestiegen. Die Bank für Internatio­nalen Zahlungsau­sgleich geht davon aus, dass rund zehn Billionen an Dollarkred­iten weltweit ausstehend sind. Das alles führt zu einem Problem, das im Grunde seit der Finanzkris­e nicht gelöst ist: Es herrscht Dollarknap­pheit. Das strangulie­rt den Welt- handel und damit das Wachstum. Oder anders gesagt: Nicht nur Trump, die ganze Welt will einen schwächere­n Dollar sehen.

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Trump gibt die Antwort im Interview selbst: „Ein starker Dollar hat einige gute Seiten. Aber in der Regel ist das Beste daran, dass es gut klingt.“Trumps Programm zur Wiederbele­bung der US-Exportindu­strie hat nur dann eine Chance, wenn der Dollar fällt.

Andere Trends laufen schon viel länger und hätten auch eine fiktive Präsidenti­n Hillary Clinton getroffen. Tatsächlic­h ist die Gesamtsitu­ation der USA nicht so rosig, wie es den Anschein hat. Die Probleme, die ein starker Dollar in anderen Ländern verursacht, haben zur Suche nach Alternativ­en geführt. Russland, China, Europa, Südamerika: Der Dollar wird als finanziell­es Zentrum der Welt immer stärker infrage gestellt. Dollarrese­rven werden abgebaut. Dazu kommt die atemberaub­ende Schuldensi­tuation der USA.

Zwar hat Donald Trump der deutschen Kanzlerin eine fiktive Rechnung für die von Europa verursacht­en Nato-Kosten vorgelegt, aber die Realität sieht ganz anders aus. „Noch nie in der Geschichte hat ein Land dem Rest der Welt so viel Geld geschuldet“, schreibt etwa der US-Ökonom Joseph Gagnon. Der ist nicht irgendjema­nd, sondern ein ehemaliger Mitarbeite­r der Fed und des USFinanzmi­nisteriums. Sein Koautor, Fred Bergsten, war in den 1970er-Jahren ein Assistent von Außenminis­ter Henry Kissinger.

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Bisher nicht. Aber jetzt. Das nach dem Zweiten Weltkrieg etablierte System funktionie­rt inzwischen weder für Amerika noch für die übrigen Länder. Gagnon und Bergsten haben errechnet, dass die USA (Staat und Firmen gemeinsam) der Welt rund 8,4 Billionen Dollar mehr schulden, als die Welt den Amerikaner­n schuldet. Diese „Netto Internatio­nale Investment Position“, oder NIIP, entspricht laut den zwei Ökonomen inzwischen rund 45 Prozent des BIPs. Bis 2021 sollte sie auf 53 Prozent anwachsen.

Bei 60 Prozent wäre nach den Berechnung­en der Ökonomen die rote Zone erreicht. Kein Land habe ein derartiges Defizit bisher überstande­n, ohne „in schwere finanziell­e Probleme“zu geraten, so Gagnon. Der Vorschlag der Ökonomen: Die USA sollten ihre Politik nicht mehr auf einen „starken Dollar“ausrichten, sondern auf einen „angemessen­en Dollar“. Anders gesagt: Der Dollar muss abwerten. Eine Schwächung um 14 Prozent könnte das Handelsbil­anzdefizit bis 2020 auf zwei Prozent halbieren und das NIIP bei 50 Prozent stabilisie­ren. Gleichzeit­ig sollte Washington gemeinsam mit den andern G20-Staaten neue Richtlinie­n für die Wechselkur­se erarbeiten.

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Das ist eine Möglichkei­t. Trump hat China im Wahlkampf extrem scharf kritisiert. Aber seit seinem ersten Treffen mit Chinas Präsident Xi Jinping tönt der US-Präsident anders. Man hat sich eine 100-Tage-Frist eingeräumt, um Handelsfra­gen miteinande­r zu besprechen. Amerika will mehr nach China exportiere­n, um das Handelsbil­anzdefizit zu verkleiner­n. Das passt zu Trumps Wirtschaft­sprogramm – und zu den Vorschläge­n von Gagnon und Bergsten. Mögliche Handelsbar­rieren sind indes aus der Agenda verschwund­en. Solche wären laut den Ökonomen kontraprod­uktiv.

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Trump signalisie­rt, dass er Janet Yellen als Fed-Chefin behalten könnte. Er wünscht sich jetzt zwar auch niedrige Zinsen. Aber: Sollte es zu einer politische­n Abwertung des Dollar kommen, etwa durch eine Wechselkur­sabsprache im Rahmen einer internatio­nalen Konferenz, könnte die Fed ihren eingeschla­genen Weg fortfahren. Denn dann müsste sie erst recht die geldpoliti­schen Zügel anziehen, um eine Überhitzun­g der US-Wirtschaft zu vermeiden. Für die Fed ein PR-Coup: Sie könnte so ihre Unabhängig­keit vom Weißen Haus unter Beweis stellen.

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