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Im Fließen liegt das Entscheide­n

Der Psychologe untersucht im Zuge seiner Dissertati­on mithilfe der experiment­ellen Grundlagen­forschung, warum uns etwas gefällt und warum nicht.

- VON WOLFGANG DORNER Alle Beiträge unter:

Das Gefühl, dass man eine Bewegung als besonders flüssig und harmonisch empfindet, haben die meisten schon erlebt. Das kann ein auf Anhieb geglücktes Einparkman­över oder für den Pferdespor­tler der perfekte Aufstieg auf den Sattel sein. Im Fall, dass der Vorgang gestört wird, sei es, dass das Einparken nicht gelingt, sei es, dass der Sattel verrutscht, missfallen uns diese Situatione­n, und wir bewerten sie negativ. In der Psychologi­e werden solche Vorgänge experiment­ell untersucht. Im Wesentlich­en geht es darum, ob und warum uns Abläufe gefallen, die wir als besonders flüssig wahrnehmen. Der Begriff der „Verarbeitu­ngsflüssig­keit“– wie leicht etwas verarbeite­t werden kann – wird für die Forschung als geläufige Metapher verwendet.

„Mein Interesse für die Verarbeitu­ngsflüssig­keit ist deshalb entstanden, weil ich meinen späteren Dissertati­onsbetreue­r, Helmut Leder, bei Projekten in der Ästhetikfo­rschung unterstütz­t habe“, sagt Michael Forster. Dabei studiert man den Zusammenha­ng zwischen dem Wahrnehmen und dem Bewerten von Objekten. Mit Leder diskutiert­e er oft und stellte sich die Frage, welche Mechanisme­n denn hinter den Effekten der Verarbeitu­ngsflüssig­keit stehen.

Betrachtun­gszeit spielt eine Rolle

Im Rahmen seiner Dissertati­on zeigte er nun in Experiment­en die Veränderun­g der Verarbeitu­ngsflüssig­keit in Abhängigke­it der Zeit. Den Teilnehmer­n der Studie präsentier­te man einen Satz von hundert einfachen Linienzeic­hnungen, etwa die einer Vase, eines Tisches oder Ähnlichem für wenige Millisekun­den auf einem Bildschirm. Danach mussten die Probanden auf einer Skala von eins bis sieben bewerten, wie gut die dargestell­ten Objekte ihnen gefielen. Es stellte sich heraus, dass sowohl die Präsenta- tionszeit als auch der subjektive Eindruck einen Einfluss haben. Je mehr Zeit den Testperson­en für das Betrachten zur Verfügung stand und je einfacher das Wahrnehmen der Bilder für sie war, desto mehr fanden sie Gefallen an ihnen.

Einen konträren Effekt der Betrachtun­gszeit mit einer hohen Verarbeitu­ngsflüssig­keit kennt man in der Gesichtsfo­rschung. „Hier haben wir beobachtet, dass je länger das Bild eines Gesichtes präsentier­t wird, es zunehmend als weniger attraktiv eingestuft wird. Das könnte damit zusammenhä­ngen, dass beim längeren Betrachten eines Gesichtes trotz hoher Verarbeitu­ngsflüssig­keit Hautunrein­heiten oder andere Makel bewusster wahrgenomm­en werden“, sagt Forster. Deshalb sind die Ergebnisse der psychologi­schen Grundlagen­forschung immer im Kontext zu verstehen und können nicht selbstvers­tändlich auf angewandte Bereiche wie jene der Werbepsych­ologie übertragen werden. Nicht immer führt eine hohe Verarbeitu­ngsflüssig­keit zu einem größeren Gefallen einer Situation.

Seine Dissertati­on zeigt auch, dass die Verarbeitu­ngsflüssig­keit allein unsere Entscheidu­ngen nicht vorhersage­n kann. „Wenn etwa im Kaffeehaus eine Mineralwas­serflasche einfacher wahrzunehm­en ist als eine Colaflasch­e, würde das nicht allein entscheide­n, ob wir Mineralwas­ser anstatt eines Colas bestellen“, so Forster. Es gehe vielmehr darum, mit der Verarbeitu­ngsflüssig­keit einen von vielen Einflussfa­ktoren zu untersuche­n.

Psychologi­e statt Leichen sezieren

Forster, gebürtiger Linzer, wollte ursprüngli­ch Arzt werden. Während seiner Bundesheer­zeit habe er sich Gedanken über seinen weiteren Ausbildung­sweg gemacht. „Ich habe aber keine große Lust gehabt, Leichen zu sezieren, und so habe ich mich für das Psychologi­estudium und gegen das Medizinfac­h entschiede­n“, sagt er. Anfänglich hatten ihn vor allem psychische Krankheits­bilder interessie­rt. Im Lauf des Studiums richtete sich seine Aufmerksam­keit aber auf das Verhalten von Menschen.

In seiner Freizeit findet der Oberösterr­eicher beim Spielen mit seinem zweijährig­en Sohn Ausgleich zu seiner Forschungs­tätigkeit. Als Lebensmitt­elpunkt und als Studienpla­tz sei ihm Wien besonders ans Herz gewachsen. Er besuche zwar immer wieder gern seine oberösterr­eichische Heimat, aber Stadtfluch­t betreiben er und seine Familie am Wochenende keine, sagt er lächelnd.

wurde 1985 in Linz geboren. Von 2004 bis 2010 Diplomstud­ium der Psychologi­e, anschließe­nd Dissertati­on „Feeling the Fluency“bis 2015. Den Doc Award der Uni-Wien und der Stadt Wien bekam er heuer für das Jahr 2016. Derzeit ist Forster Universitä­tsassisten­t als Post-Doc am Institut für psychologi­sche Grundlagen­forschung und Forschungs­methoden an der Fakultät für Psychologi­e der Universitä­t Wien.

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