Wenn der Kapitalismus dabei ist, das Privateigentum abzuschaffen
Immer mehr Konsumenten mieten, was sie brauchen, anstatt zu kaufen. Aber eine eigentumslose Gesellschaft ist letztlich eine unfreie Gesellschaft.
Große deutsche Versandhäuser wie Quelle und Otto probieren gerade ein neues, etwas absonderlich erscheinendes Geschäftsmodell aus: das Vermieten von Haushaltsgeräten wie Kühlschrank, Waschmaschine oder TV-Geräten. Anstatt zu kaufen, borgen sich die Kunden die Geräte für ein paar Monate oder auch länger aus.
Was der Vorteil eines gemieteten Haushaltsgeräts gegenüber einem käuflich erworbenen sein soll, erschließt sich zwar nicht so recht, aber dafür entspricht das Angebot völlig dem ökonomischen Zeitgeist. Eine Sache nicht zu besitzen, sondern nur dann zu mieten, wenn man sie braucht, gefällt immer mehr Konsumenten und wird deshalb auch für immer mehr Besitztümer angeboten. Sharing Economy, also Ökonomie des Teilens, lautet das einschlägige modische Schlagwort.
Da werden etwa Autos immer öfter nicht gekauft, sondern für kurze Zeit etwa über Car2go und andere ähnliche Geschäftsmodelle gemietet, im Bedarfsfall ergänzt durch herkömmliche Mietwagenangebote für Tage oder Wochen. Oder man lässt sich, wenn man nicht selbst fahren will, gleich im Uber-Auto ans Ziel bringen. Und wenn erst einmal autonom fahrende Autos alltäglich geworden sind, wird das Privateigentum an Autos möglicherweise gar exotisch werden – wer ein Auto braucht, pfeift sich einfach eines digital herbei und lässt sich an sein Ziel bringen.
Egal, ob es sich um Skier handelt oder um Werkzeug, um Fahrräder oder andere Konsumartikel – der Trend weg vom Eigentum und hin zum Mieten nimmt deutlich an Fahrt auf. Auch Ferienimmobilien sind mithilfe eines Smartphones weltweit zu mieten – eine attraktive Alternative zum Ferienhäuschen, das den kleinen Nachteil hat, immer am selben Platz zu stehen.
Selbst Musik, traditionell auf Tonträgern gespeichert, wird dank der erfolgreichen Streaming-Dienste nach diesem Prinzip vermarktet: die Goldberg-Variationen nicht mehr auf Platte oder CD, sondern bei Bedarf aus dem Netz entlehnt. Wenn immer mehr Menschen im- mer weniger an weltlichen Gütern besitzen, ist das grundsätzlich eine unter mehreren Gesichtspunkten vernünftige Entwicklung. Sie spart materielle Ressourcen, Platz und Raum, in manchen Fällen wohl auch Geld der Konsumenten und erhöht die Flexibilität, weil sich niemand langfristig an Dinge binden muss.
Ein derartiges Zurückdrängen des Eigentums birgt freilich auch höchst unerwünschte Aspekte in sich. Denn grundsätzlich ist Eigentum eine wesentliche Voraussetzung von Freiheit. Wer über Besitz verfügt, dem stehen einfach mehr Handlungsoptionen im Leben offen als dem Besitzlosen. Deswegen ist eine gesellschaftliche Grundströmung, die Eigentum tendenziell verpönt, zurückdrängt und an seiner Stelle jede Form des Mietens, modisch als „sharen“verkleidet, letzten Endes eine gegen die Freiheit des Einzelnen gerichtete Entwicklung. Eine Gesellschaft von Mietern ist eine unfreiere Gesellschaft als eine Gesellschaft von Eigentümern, weil es in der deutlich weniger Formen von Abhängigkeit gibt.
Dabei geht es weniger um die Frage, ob der Einzelne nun dieses oder jenes besitzt oder bloß mietet. Natürlich ist der Besitz einer Waschmaschine nicht wirklich eine notwendige Bedingung von Freiheit. Es geht vielmehr um eine Mentalität, die um sich greift, wenn vor allem jungen Menschen der Erwerb von Eigentum als zunehmend altvaterisches, ökologisch problematisches und geradezu reaktionäres Verhalten erscheint – eine Art ökonomisches Pendant zu Zigarettenrauchen, sexistischen Äußerungen und der Weigerung, seinen Müll zu trennen: eine Mentalität, die Eigentum letztlich befremdlich findet und deshalb auch als nicht anstrebenswert.
Eine Gesellschaft, in der diese Einstellung irgendwann dominant wird, verliert zwingend an Freiheit des Einzelnen, der dann mangels Eigentums noch abhängiger vom Wohlwollen des Staates und seiner Funktionäre wird.