Wünschen hilft wieder – wünsch dir was!
Volx/Margareten. Das Junge Volkstheater erforscht Gesellschaftspolitik: „Die Summe der einzelnen Teile“.
Ein schwarzer Quader steht auf der Bühne: Hände, Köpfe, Körper ragen heraus. Anfangs intonieren die unsichtbaren Akteure den Donauwalzer. Vorn stehen zwei kleine Mädchen und pfeifen nach allen Richtungen mit. „Die Summe der einzelnen Teile“, eine Uraufführung, seit Mittwochabend im Volx/ Margareten zu sehen, ist eine „Theatrale Feldforschung des Jungen Volkstheaters“und eine Kooperation mit der Volkshilfe und dem Mumok. Ganz schön kompliziert klingt das. Aber es ist recht einfach.
Das Theater widmet sich ja meist den ernsten Fragen, auch hier, aber in dieser Produktion geht es auch um Perspektiven. Sie wirken etwas naiv, aber sympathisch. Über zwei Dutzend Spieler erzählen aus ihrem, unserem Alltag. In der U-Bahn sieht man einander nicht an, wenn, dann misstrauisch. Ein Rucksack steht in der S-BahnStation Krottenbachstraße. Eine ältere Dame erschrickt, wenn das Ding explodiert, kann die Bombe sie treffen. Soll sie fliehen?
Ein junger Mann, vermutlich mit orientalischem Background, tanzt allein und mit einem jungen Mädchen. Aus dem Quader schauen Hausbewohner zu, wachsam, lauernd, neidig? Die Insel der Seligen ist keine mehr, war sie es überhaupt je? „Die Metapher kenne ich schon seit 40 Jahren“, brummt ein älterer Herr und erinnert mit einer alten Dame an die großen Probleme der vergangenen Jahrzehnte: Kalter Krieg, Ölkrise, Jugoslawien-Krieg . . . Zwei junge Mädchen kommen, fotografieren einander und sich mit den alten Leuten: „Hashtag Lächeln!“
„Was habt ihr gemacht?“
Die Alten schütteln den Kopf: Was ist das denn wieder? Was denken die jungen Leute über Politik? Man würde Verdrossenheit vermuten, aber nein: „Ist eh alles in Ordnung, oder?“, meint eine junge Frau. Eine andere versucht immer wieder zu erzählen, wie sie schon mit acht Jahren eine Demonstration gegen ihre Schuldirektorin organisieren wollte, weil diese ihr ein Pflaster verweigert hat. Endlich kommt sie dazu: keine Demo, niemand wollte mitmachen. Und der Chor repetiert: „Der Minister hat die Ministerverantwortung.“Aber, fragen sich die Bürger, wie kann ein Mensch alles wissen und so viel Verantwortung tragen?
Manchmal bricht plötzlich ein Stück Katastrophe in das nachdenkliche Work in Progress über Demokratie. Warum bekommt ein Politiker 20 Jahre lang bei demokratischen Wahlen fast 100 Prozent der Stimmen? „Sonst!“, ruft ein junger Syrer mit Brille und zeigt, wie er aufgehängt wird. Par- tizipationstheater ist stark in Mode. Jacqueline Kornmüller, die in der Flüchtlingshilfe arbeitete, war eine der Pionierinnen. Ihre jüngste Kreation „Ganymed Female“, eine Untersuchung von Bildmotiven im KHM – allerdings mit Profis –, ist noch im April und Mai zu sehen. „Wenn es so weit ist“, heißt Kornmüllers Verein – und um „Wenn es soweit ist“, geht es auch hier: „Was habt ihr gemacht, als die Demokratie zusammenbrach?“, fragen am Schluss der Aufführung im Volx Kinder die Erwachsenen. Und sie erzählen, wie ihr Wien aussehen würde: „Wünschen hilft wieder – wünsch dir was!“
Schlicht, aber überzeugend
Constance Cauers und Malte Andritter, Regisseure von „Die Summe der einzelnen Teile“, haben mit einem schlichten Konzept Tolles geleistet, noch mehr das Ensemble, das in 50 kurzweiligen Minuten ohne Pause Optimismus und Warmherzigkeit verbreitet. Und so den Abstand von Laien und Profis fast vergessen lässt. Partizipationstheater gewinnt der Bühnenkunst Publikum, wer mitspielt, sieht, wie schwer es ist, im Chor zu sprechen, gemeinsam zu agieren und zur richtigen Zeit am richtigen Platz zu sein. Am Schluss geht es wieder zu wie im echten Leben: Alle laufen durcheinander. Aber man hat etwas erfahren. Tosender Applaus!