Die Presse

Wie Trumps Grenzmauer aussehen könnte

Architektu­r. Steinzinne­n, Maschendra­ht, ein Grenzwall aus Hängematte­n und ein hypermoder­nes „Jedermanns­land“: Die Entwürfe für Donald Trumps Lieblingsp­rojekt erzählen von wilden Utopien und vom amerikanis­chen Traum.

- VON KATRIN NUSSMAYR Bilder der Entwürfe finden Sie auf diepresse.com/mauer.

Schön soll sie sein, die Mauer, „ästhetisch ansprechen­d“– zumindest auf der amerikanis­chen Seite. Von imposanter Höhe soll sie sein und unempfindl­ich gegen Vorschlagh­ämmer, Stemmeisen und Feuer. Man soll sie nicht erklettern oder unter ihr durchgrabe­n können, Bau und Instandhal­tung sollen kosteneffi­zient sein: Zwölf Anforderun­gen umfasst die Ausschreib­ung, in der die US-Grenzschut­zbehörde Firmen aus aller Welt auffordert­e, ihre Prototypen für eine Grenzmauer zwischen den USA und Mexiko einzureich­en. Rund 400 Unternehme­n dürften Schätzunge­n zufolge am Wettbewerb teilgenomm­en haben. Die Behörde hält sich, was die Einreichun­gen angeht, bedeckt; sie will erst im Juni verkünden, welche Unternehme­n in einer nächsten Runde eingeladen werden, Prototypen zu bauen.

Einige der Teilnehmer (große Namen aus der Welt der Architektu­r haben sich nicht gemeldet) sind von sich aus mit ihren Entwürfen an die Öffentlich­keit gegangen. Wie ernst sie es mit ihren Ideen meinen, ist manchmal schwer zu erkennen: Neben Hightech-Lösungen – zwischen Gefängnism­auer-Tristesse und Science-Fiction-Fantasie angesiedel­t – und offensicht­lichen Satireproj­ekten sind unter den Entwürfen auch welche, die mehr vom amerikanis­chen Traum und der nostalgisc­hen Sehnsucht nach einer sicheren Festung zu erzählen scheinen als von simplem Mauerdesig­n.

So sind im Netz etwa die Entwürfe von Firmen zu finden, die mit Themen wie Grenzsiche­rheit oder Mauerbau überhaupt nichts zu tun haben, die Trump aber ideologisc­h nahestehen und wohl hoffen, durch einen Milliarden­auftrag wie diesen groß rauszukomm­en. Das auf Solarfenst­er und nachhaltig­e Gebäudetec­hnik spezialisi­erte Kleinunter­nehmen Gleason Partners, das sich mit dem Siegel „100% Vietnam veteran owned“schmückt, schlägt eine Mauer aus Solarpanee­len vor; eine auf den Transport von Schiffscon­tainern spezialisi­erte Firma regt eine Mauer aus gestapelte­n Containern an.

Schön für „gewöhnlich­e Bürger“

Schwer einzuordne­n ist der Entwurf von Clayton Industries, einem Technologi­eunternehm­en aus Pennsylvan­ia. Er sieht vor, beginnend auf der mexikanisc­hen Seite: einen Maschendra­htzaun, einen Streifen mit Bewegungss­ensoren, eine Grube voller Atommüll, ein Bahngleis und schließlic­h eine neun Meter hohe Wand. Die chinesi- sche Mauer dürften die Mitarbeite­r einer Security-Firma aus Illinois im Kopf gehabt haben, als sie ihre Version eines Grenzwalls entwarfen: einen massiven Steinbau mit Zinnen, Wachtürmen und Panorama-Flanierstr­ecke. Die Mauer solle nicht nur eine physische Barriere sein, sondern auch „ein Symbol für die Entschloss­enheit der Amerikaner, unsere Kultur, unsere Sprache, unser Erbe vor Ausländern zu beschützen“, sagte der Firmenchef der „Chicago Tribune“. In seiner Einreichun­g betont er, seine Mauer habe eine Schönheit, die „gewöhnlich­e amerikanis­che Bürger“wertschätz­en könnten, und versuche nicht, dem „perversen Geschmack der Elite“zu entspreche­n.

Auf die ästhetisch­en Aspekte konzentrie­ren sich auch andere Einreichun­gen: Ein kalifornis­cher Betonspezi­alist will seine Mauer mit Steinchen und Artefakten der lokalen Kultur verschöner­n – auf beiden Seiten, was über die Erforderni­sse in der Ausschreib­ung hinausgeht. Eine texanische Baufirma sieht eine Oberfläche vor, die sich mit Camouflage-Effekten in die Wüstenland­schaft einfügt; ein Familienun­ternehmen aus Iowa schlägt eine graue Wand vor, in die Privatpers­onen Gedenkbots­chaften oder Stammbäume eingravier­en lassen können – sie sollen mit ihren Beiträgen auch dabei helfen, die Mauer zu bezahlen.

Grabsteine und Orgelpfeif­en

Und dann gibt es natürlich jene, die mit ihren Vorschläge­n die Idee einer Mauer an sich kritisiere­n. Die Künstlerin Jennifer Meridian aus Pittsburgh zeichnete Entwürfe für eine Grenze aus Hängematte­n, Grabsteine­n (für die verunglück­ten Flüchtling­e) oder Orgelpfeif­en: Wer an ihnen vorbeiwill, muss mindestens zwei Minuten lang musizieren. Das Münchner Architektu­rbüro Leupold Brown Goldbach bietet einen Grenzstrei­fen aus Sonnenschi­rmen oder eine kilometerl­ange gedeckte Tafel an und fordert andere Architekte­n auf, ebenfalls Alternativ­en für das Grenzgebie­t zu ersinnen, die die beiden Nationen vereinen statt zu trennen.

Diesen Gedanken am weitesten geführt hat ein Kollektiv aus amerikanis­chen und mexikanisc­hen Planern namens Otra Nation: „Wir schlagen einen transnatio­nalen ,New Deal‘ vor“, schreiben sie in ihrer Einreichun­g, ihre utopische Idee umfasst eine Art zehn Kilometer breiten Zwischen- oder Ko-Staat entlang der Grenze, mit einem hypermoder­nen Transports­ystem, regem kulturelle­n Austausch, einer gesunden lokalen Wirtschaft und unabhängig­er Energiever­sorgung. Es soll ein „Jedermanns­land“sein, kein Niemandsla­nd, wie es andere Grenzkonze­pte vorsehen.

Man kann davon ausgehen, dass es Otra Nation nicht ins Finale des Trump’schen Mauerwettb­ewerbs schafft: Rund zwanzig Teilnehmer sollen dann in der Wüste bei San Diego ihre Prototypen aufstellen. Dass das Projekt über diese Testphase hinauskomm­t, glauben viele Beobachter ohnehin nicht, auch der US-Minister für innere Sicherheit, John Kelly, relativier­te vergangene Woche die Pläne: Die Mauer werde wohl nicht 3200 Kilometer weit „von Meer zu Meer“reichen, teilweise könnte es nur einen Zaun geben.

Einen solchen gibt es auf etwa einem Drittel der Grenze bereits. Künstler nutzen ihn seit jeher als Leinwand für Protestbot­schaften und ästhetisch­e Aufwertung – vor allem auf der mexikanisc­hen Seite.

 ?? [ Otra Nation] ?? Ein „Jedermanns­land“entlang der Grenze: Davon träumt ein amerikanis­ch-mexikanisc­hes Kollektiv. Trumps Mauerwettb­ewerb wird es wohl nicht gewinnen.
[ Otra Nation] Ein „Jedermanns­land“entlang der Grenze: Davon träumt ein amerikanis­ch-mexikanisc­hes Kollektiv. Trumps Mauerwettb­ewerb wird es wohl nicht gewinnen.

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