Wie Trumps Grenzmauer aussehen könnte
Architektur. Steinzinnen, Maschendraht, ein Grenzwall aus Hängematten und ein hypermodernes „Jedermannsland“: Die Entwürfe für Donald Trumps Lieblingsprojekt erzählen von wilden Utopien und vom amerikanischen Traum.
Schön soll sie sein, die Mauer, „ästhetisch ansprechend“– zumindest auf der amerikanischen Seite. Von imposanter Höhe soll sie sein und unempfindlich gegen Vorschlaghämmer, Stemmeisen und Feuer. Man soll sie nicht erklettern oder unter ihr durchgraben können, Bau und Instandhaltung sollen kosteneffizient sein: Zwölf Anforderungen umfasst die Ausschreibung, in der die US-Grenzschutzbehörde Firmen aus aller Welt aufforderte, ihre Prototypen für eine Grenzmauer zwischen den USA und Mexiko einzureichen. Rund 400 Unternehmen dürften Schätzungen zufolge am Wettbewerb teilgenommen haben. Die Behörde hält sich, was die Einreichungen angeht, bedeckt; sie will erst im Juni verkünden, welche Unternehmen in einer nächsten Runde eingeladen werden, Prototypen zu bauen.
Einige der Teilnehmer (große Namen aus der Welt der Architektur haben sich nicht gemeldet) sind von sich aus mit ihren Entwürfen an die Öffentlichkeit gegangen. Wie ernst sie es mit ihren Ideen meinen, ist manchmal schwer zu erkennen: Neben Hightech-Lösungen – zwischen Gefängnismauer-Tristesse und Science-Fiction-Fantasie angesiedelt – und offensichtlichen Satireprojekten sind unter den Entwürfen auch welche, die mehr vom amerikanischen Traum und der nostalgischen Sehnsucht nach einer sicheren Festung zu erzählen scheinen als von simplem Mauerdesign.
So sind im Netz etwa die Entwürfe von Firmen zu finden, die mit Themen wie Grenzsicherheit oder Mauerbau überhaupt nichts zu tun haben, die Trump aber ideologisch nahestehen und wohl hoffen, durch einen Milliardenauftrag wie diesen groß rauszukommen. Das auf Solarfenster und nachhaltige Gebäudetechnik spezialisierte Kleinunternehmen Gleason Partners, das sich mit dem Siegel „100% Vietnam veteran owned“schmückt, schlägt eine Mauer aus Solarpaneelen vor; eine auf den Transport von Schiffscontainern spezialisierte Firma regt eine Mauer aus gestapelten Containern an.
Schön für „gewöhnliche Bürger“
Schwer einzuordnen ist der Entwurf von Clayton Industries, einem Technologieunternehmen aus Pennsylvania. Er sieht vor, beginnend auf der mexikanischen Seite: einen Maschendrahtzaun, einen Streifen mit Bewegungssensoren, eine Grube voller Atommüll, ein Bahngleis und schließlich eine neun Meter hohe Wand. Die chinesi- sche Mauer dürften die Mitarbeiter einer Security-Firma aus Illinois im Kopf gehabt haben, als sie ihre Version eines Grenzwalls entwarfen: einen massiven Steinbau mit Zinnen, Wachtürmen und Panorama-Flanierstrecke. Die Mauer solle nicht nur eine physische Barriere sein, sondern auch „ein Symbol für die Entschlossenheit der Amerikaner, unsere Kultur, unsere Sprache, unser Erbe vor Ausländern zu beschützen“, sagte der Firmenchef der „Chicago Tribune“. In seiner Einreichung betont er, seine Mauer habe eine Schönheit, die „gewöhnliche amerikanische Bürger“wertschätzen könnten, und versuche nicht, dem „perversen Geschmack der Elite“zu entsprechen.
Auf die ästhetischen Aspekte konzentrieren sich auch andere Einreichungen: Ein kalifornischer Betonspezialist will seine Mauer mit Steinchen und Artefakten der lokalen Kultur verschönern – auf beiden Seiten, was über die Erfordernisse in der Ausschreibung hinausgeht. Eine texanische Baufirma sieht eine Oberfläche vor, die sich mit Camouflage-Effekten in die Wüstenlandschaft einfügt; ein Familienunternehmen aus Iowa schlägt eine graue Wand vor, in die Privatpersonen Gedenkbotschaften oder Stammbäume eingravieren lassen können – sie sollen mit ihren Beiträgen auch dabei helfen, die Mauer zu bezahlen.
Grabsteine und Orgelpfeifen
Und dann gibt es natürlich jene, die mit ihren Vorschlägen die Idee einer Mauer an sich kritisieren. Die Künstlerin Jennifer Meridian aus Pittsburgh zeichnete Entwürfe für eine Grenze aus Hängematten, Grabsteinen (für die verunglückten Flüchtlinge) oder Orgelpfeifen: Wer an ihnen vorbeiwill, muss mindestens zwei Minuten lang musizieren. Das Münchner Architekturbüro Leupold Brown Goldbach bietet einen Grenzstreifen aus Sonnenschirmen oder eine kilometerlange gedeckte Tafel an und fordert andere Architekten auf, ebenfalls Alternativen für das Grenzgebiet zu ersinnen, die die beiden Nationen vereinen statt zu trennen.
Diesen Gedanken am weitesten geführt hat ein Kollektiv aus amerikanischen und mexikanischen Planern namens Otra Nation: „Wir schlagen einen transnationalen ,New Deal‘ vor“, schreiben sie in ihrer Einreichung, ihre utopische Idee umfasst eine Art zehn Kilometer breiten Zwischen- oder Ko-Staat entlang der Grenze, mit einem hypermodernen Transportsystem, regem kulturellen Austausch, einer gesunden lokalen Wirtschaft und unabhängiger Energieversorgung. Es soll ein „Jedermannsland“sein, kein Niemandsland, wie es andere Grenzkonzepte vorsehen.
Man kann davon ausgehen, dass es Otra Nation nicht ins Finale des Trump’schen Mauerwettbewerbs schafft: Rund zwanzig Teilnehmer sollen dann in der Wüste bei San Diego ihre Prototypen aufstellen. Dass das Projekt über diese Testphase hinauskommt, glauben viele Beobachter ohnehin nicht, auch der US-Minister für innere Sicherheit, John Kelly, relativierte vergangene Woche die Pläne: Die Mauer werde wohl nicht 3200 Kilometer weit „von Meer zu Meer“reichen, teilweise könnte es nur einen Zaun geben.
Einen solchen gibt es auf etwa einem Drittel der Grenze bereits. Künstler nutzen ihn seit jeher als Leinwand für Protestbotschaften und ästhetische Aufwertung – vor allem auf der mexikanischen Seite.