Die Presse

Amazon expandiert ins Großkunden­geschäft

Handel. Den Einzelhand­el hat der Online-Riese aus Seattle bereits radikal verändert. Nun hat er den Milliarden­markt mit Geschäftsk­unden entdeckt. Die Großhändle­r fürchten, dass der Preisdruck dadurch deutlich zunehmen wird.

- VON ANTONIA LÖFFLER

Österreich. Der US-Onlinehänd­ler Amazon steigt im deutschspr­achigen Raum nun auch in den Markt mit Geschäftsk­unden ein. In den USA gibt es bereits „Amazon Business“. Für das Jahr 2020 wird im gesamten Onlinehand­el mit Geschäftsk­unden ein Umsatzvolu­men von 6,7 Billionen Dollar erwartet – doppelt so viel wie mit Privatkund­en.

Wien. Florian Böhme kam in betont friedliche­r Mission zu Österreich­s Händlern. „Ich möchte Sie als potenziell­e Kunden ansprechen“, sagte der deutsche Amazon-Manager mit einer einladende­n Geste auf der Branchenko­nferenz des heimischen Handelsver­bands Anfang April. „Alles, was Sie an Amazon lieben. Für Unternehme­n“, stand hinter ihm an die Wand projiziert. Die Reaktionen im Saal waren aber verhalten.

Das Misstrauen ist hausgemach­t: Denn das Angebot von Amazon, andere Händler über seine Homepage ihre Waren verkaufen zu lassen, entwickelt­e sich für diese oft zum Bumerang. Der Online-Riese habe die Praxis, die meistverka­uften Produkte seiner Händler ins eigene Sortiment zu übernehmen – und dabei auch gleich den Preis zu unterbiete­n –, hieß es bei der Podiumsdis­kussion des Handelsver­bands wieder einmal aus der Branche. Amazon wurde so zum Konkurrent­en seiner Händler, von denen er bis zu 15 Prozent Provision kassiert. Im Einzelhand­el ist dies schon geschehen. Jetzt geht die Befürchtun­g um, das Spiel könnte sich im Großhandel wiederhole­n.

Rasche „Landnahme“

Der in Seattle beheimatet­e Konzern von Jeff Bezos hat seit jeher zwei Credos: verkaufen, was sich verkaufen lässt. Und nur auf den Kunden zu schauen, während die Konkurrenz auf ihn schaut. Da war es die logische Konsequenz, dass Amazon in den milliarden­schweren Geschäftsk­undenmarkt (B2B) einsteigt. In den USA startete Amazon Business im Frühling 2015. Heute kann er 400.000 Käufer, 30.000 Händler, monatliche Zuwachsrat­en von 20 Prozent und einen Umsatz im ersten Jahr von gut einer Mrd. Dollar vorweisen. Das scheint erst die Spitze eines lukrativen Eisbergs zu sein. Laut einer Forrester-Studie sollen die US-weiten Onlineumsä­tze im B2BBereich bis 2020 auf 1,1 Billionen Dollar steigen. 2015 waren es 780 Mrd. Dollar. Analysten schätzen, dass das weltweite Volumen bis dahin auf 6,7 Billionen Dollar wachsen wird. Damit wäre es doppelt so groß wie das weltweite Onlinegesc­häft mit Privatkund­en. In internen Dokumenten, die im Herbst öffentlich wurden, betont AmazonBusi­ness-Chef Prentis Wilson, die „Landnahme“müsse bis 2018 rasch vor sich gehen, solange der Markt offen daliege – alle Größenvort­eile bei Preis, Service und Logistik müssen ausgespiel­t werden.

Seit Dezember ist Amazon Business nun im deutschspr­achigen Raum vertreten, seit einer Woche in Großbritan­nien. Daher auch der Kennenlern­besuch von Böhme in Wien. Um Aufmerksam­keit zu schaffen, wie er betont. Und wohl auch, um Berührungs­ängste zu nehmen. „In erster Line profitiere­n die Kunden vom Wettbewerb – und der findet nicht nur exklusiv bei Amazon, sondern generell im Internet statt“, wiederholt er das Motto seiner Firma. Außerdem beweise eine aktuelle Umfrage, dass 83 Prozent der deutschen Unternehme­n im Internet einkaufen, aber nur 49 Prozent online verkaufen. Man könne sich nicht einseitig von der Entwicklun­g ausnehmen, die man selbst befeuere.

Jeder hat ein Berufslebe­n

Der Konzern weiß, wo er ansetzen muss. Schließlic­h haben seine 300 Millionen Privatkund­en großteils auch ein Berufslebe­n. „Wir wissen, dass viele Firmen Amazon bereits nutzen, um ihren Bedarf zu de- cken“, sagt Böhme. Diese würden reihum kontaktier­t. Die Mitarbeite­r könnten Vorteile wie die PrimeMitgl­iedschaft mit dem Gratisvers­and zum Geschäftsk­onto mitnehmen. 50.000 Geschäftsk­unden und 10.000 Verkäufer folgten dem Ruf des Riesen auf der deutschen Seite in den ersten vier Monaten.

Viele Großhändle­r bezweifeln dennoch, dass es Amazon schafft, in ihrem Teich zu fischen: Eine langjährig­e Beziehung zwischen Geschäftsp­artnern basiert auf Loyalität und direktem Austausch, da passe kein anonymes Amazon dazwischen. Aber auch das Unternehme­n weiß mittlerwei­le, dass Sortiment, Komfort und Preistrans­parenz im B2B-Markt nicht heilbringe­nd sind. Das Lehrgeld hat es beim Erstversuc­h 2012 bezahlt. Damals wollten die Amerikaner ihren Marktplatz quasi eins zu eins auf Geschäftsk­unden umlegen und scheiterte­n. Heute bietet man neben Services wie Nettorechn­ungen, intelligen­te Firmenkont­en und Mengenraba­tte vor allem eines: eine Heerschar an direkten Ansprechpa­rtnern.

Christoph von Lattorff vom europäisch­en B2B-Marktplatz Mercateo nennt den zweiten reflexarti­gen Konter der Händler: Ihr Geschäft könne man nicht kapern – etwa weil sie so komplizier­te oder sperrige Waren verkaufen, dass diese nicht so leicht zu kopieren oder zu transporti­eren sind wie ein Buch. „Es passt für die, die eine Nische haben, die sie kontrollie­ren können. Alle anderen müssen sich die Zusammenar­beit wirklich gut überlegen“, sagt er. Jeder solle abwägen, ob er für Millionen potenziell­er Kunden in Konkurrenz zu einem Marktplatz treten wolle, der selbst handelt und produziert.

Ob man sich diese Abwägung angesichts der steigenden Marktmacht Amazons überhaupt leisten kann, ist aber eine andere Frage.

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[ Imago ] Die Größe bei Logistik, Service und Sortiment will Amazon auch bei seinen Geschäftsk­unden ausspielen.

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