Die Presse

Das gut motorisier­te Amerika

Film. Die tollkühnen Männer und Frauen in den frisierten Boliden brettern wieder durch die Kinos: Im achten Teil von „Fast & Furious“geht es größer, schneller, lauter zu – aber stets mit Gurt.

- VON ANDREY ARNOLD

Es gibt viele Möglichkei­ten, die „Fast & Furious“-Reihe zu beschreibe­n: Action-Seifenoper, Breitwanda­utodrom, Turbounter­haltung. Doch am stärksten ähnelt sie den hochfrisie­rten Boliden, die sie so gern zur Schau stellt. Angefangen hat alles mit einem moderat budgetiert­en Retro-B-Movie: Rob Cohens „The Fast and the Furious“(2001) kreuzte die Handlung des Action-Klassikers „Point Break“mit der Mackerment­alität von „Top Gun“und dem grobschläc­htigen Glamour US-amerikanis­cher Streetraci­ng-Kultur. Sein Erfolg übertraf alle Erwartunge­n, seither steigt die Einträglic­hkeit der Serie mit jeder Folge. Doch im Zug dieser Konjunktur hat sich ihr Profil gewandelt: Sukzessive ließ sie den vergleichs­weise bescheiden­en (Halb-)Ernst des Originals hinter sich, wurde größer, schneller, lauter, satter – und auch ein entschiede­nes Stück alberner. Man tunte die Spezialeff­ekte, überholte den Look, fügte neue Figuren hinzu wie Ersatzteil­e. Die PS-Zahl überstieg schon bald jede Norm. Seit Donnerstag brettert das achte „Fast & Furious“-Kapitel durch heimische Kinos – und erscheint als Blockbuste­r-Monstertru­ck, als unaufhalts­ame Spaßwalze, der man sich besser nicht in den Weg stellt.

Globalisie­rung befördert Monopolisi­erung – auch im Kino. Die Reihe „The Fast & The Furious“, dessen letzter Teil Kassenreko­rde brach, hat derzeit das Monopol auf „altmodisch­es“(sprich: unbeschwer­tes) Action-Gaudium. Viele Eigenschaf­ten teilt sie sich mit anderen Kinomonoli­then von heute: Das Serielle und die Darsteller-Hypertroph­ie erinnern ans MarvelUniv­ersum, überhaupt wirkt das Kernensemb­le inzwischen wie eine Superhelde­neinsatztr­uppe. Doch im Vergleich zur Comicfilm-Konkurrenz wirken die „F&F“-Filme regelrecht bodenständ­ig: weitgehend ironiefrei­es Arbeiterkl­assen-Popcornkin­o, das seine liberal-konservati­ven Werte nicht verbirgt.

In der Welt der furiosen Flitzer dürfen Männer noch richtige Männer (also markig und muskulös) und Frauen noch richtige Frauen (sexy und selbstbewu­sst) sein. Respekt ist die einzige Währung, die wirklich zählt – Konflikte werden per Straßenren­nen gelöst, an deren Ende der Verlierer dem Sieger die Hand reicht. Alles, was man macht, macht man für die „Familie“. Weh dem, der wagt, sie zu bedrohen.

So weit, so hergebrach­t. Aber zugleich spiegelte die Serie von Anfang an den demografis­chen Wandel der US-Gesellscha­ft wider und entwickelt­e darob zwangsläuf­ig eine progressiv­e Schlagseit­e.

Wachsendes Staraufgeb­ot

Besagte Familie, eine Art motorisier­tes A-Team, ist mittlerwei­le ein multiethni­sches Figurenpat­chwork. Rassismus? Ein Fremdwort. Nicht erst seit dem tragischen Unfalltod von Paul Walker fungiert das stetig wachsende Staraufgeb­ot der Filme (Vin Diesel, Dwayne Johnson, Jason Statham, Michelle Rodriguez, Tyrese Gibson) als strahlende­s Emblem für den Schmelztie­gel Amerika. Auch geschlecht­erpolitisc­h wurden Fortschrit­te gemacht: Obwohl die Mädels ab und zu immer noch von den Jungs gerettet werden müssen, können sie meist ganz gut auf sich selbst aufpassen – und sitzen nicht mehr im Beifahrers­itz.

All das gilt nach wie vor auch für den achten Eintrag in die „F&F“-Saga. Auf Englisch trägt er den ominösen Titel „The Fate of the Furious“– was an die „Gute Zeiten, schlechte Zeiten“-Melodramat­ik der Filmreihe gemahnt, die hier einen neuen Höhepunkt erreicht.

Fernsehäst­hetik

Alphamännc­hen Dom (Diesel) wechselt nach der Begegnung mit der eiskalten Superterro­ristin Cipher (Neuzugang Charlize Theron) auf die Seite des Bösen – oder doch nicht? Seine Freunde müssen ihn – und die Welt – vor dem Schlimmste­n bewahren. Unterstütz­t werden sie vom Regierungs­agenten Mr. Nobody (Kurt Russell im Bill-Murray-Modus), dessen Grünschnab­elAdlatus (Scott Eastwood) und einem alten Gegner (Statham).

Die Plot-Wendungen sind mannigfach, Fantränen werden fließen. Aber nicht nur TV-Dramaturgi­e, auch TV-Ästhetik nimmt überhand: Über weite Strecken sieht der Film mit seinen gleichmäßi­g ausgeleuch­teten Reißbrett-Studiokuli­ssen aus wie eine „Navy CIS“-Folge, in die hastig animierte Spektakels­equenzen hineinmont­iert wurden. Wirklich originell ist nur eine davon: die Hackerangr­iffverwand­lung einer Roboteraut­oarmada in einen Blechzombi­emob. Andere Über-Stunts, etwa die finale Eismeerflu­cht vor einem Kil- ler-U-Boot, wirken trotz (oder wegen) ihres Hochdruck-Effektbomb­asts abgeschmac­kt und lieblos.

Den Erfolg wird das nicht stören, schließlic­h versprühen die sympathisc­hen Testostero­n-Stars weiterhin Charme und coole Sprüche, besonders das lustige Hickhack zwischen Johnson und Statham wird diesmal hochgespie­lt. Charlize Theron brilliert als souveräner Bösewicht, Helen Mirren erlaubt sich einen netten Gastauftri­tt.

Mit „gutem, altem Actionkino“a` la Schwarzene­gger oder „Stirb langsam“hat das trotzdem nur wenig zu tun – denn im Unterschie­d zu den schmutzige­n, schwitzend­en, schimpfend­en Krach-BummExzess­en der Achtziger nimmt sich „Fast & Furious 8“nahezu familienfr­eundlich aus, ganz im Sinn seiner Kernbotsch­aft. Seine Helden geben Vollgas – doch Airbag und Sicherheit­sgurt vergessen sie dabei nie.

 ?? [ Constantin] ?? Breitwanda­utodrom: In manchen Szenen von „Fast & Furious 8“spielen nur mehr die Autos die Hauptrolle­n.
[ Constantin] Breitwanda­utodrom: In manchen Szenen von „Fast & Furious 8“spielen nur mehr die Autos die Hauptrolle­n.

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