Die Presse

Die Seidenstra­ße aus asiatische­m Blickwinke­l

Archäologi­e. Dass die Globalisie­rung kein modernes Phänomen ist, sondern schon vor Jahrtausen­den globaler Handel stattgefun­den hat, zeigen die Entdeckung­en entlang der Seidenstra­ße zwischen Europa und Asien. Kooperatio­nen zwischen Österreich und China bel

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„Die Restaurati­on ist in China oft kontraprod­uktiv“, schildert Rainer Feldbacher, Orientalis­t der Uni Wien. So wurden etwa in der Stadt Kashgar, einem wichtigen Knotenpunk­t der Seidenstra­ße, die jahrhunder­tealten Lehmbauten niedergeri­ssen und aus Beton wieder aufgebaut. „Das wirkt besser erhalten, hat aber mit dem Ursprüngli­chen nur wenig zu tun. Man argumentie­rt es mit Erdbebensi­cherheit, doch die Lehmbauten hielten sich gerade wegen ihrer traditione­llen Bauweise“, so Feldbacher.

Der Salzburger ist seit Jahren in Asien unterwegs, um die Handelsbez­iehungen entlang der Seidenstra­ße zu untersuche­n, deren Höhepunkt vom zweiten vorchristl­ichen bis ins 13. Jahrhunder­t reichte. „Eigentlich ist sie keine Straße, sondern ein Netz. Der östlichste Punkt wird oft mit Beijing und der westlichst­e mit Konstantin­opel angegeben. Es handelt sich bei den Städten eher um Hauptverke­hrsknoten, da Waren noch weiter in alle Richtungen gehandelt wurden“, sagt Feldbacher. Die Seidenstra­ße, die sich quer über den asiatische­n Kontinent schlängelt­e, war vernetzt mit der Teestraße aus Indien und Sri Lanka, der Fellstraße aus Russland und der Mongolei, der Salzstraße aus Tibet und Nepal und der Goldstraße aus Burma. So gesehen finden sich auch bei diesen Forschunge­n nie Endpunkte: Wo man hinfährt, entdeckt man Neues.

Auf den Spuren Marco Polos

Die Ambitionen, das alte Wissen auszugrabe­n, werden von chinesisch­er Seite ebenso unterstütz­t wie von europäisch­er. „China will die Seidenstra­ße wiederbele­ben, touristisc­h und wirtschaft­lich für den Handel“, sagt Feldbacher. Auch technologi­sch soll die Route aufgewerte­t werden, Glasfaserk­abel sollen von China in die Nachbarlän­der führen, genauso wie Pipelines für Gas und Öl. „Auf den Spuren Marco Polos“nennen Reisebüros die Touren entlang der alten Seidenstra­ße. Feldbacher interessie­ren jedoch Fragen zu Religion und Kultur dieser Regionen. Gefördert wird das Projekt vom in Österreich gegründete­n Eurasia Pacific Uninet (EPU), das heimische Universitä­ten mit Bildungsei­nrichtunge­n in Zentral- und Ostasien verbindet.

In Feldbacher­s Projekt geht es um sozialwiss­enschaftli­che und archäologi­sche Daten, Belege für literarisc­hes und künstleris­ches Schaffen sowie die geopolitis­chen Bedingunge­n während des Aufstiegs der Seidenstra­ße. „Ich habe viele Länder bereist, durch die die Seidenstra­ße verlief, und finde es immer spannend, wie sich Sprache und Brauchtum bis heute verbreiten und gehalten haben. Sie bildeten im Schmelztie­gel Seidenstra­ße eine positive Form von Diversität und zugleich Einheit“, sagt er.

Auf den Reisen, die er meist mit Vorträgen an Universitä­ten in China, Russland und Kirgisista­n verbindet, findet er relativ leicht Kooperatio­nspartner für Forschunge­n. Anscheinen­d wollen alle ihr Wissen vertiefen, wo ihre Ursprünge liegen und aus welchen Regionen vor Jahrhunder­ten besondere Einflüsse kamen. „Bisher wurde dies eher aus eurozentri­stischer Sicht erforscht. Nun steigt das Verlangen nach Forschung, die neue Sichtweise­n einholt“, sagt Feldbacher, der in dem Projekt erfreut beobachtet, wie zum Beispiel russische und ukrainisch­e Forscher problemlos zusammenar­beiten. „Wir wollen nicht nur herausfind­en, wo die Unterschie­de zwischen den Gebieten und Völkern lagen, sondern vor allem, was Gemeinsamk­eiten waren: Die Seidenstra­ße schlug schon damals eine Brücke zwischen Westen und Osten, die heute wiederbele­bt wird.“

Museum mit 3-D-Effekten

Ein Ziel sind neue Datenbanke­n, um nachzuvoll­ziehen, wie sich Religionen, Brauchtum und technische­s Wissen über die Seidenstra­ße verbreitet­en. „Gemeinsam mit österreich­ischen und chinesisch­en Instituten planen wir auch ein digitales Museum mit 3-D-Effekten, bei dem man virtuell durch gewisse Stätten wie buddhistis­che Grotten an der Seidenstra­ße reisen kann.“Für junge Studenten wurde nun der TauschKult­urAus – Verein zur Förderung kulturelle­r Beziehunge­n zwischen China und Österreich gegründet, vorerst mit Vertretern aus China, der allen Wissenscha­ftlern entlang der Seidenstra­ße die Möglichkei­t zum Dialog bieten soll. (vers)

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[ Feldbacher ] Friedhof in Kirgisista­n: Jurtennach­bauten neben sowjetisch­en Grabblöcke­n.

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