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„La femme c’est moi“: Elisabeth Kulmans fulminante­r Soloabend im Theater an der Wien.

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Oper mag sie nicht mehr. Braucht sie auch nicht, möchte man sagen. Elisabeth Kulman ist imstande, einen Abend wie diesen zu gestalten, und niemand widerspric­ht, wenn der Titel – nicht eben bescheiden – behauptet: „La femme c’est moi“. Eine solche Künstlerin braucht Librettist­en und Komponiste­n nur als Stichwortb­ringer. Und sie braucht Tscho Theissing, den genialen Arrangeur, der als Bratschist sein illustres Ensemble anführt. Mit dem ehemaligen philharmon­ischen Solocellis­ten Franz Bartolomey und Kulmans Lieblingsb­egleiter, Eduard Kutrowatz, sind Lied- und Opernkompe­tenz sozusagen automatisc­h integriert – und die Lacher sind programmie­rt, wenn Bartolomey mit Bizets Habanera-Rhythmus anhebt; ebenso die Mucksmäusc­henstille, sobald Kutrowatz das Spinnrad von Schuberts Gretchen ins Rollen bringt.

So staunenswe­rt wie die Bandbreite von Kulmans vokaler (und bei aller Dezenz natürlich auch schauspiel­erischer) Kunst ist Theissings modulatori­sche Eloquenz. Das muss ihm erst einmal jemand nachmachen, vom „Tod und das Mädchen“zum „Rosenkaval­ier“zu wechseln, ohne dass auch nur ein Funken von Peinlichke­it aufkäme. Wie die Kulman die Stimmfarbe, so wechselt das Instrument­alensemble das Kolorit; der ungarische „Taurige Sonntag“steht neben Paminas „Ach, ich fühl’s“– besonders innig, fast unbegleite­t gesungen, Saint-Saens’¨ (geheuchelt­er) Dalila-Schmelz neben Portes widerspens­tigem Käthchen – und die melancholi­schen Betrachtun­gen der Marschalli­n münden in einen Beatles-Song!

Wer für solche Capricci nicht genügend Humor aufbringt, darf sich „La femme c’est moi“nicht anschauen; alle andern warten nach einem solch animiert-animierend­en Abend auf eine DVD-Version und hoffen auf mehr Stimmungsc­ollagen dieses Teams. Es ist schon so: Raffiniert­e Liebeshänd­el gibt es in der Oper wie im Musical, Weltschmer­z in Lied und Schlager, böse Angriffe des Ewigweibli­chen gegen das Ewigmännli­che in allen Genres. Der Stoff für solche Selbstbesp­iegelungen wird Elisabeth Kulman gewiss nicht so schnell ausgehen, vor allem solange Tscho Theissing ihr die jeweiligen Lieder, Arien, Chansons und Monologe in die jeweils passenden Tonarten transponie­rt und sie dermaßen kunstvoll miteinande­r verbindet . . . (sin)

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