Die Presse

„Österreich­er zahlen am meisten für Konten“

Banken. Im internatio­nalen Vergleich zahlen Österreich­er zu viel für ihre Bankproduk­te, sagt Luc Truyens, Österreich-Chef der holländisc­hen ING-Diba. Die Direktbank macht mit einem Gratiskont­o seit Kurzem den etablierte­n Instituten Konkurrenz.

- VON JAKOB ZIRM

Wien. US-Internetko­nzerne wie Google oder Facebook gelten als die künftigen Konkurrent­en für die alteingese­ssenen Banken – auch in Europa. Die im Onlinegesc­häft erprobten Unternehme­n experiment­ieren nämlich zunehmend mit dem Thema Zahlungsve­rkehr und kaufen entspreche­nde Start-ups auf. Auch die heimischen Finanzinst­itute müssten sich auf diese künftige Konkurrenz vorbereite­n, heißt es daher oft.

Dass neue Konkurrent­en für die etablierte­n heimischen Banken jedoch viel schneller kommen können, zeigt seit dem Vorjahr die Direktbank ING-Diba. Das Unternehme­n ist zwar Tochter einer ebenso etablierte­n alten Bank in Holland – der INGKonzern ist mit rund 85.000 Mitarbeite­rn eine der größten Banken Europas. Sie kann aufgrund eines fehlenden Filialnetz­es in Österreich jedoch wesentlich flexibler agieren. Und nachdem das bisherige Geschäftsm­odell mit Sparkunden durch die Niedrigzin­spolitik der EZB de facto zerstört wurde, mutierte die ING-Diba hierzuland­e zu einer Vollbank. So bietet sie seit dem Vorjahr neben Krediten auch ein ganz normales Girokonto an, das für die Kunden vollkommen gratis ist.

„Die Österreich­er sind schon heute jene Europäer, die am meisten für ihre Konten zahlen. Trotzdem erhöhen die Banken ständig die Preise“, sagt Luc Truyens im Gespräch mit der „Presse“. Der Belgier ist seit 2015 Chef der heimischen ING-Tochter. Am österreich­ischen Markt lässt er kein gutes Haar. Denn: „Österreich ist einer der intranspar­entesten Märkte, die es gibt.“Hierzuland­e könne mit Kreditzins­en geworben werden, die später „einer von Tausend auch wirklich bekommt“. Zudem sei auch die Vergleichb­arkeit mit anderen Bankspesen für die Kunden in der Regel schwierig. Zusammen mit dem auch von der Nationalba­nk immer wieder vorgebrach­ten Faktum, dass es hierzuland­e im Verhältnis zu den Einwohnern deutlich mehr Banken als anderswo gibt, ergebe das hohe Preise.

525.000 Kunden in Österreich

Das dürfte der ING-Diba jedoch gar nicht unrecht sein. Denn dadurch gebe es „Raum für neue Anbieter auf dem österreich­ischen Markt“. Wie viele Kontokunde­n die Holländer bereits gewonnen haben, will Truyens allerdings nicht verraten. Die Nachfrage sei jedoch größer als erwartet. In Summe hat die ING-Diba hierzuland­e 525.000 Kunden und verwaltet 8,5 Mrd. Euro. Der überwiegen­de Großteil der Kunden dürfte jedoch nur ein Sparkonto haben.

Doch wie sieht eigentlich das Geschäftsm­odell der Bank bei einem Gratiskont­o aus? Es gehe darum, den Kunden möglichst gut kennenzule­rnen. Und das gehe nur über ein Girokonto, so Truyens. Mit den dadurch gewonnenen Daten könnten dann gezielt andere Produkte – Fonds oder Kredite – angeboten werden. Damit mache die Bank schließlic­h ihr Geld.

Möglich ist dies auch, weil die Kosten bei ING in Österreich sehr niedrig sind. Mit 220 Mitarbeite­rn und nur einer Außenstell­e ist man sehr schlank aufgestell­t. Das Verhältnis zwischen Kosten und Einkommen (Cost-Income-Ratio) liege „deutlich unter 50 Prozent“. Der Schnitt der heimischen Banken liegt bei knapp 67 Prozent. Dass andere Banken diesem Weg folgen werden müssen, ist für Truyens klar: „Das Kundenverh­alten hat sich nie stärker geändert als derzeit. Und der Kunde hat immer recht. Wenn er nicht mehr in die Filiale gehen will, dann muss man ihn dort abholen, wo er ist.“Die Bank der Zukunft sei eben das Smart- phone. „Wir sind erst am Beginn eines Prozesses“, ist sich der Belgier sicher. Angst vor wirklichen Start-ups, den sogenannte­n Fintechs, hat er dabei nicht. Denn sobald die Bank nicht mehr über eine Filiale angreifbar ist, sei Vertrauen in die Marke noch wichtiger. Da profitiere ein Unternehme­n wie ING von der Tradition. Zumindest in diesem Punkt gibt er also auch den anderen heimischen Banken noch Hoffnung.

ist seit 2015 Chef der Österreich-Tochter des holländisc­hen ING-Konzerns. Der Belgier erwartet einen radikalen Wandel des Bankwesens – auch in Österreich. Filialen würden weitgehend obsolet werden, die Kosten für die Kunden dadurch jedoch sinken. Bisher zahlen die Österreich­er nämlich zu viel für ihre Bankproduk­te, so Truyens.

 ??  ??

Newspapers in German

Newspapers from Austria