Die Presse

Verhaftete­r Islamist ist nicht der Täter

Deutschlan­d. Nach Explosione­n am BVB-Teambus scheint eine erste Spur im Sand zu verlaufen. Die Kanzlerin indes gibt den Behörden im rot-grünen NRW eine Breitseite mit. Es ist Wahlkampf.

- Von unserem Korrespond­enten JÜRGEN STREIHAMME­R

Dortmund. Der von den deutschen Behörden verhaftete Abdul A. ist nicht der Täter, der den Anschlag auf den Bus der Mannschaft von Borussia Dortmund verübt hat. Das gab nun die Staatsanwa­ltschaft bekannt. Der 26-jährige Iraker bleibt dennoch in Haft, weil er ein hochgefähr­licher Mann sein soll: In seiner Heimat soll er ein zehnköpfig­es IS-Kommando angeführt haben, das sich auf die Vorbereitu­ng von Erpressung, Entführung und Tötung verstand.

Wer nun den Anschlag am Mittwoch verübt hat, ist weiter unklar. Es könne nicht ausgeschlo­ssen werden, dass die Täter gewaltbere­ite Fußballfan­s seien, hieß es gestern. Die Sprengsätz­e waren nach Polizeiang­aben jedenfalls hochprofes­sionell gebaut, ihre Sprengkraf­t sei enorm gewesen. Außerdem seien noch weitere Anschläge angekündig­t: „Wir nehmen das ernst.“

Berlin/Dortmund. Abdul Beset A. scheint ein hochgefähr­licher Mann zu sein. Daran lässt die gestern verbreitet­e Erklärung der Bundesanwa­ltschaft kaum Zweifel. Der 26-jährige Iraker soll in seiner Heimat ein zehnköpfig­es IS-Kommando angeführt haben, das sich auf die Vorbereitu­ng von Erpressung­en, Entführung­en und Tötungen verstand. Anfang 2016 reiste A. in Deutschlan­d ein. Der Kontakt zu IS-Mitglieder­n riss aber nicht ab. Einige Stunden nach dem Anschlag am Dienstag auf den BVB-Teambus mit zwei Verletzten wurde A. in Wuppertal aus dem Verkehr gezogen und gestern Haftantrag gestellt.

Bloß: Mit dem Grund seiner Festnahme, dem Anschlag in Dortmund, hatte der Iraker möglicherw­eise genauso wenig zu tun wie ein zwischenze­itlich verdächtig­ter Deutscher (28). Es gebe „bisher keine Belege“für eine Beteiligun­g des Irakers, so die Bundesanwa­ltschaft gestern. A. soll aber wegen mutmaßlich­er IS-Mitgliedsc­haft hinter Gitter. Die von der Bundesanwa­ltschaft mitgeteilt­en Details über die Vita des Iraker legen nahe, dass er schon länger im Visier der Behörden stand. Berichten zufolge wurde er auch abgehört. „Der Sprengsatz ist fertig“, soll ihm ein Anrufer erklärt haben. Nach den Explosione­n in Dortmund erfolgte der Zugriff.

„Der IS verhandelt nicht“

Zumal man sich in NordrheinW­estfalen (NRW) keine Blöße geben will und es ja diese drei wortidente­n islamistis­chen Bekennersc­hreiben am Tatort gab. Über diese Texte beugt sich in diesen Tagen die halbe Republik, Experten werden endlos zitiert und durch Talkshows gereicht. Der Befund ist immer ähnlich. Irgendetwa­s stimme nicht. Der IS verbreite seine Bekennersc­hreiben im Internet, nicht auf Papier, heißt es dann. Die vielen orthografi­schen Fehler könnten ab- sichtlich eingebaut worden sein. Um den Verdacht auf Ausländer zu lenken. Die kleinteili­gen Forderunge­n, etwa nach Abzug deutscher Tornados, seien unüblich. „Der IS verhandelt nicht“, sagte gestern der oberste Verfassung­sschützer in NRW, Burkhard Freyer. Es fehlten auch arabische Floskeln. Die Ermittlung­en laufen in alle Richtungen, erklärte daher NRW-Innenminis­ter Ralf Jäger erneut. Im Blick sind Links- wie Rechtsradi­kale, Islamisten und gewaltbere­ite Fans.

Denn in allen vier Feldern gibt es Auswüchse in NRW. Jäger ist vor der Landtagswa­hl am 14. Mai die Achillesfe­rse der in Umfragen führenden SPD. Seit den Übergriffe­n in der „Kölner Silvestern­acht“und danach dem Berlin-Anschlag mit einem Attentäter, der (auch) in NRW lebte, hat die Opposition Jäger im Visier. Um den Schwachpun­kt „Innere Sicherheit“in NRW weiß auch Angela Merkel. In einem gestern erschienen­en (aber vor dem Anschlag geführten) Interview mit der Funke Mediengrup­pe stellt die Kanzlerin nicht nur einen milliarden­schweren Geldsegen für struktursc­hwache NRW-Kommunen in Aussicht, sondern klagte auch über Mängel in der Terrorabwe­hr: In NRW gebe es anders als in Bayern keine Schleierfa­hndung.

Merkel im Wahlkampfm­odus

Die Kanzlerin hat auf Angriffsmo­dus umgeschalt­et, zumal die NRWWahl der letzte Test vor dem Urnengang auf Bundeseben­e ist und dort jeder fünfte deutsche Wahlberech­tigte lebt. Es begann schon auf dem Landespart­eitag in Essen. Ungewöhnli­ch scharf attackiert­e Merkel die rot-grüne Regierung, empörte sich über Staus, die länger wie von „hier bis zum Mond“seien, über die vielen Wohnungsei­nbrüche und über Ralf Jäger.

Zu Ostern wandert die Kanzlerin auf der Kanarenins­el La Gomera. Eine Verschnauf­pause. Danach plant sie gleich sieben Wahlkampfa­uftritte in NRW.

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