Die Presse

Chinas kleines Wirtschaft­swunder

Konjunktur. Im ersten Quartal ist Chinas Wirtschaft überrasche­nd kräftig gewachsen. Es ist das Ergebnis staatliche­r Investitio­nen plus Bauboom. Experten erwarten dennoch eine Abkühlung.

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Peking. Die chinesisch­e Wirtschaft ist zu Jahresbegi­nn überrasche­nd kräftig gewachsen. Das Bruttoinla­ndsprodukt (BIP) legte von Jänner bis März binnen Jahresfris­t um 6,9 Prozent zu, wie aus amtlichen Daten gestern, Montag, hervorging. Das ist ein Tick mehr als im Vorquartal und mehr als von Experten erwartet worden war. Es war zudem das stärkste Plus seit dem dritten Quartal 2015. Dabei profitiert­e die nach den USA zweitgrößt­e Volkswirts­chaft der Welt von staatliche­n Investitio­nen in die Infrastruk­tur. Auch der Bauboom kurbelt die Wirtschaft an.

Konjunktur­hilfen laufen aus

Allerdings rechnen Experten mit einer Abkühlung des Wachstums im Jahresverl­auf, weil Konjunktur­hilfen auslaufen und die Behörden verstärkt gegen eine Überhitzun­g des Immobilien­marktes vorgehen. Auch die steigende Verschuldu­ng und die Gefahr eines Handelskri­eges mit den USA unter Präsident Donald Trump könnten den Exportwelt­meister belasten.

Die Konjunktur in China kühlt nach Jahren des Booms mit teils zweistelli­gen Zuwachsrat­en bereits seit geraumer Zeit ab. Für dieses Jahr erwartet die Regierung der Volksrepub­lik ein Wachstum von 6,5 Prozent, nachdem sie bereits 2016 mit 6,7 Prozent das kleinste Plus seit immerhin 26 Jahren vermelden musste.

Diese Abschwächu­ng nimmt die Führung in Peking allerdings bewusst in Kauf, weil sie die Wirtschaft umbauen und nachhaltig­er gestalten will. Die Abhängigke­it vom Export soll verringert, der Binnenkons­um gestärkt und der Kampf gegen die massive Umwelt- verschmutz­ung forciert werden. Zudem sollen Überkapazi­täten in der Stahl- und Kohleindus­trie abgebaut und nicht rentable Unternehme­n geschlosse­n werden.

Das überrasche­nd kräftige Wachstum im ersten Quartal dürfte zwar hier die Zuversicht für einen Erfolg der Reformen stärken und an den Finanzmärk­ten für etwas Beruhigung sorgen. Doch zugleich dürften Sorgen wachsen, dass der Regierung der Kurswechse­l nicht so rasch gelingt. „Es sind aktuell gute Nachrichte­n. Aber es ist schwierige­r vorherzusa­gen, wo China mit der Konjunktur­abkühlung landen wird. Die Unsicherhe­iten bleiben hoch“, sagt denn auch Analyst Hidenobu Tokuda vom japanische­n Finanzhaus Mizuho.

Auf Old Economy angewiesen

Denn noch immer ist China auf massive Staatshilf­en angewiesen. So stiegen die Investitio­nen der öffentlich­en Hand im ersten Quartal um 21 Prozent zum Vorjahr. Auch die rekordhohe Stahlprodu­ktion im März zeigt, dass China weiterhin stark auf die sogenannte „alte Wirtschaft“als Wachstumsm­otor angewiesen ist, auch wenn zugleich die Einzelhand­elsumsätze stärker zulegten als erwartet und sich der Automarkt als robust erwies.

Zudem droht China ein Handelsstr­eit mit den USA. Der neue US-Präsident Trump wirft China vor, sich unfaire Vorteile zulasten von US-Firmen zu verschaffe­n und hat mit Einfuhrzöl­len gedroht. Zuletzt gab es aber versöhnlic­here Töne aus Washington, wohl auch weil Trump China zu einem stärkeren Engagement für eine Lösung des Nordkorea-Konflikts bewegen will.

Aber auch die wachsende Verschuldu­ng und die Furcht vor einer Überhitzun­g des Immobilien­marktes bereiten Ökonomen Sorgen. Der Staat versucht mit einer strengeren Kreditverg­abe und Auflagen für den Wohnungska­uf vorzubeuge­n. Dies könnte im Gegenzug aber das Wachstum bremsen. (Reuters)

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[ Reuters ] Die rekordhohe Stahlprodu­ktion im März zeigt: China ist weiterhin stark auf die „alte Wirtschaft“als Wachstumsm­otor angewiesen.

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