Verhafteter Islamist ist nicht der Täter
Deutschland. Nach Explosionen am BVB-Teambus scheint eine erste Spur im Sand zu verlaufen. Die Kanzlerin indes gibt den Behörden im rot-grünen NRW eine Breitseite mit. Es ist Wahlkampf.
Dortmund. Der von den deutschen Behörden verhaftete Abdul A. ist nicht der Täter, der den Anschlag auf den Bus der Mannschaft von Borussia Dortmund verübt hat. Das gab nun die Staatsanwaltschaft bekannt. Der 26-jährige Iraker bleibt dennoch in Haft, weil er ein hochgefährlicher Mann sein soll: In seiner Heimat soll er ein zehnköpfiges IS-Kommando angeführt haben, das sich auf die Vorbereitung von Erpressung, Entführung und Tötung verstand.
Wer nun den Anschlag am Mittwoch verübt hat, ist weiter unklar. Es könne nicht ausgeschlossen werden, dass die Täter gewaltbereite Fußballfans seien, hieß es gestern. Die Sprengsätze waren nach Polizeiangaben jedenfalls hochprofessionell gebaut, ihre Sprengkraft sei enorm gewesen. Außerdem seien noch weitere Anschläge angekündigt: „Wir nehmen das ernst.“
Berlin/Dortmund. Abdul Beset A. scheint ein hochgefährlicher Mann zu sein. Daran lässt die gestern verbreitete Erklärung der Bundesanwaltschaft kaum Zweifel. Der 26-jährige Iraker soll in seiner Heimat ein zehnköpfiges IS-Kommando angeführt haben, das sich auf die Vorbereitung von Erpressungen, Entführungen und Tötungen verstand. Anfang 2016 reiste A. in Deutschland ein. Der Kontakt zu IS-Mitgliedern riss aber nicht ab. Einige Stunden nach dem Anschlag am Dienstag auf den BVB-Teambus mit zwei Verletzten wurde A. in Wuppertal aus dem Verkehr gezogen und gestern Haftantrag gestellt.
Bloß: Mit dem Grund seiner Festnahme, dem Anschlag in Dortmund, hatte der Iraker möglicherweise genauso wenig zu tun wie ein zwischenzeitlich verdächtigter Deutscher (28). Es gebe „bisher keine Belege“für eine Beteiligung des Irakers, so die Bundesanwaltschaft gestern. A. soll aber wegen mutmaßlicher IS-Mitgliedschaft hinter Gitter. Die von der Bundesanwaltschaft mitgeteilten Details über die Vita des Iraker legen nahe, dass er schon länger im Visier der Behörden stand. Berichten zufolge wurde er auch abgehört. „Der Sprengsatz ist fertig“, soll ihm ein Anrufer erklärt haben. Nach den Explosionen in Dortmund erfolgte der Zugriff.
„Der IS verhandelt nicht“
Zumal man sich in NordrheinWestfalen (NRW) keine Blöße geben will und es ja diese drei wortidenten islamistischen Bekennerschreiben am Tatort gab. Über diese Texte beugt sich in diesen Tagen die halbe Republik, Experten werden endlos zitiert und durch Talkshows gereicht. Der Befund ist immer ähnlich. Irgendetwas stimme nicht. Der IS verbreite seine Bekennerschreiben im Internet, nicht auf Papier, heißt es dann. Die vielen orthografischen Fehler könnten ab- sichtlich eingebaut worden sein. Um den Verdacht auf Ausländer zu lenken. Die kleinteiligen Forderungen, etwa nach Abzug deutscher Tornados, seien unüblich. „Der IS verhandelt nicht“, sagte gestern der oberste Verfassungsschützer in NRW, Burkhard Freyer. Es fehlten auch arabische Floskeln. Die Ermittlungen laufen in alle Richtungen, erklärte daher NRW-Innenminister Ralf Jäger erneut. Im Blick sind Links- wie Rechtsradikale, Islamisten und gewaltbereite Fans.
Denn in allen vier Feldern gibt es Auswüchse in NRW. Jäger ist vor der Landtagswahl am 14. Mai die Achillesferse der in Umfragen führenden SPD. Seit den Übergriffen in der „Kölner Silvesternacht“und danach dem Berlin-Anschlag mit einem Attentäter, der (auch) in NRW lebte, hat die Opposition Jäger im Visier. Um den Schwachpunkt „Innere Sicherheit“in NRW weiß auch Angela Merkel. In einem gestern erschienenen (aber vor dem Anschlag geführten) Interview mit der Funke Mediengruppe stellt die Kanzlerin nicht nur einen milliardenschweren Geldsegen für strukturschwache NRW-Kommunen in Aussicht, sondern klagte auch über Mängel in der Terrorabwehr: In NRW gebe es anders als in Bayern keine Schleierfahndung.
Merkel im Wahlkampfmodus
Die Kanzlerin hat auf Angriffsmodus umgeschaltet, zumal die NRWWahl der letzte Test vor dem Urnengang auf Bundesebene ist und dort jeder fünfte deutsche Wahlberechtigte lebt. Es begann schon auf dem Landesparteitag in Essen. Ungewöhnlich scharf attackierte Merkel die rot-grüne Regierung, empörte sich über Staus, die länger wie von „hier bis zum Mond“seien, über die vielen Wohnungseinbrüche und über Ralf Jäger.
Zu Ostern wandert die Kanzlerin auf der Kanareninsel La Gomera. Eine Verschnaufpause. Danach plant sie gleich sieben Wahlkampfauftritte in NRW.