Zahl der Muslime steigt
Religion. Muslimische Frauen erziehen ihre Söhne zu verwöhnten Versagern und ihre Töchter zu ehrbaren Gebärmaschinen, sagt die deutsche Autorin und Ex-Femen-Aktivistin Zana Ramadani. Als Beispiel führt sie ihre eigene Familiengeschichte an.
Österreich. In Österreich leben derzeit nach Schätzungen rund 700.000 Muslime. Die letzte offizielle Zahl – 346.000 – stammt aus der Volkszählung 2001.
Die Presse: Den Islam und Muslime zu kritisieren und dabei immer noch originell zu sein ist dieser Tage angesichts der starken Konkurrenz nicht einfach. Ihnen ist es dennoch gelungen, indem Sie muslimische Mütter in die Mangel nehmen und ihnen vorwerfen, ihre Söhne zu Versagern zu erziehen. Zana Ramadani: Tatsache ist, dass in der muslimischen Welt Frauen die Erziehung übernehmen. Und natürlich vermitteln sie ihren Kindern Werte, die zum Teil aus negativen Religionsinhalten bestehen und nichts mit spirituellem Glauben zu tun haben. Dieses Problem gehört an der Wurzel gepackt.
Welche Werte sind das, die Mütter an ihre Kinder weitergeben? Das fängt damit an, dass es Unterschiede bei der Erziehung von Mädchen und Buben gibt. Mädchen werden zu gesitteten, ehrbaren Ehefrauen und Gebärmaschinen erzogen, die ihrem Mann und dessen Familie zu Diensten sein sollen. Buben hingegen werden zwar einerseits zu Prinzen erzogen, andererseits wird ihnen aber beigebracht, dass sie arbeiten und ihre Familie versorgen müssen. Das ist eine große Bürde, die ihnen auferlegt wird. Gleichzeitig haben sie mehr Rechte als Mädchen. Irgendeine Art von Selbstverwirklichung darf jedenfalls nicht stattfinden. Ich bin gegen festgeschriebene Rollenbilder und finde, dass jeder das Recht hat, sich frei zu entfalten.
Inwiefern lässt diese Beobachtung den Schluss zu, dass Buben zu Versagern erzogen werden? Ich ziehe gern meine eigene Familiengeschichte heran, um dieses Phänomen zu erklären. Mein kleiner Bruder ist ein Paradebeispiel dafür. Er hat immer alles bekommen, was er wollte. Er musste nichts leisten. Wenn er etwas an- gestellt hat, fand meine Mutter immer jemanden, dem sie die Schuld an seinem Benehmen geben konnte. Einmal war es die Lehrerin, die ihn nicht mochte, weil er ein Ausländer ist, einmal waren es seine Mitschüler, die ihn mobbten. Dabei wurde mein Bruder nie gemobbt. Er war auch nie schwach oder kränklich oder hatte einen ausländischen Namen. Bis heute ist es so, dass jemand anderer schuld ist, wenn er sich beispielsweise prügelt – und das hat er schon früh getan. Auf diese Weise hat er gerade einmal so den Hauptschulabschluss geschafft, dabei ist er sehr intelligent. Er wurde nur nie dazu erzogen, Leistung zu erbringen. Ihm wurde lediglich vermittelt, dass er später seine Familie ernähren muss. Dass er das nur mit Leistung schaffen kann, hat ihm niemand gesagt. Die westliche Welt ist eine extreme Leistungsgesellschaft, mit Leistung kann man hier viel erreichen. Wenn man das aber nie gelernt hat, zieht man sich in eine Opferrolle zurück und macht andere für das eigene Versagen verantwortlich – und nicht sich selbst.
Ihre Familiengeschichte klingt nachvollziehbar, und ich kenne auch selbst solche Leute. Nur er- scheint sie mir nicht wirklich repräsentativ. In den meisten muslimischen Familien, die ich kenne, werden Buben zu Kämpfern erzogen. Zu Männern, die etwas leisten und sich nicht hinter Ausreden verstecken sollen. Also das Gegenteil von dem, was Sie sagen. Solche Familien kenne ich auch, aber meiner Wahrnehmung nach sind sie in der Minderheit. Ich behaupte ja nicht, dass alle Mütter ihre Söhne so erziehen wie meine Mutter meinen Bruder. Aber bestimmt mehr als die Hälfte. Oder anders gesagt: Jede Familie hat mindestens ein Mitglied, das eine Geschichte hat wie mein Bruder. Ich bin sehr viel in Schulen unterwegs und habe auch außerhalb meiner eigenen Familie einen guten Einblick in muslimische Familien. Mein Buch ist nur die Speerspitze meiner Beobachtungen. Was die Erziehung der Mädchen angeht: Müssten Mütter, die unter ihrer Religion und dem Patriarchat ihrer Familie leiden, ihre Töchter nicht zu starken Frauen erziehen, die sich diesen Strukturen widersetzen? Das ist nicht so leicht. Die Frauen werden ja von klein auf so erzogen, ihnen werden bestimmte Werte und Moralvorstellungen auferlegt. Damit werden sie erst einmal zu Opfern gemacht. Und um als Opfer die Unterdrückungen zu ertragen und langfristig zu überleben, fügen sie sich irgendwann. Hinzu kommt, dass sie von außen nichts bekommen, wenn sie immer nur in solchen Strukturen leben. So erfahren sie zum Beispiel nicht, dass sie Rechte haben und Frauenhäuser aufsuchen könnten. In den Herkunftsländern dieser Frauen gibt es ja Rechte nur auf dem Papier, keiner klagt sie ein. Dieses Leben setzt sich immer weiter fort – sie heiraten einen Mann aus demselben Kulturkreis, ziehen in die Wohnung seiner Familie und bekommen von der Außenwelt nichts mit. Aus diesen Strukturen auszubrechen ist sehr schwer.
Sie waren lang das Gesicht der Femen-Aktivistinnen in Deutschland. Warum haben Sie ihnen den Rücken gekehrt? Für mich war das zunächst nur eine neue politische Ausdrucksform. Der weibliche Körper als Protestform, die einen Schock bei den Menschen auslöst, hat mich schon immer beeindruckt. Nach und nach gab es aber Probleme. Irgendwann haben sich nur noch junge Frauen aus der gutbürgerlichen Oberschicht gemeldet, und ich musste sie ständig davon abhalten, Unsinn zu machen wie etwa Sachbeschädigungen zu begehen oder sich bei Mördern zu bedanken. Das passte nicht mehr zu meinen Werten und widersprach allem, wofür ich je gekämpft habe und kämpfe.