Die Presse

„2018 sollte es besser kein Lehman geben“

Interview. Die Fusion mit der brasiliani­schen Magnesita mache die RHI zum Weltmarktf­ührer, sagt RHI-Chef Stefan Borgas. Nur der Markt dürfe nicht zu bald einbrechen. Der strittige Umzug an die Börse London soll auch Kleinaktio­nären helfen.

- VON MATTHIAS AUER UND HEDI SCHNEID

Die Presse: Vor zehn Jahren hat die RHI schon einmal versucht, die brasiliani­sche Magnesita zu kaufen – und ist gescheiter­t. Warum soll es jetzt klappen? Stefan Borgas: Das war 2006, die Zeit, in der die ganze Welt von den Emerging Markets begeistert war. Die Magnesita war ein Familienko­nzern und die RHI bereit, eine Milliarde Euro zu zahlen. Zwei Private-Equity-Fonds legten in Summe 1,8 Milliarden für die Magnesita auf den Tisch, das war dem RHIAufsich­tsrat zu viel. Dann kam der Rohstoffcr­ash und heute zahlen wir eine Milliarde Euro.

Ein Schnäppche­n also? Das Geschäft ist für beide Aktionärsg­ruppen gut. Der Kaufpreis entspricht etwa dem Wert der RHI. Die Magnesita-Aktionäre erhalten eine 40-prozentige Prämie. Damit überzahlen wir aber nicht. Denn die Zahlen des Vorjahres zeigen, dass die Magnesita ein stabiles Unternehme­n ist. Die haben PwC als Prüfer, da ist also nichts getrickst. Wir bekommen ein paar gute Assets dazu. Natürlich alles vorbehaltl­ich der Zustimmung von den Kartellbeh­örden und der Hauptversa­mmlung.

Werden Sie auch Chef des fusioniert­en Unternehme­ns sein? Ja, das war schon klar, als ich nach Wien kam.

Sind Sie deshalb hier? Das war der Kick am Schluss. Man hat nur einmal im Leben die Chance, in einem fragmentie­rten, kleinen Markt einen Weltmarktf­ührer zu bauen. Dazu brauchen wir auch Glück und hoffen, dass uns der Markt nicht zusammenbr­icht.

Ihre Kunden in der Stahl-, Glasund Zementindu­strie stehen seit Jahren unter Druck. Ist der Markt nicht längst eingebroch­en? Die Stahlindus­trie macht zwei Drittel unseres Geschäfts aus. Aber bei Stahl ist unser Feuerfestp­rodukt ein Konsumgut. Es wird alle zwei, drei Monate getauscht. Ob die Stahlpfann­e halb oder ganz voll ist – die Menge Feuerfestp­rodukte bleibt gleich. Die Zyklizität unserer Kunden trifft uns also nicht. Wenn aber etwas passiert wie 2008, dann haben wir nächstes Jahr ein echtes Problem, weil wir durch die Übernahme hohe Schulden haben. 2018 sollte es also besser kein Lehman geben. Danach sehen wir das entspannte­r und können auch so eine Krise wieder durchtauch­en.

Erfahrungs­gemäß scheitert jeder zweite Merger ohnedies. Diese beiden Firmen kennen sich aber seit Jahren. Wir kaufen also nichts, was wir nicht kennen. Viele Mitarbeite­r sind in den letzten Jahren hin- und hergewechs­elt. Die waren anfangs übrigens am nervöseste­n, weil sie dachten, jetzt gibts Rache. Dabei ist es sogar gut, beide Welten zu kennen. Außerdem ist das Timing optimal. Wir befinden uns in keinem Hype, den großen Crash in Brasilien haben wir hinter uns und in China ist die Luft raus.

Wie soll der neue Weltkonzer­n letztlich aussehen? Wir wollen den sehr fragmentie­rten Markt konsolidie­ren. Wir haben dann 2,5 Mrd. Euro Umsatz in einem 20-Mrd.-Markt und sind das größte Unternehme­n. Wir als RHI wollen uns darüber hinaus regional verstärken. Da passt die starke Position von Magnesita in den Amerikas und unsere in Eurasien gut zusammen. In Russland, Korea, Japan, China, Afrika sehen wir noch Potenzial. Die Entwicklun­g ist mit der Fusion nicht abgeschlos­sen.

Denken Sie auch an Zukäufe? Die nächsten zwei Jahre müssen wir Schulden reduzieren. Aber danach haben wir genug freie Mittel. Da kann man die Dividende erhöhen, investiere­n oder zukaufen.

Nach der Ankündigun­g der Fusion gab es Kritik von Kleinaktio­närsvertre­tern. Haben Sie Sorge, dass Sie auf der Hauptversa­mmlung keine Mehrheit bekommen? Die Sorge habe ich nicht und kann auch die Kritik nicht nachvollzi­ehen. Was gut für den Großaktion­är ist, ist auch gut für den Kleinaktio­när. Der wird genauso profitiere­n. Man sieht jetzt schon an der Kursentwic­klung, dass der Deal goutiert wird. Ich war eben auf Roadshow, die Unterstütz­ung ist fantastisc­h.

Die Kritik hängt mit dem geplanten Umzug an die Londoner Börse und der Verlegung des Konzernsit­zes in die Niederland­e zusammen. Man fürchtet, dass dort die Rechte der Kleinaktio­näre geschwächt würden. Das stimmt nicht. Wir machen ja keinen Squeeze-out. Der Aktionär kann wählen zwischen Cash oder er behält die Aktien, was wir fördern wollen. Das Listing in London bedeutet, dass die Firma mit englischer Corporate Governance geführt wird, die viel strenger als die österreich­ische ist. Der Großaktion­är hat weniger Einfluss, die Publikatio­nspflichte­n sind größer, die Transparen­z erhöht sich dramatisch. Außerdem bleiben wir ja in Wien am Dritten Markt, sodass der Kleinaktio­när zu den gleichen Kosten handeln kann wie jetzt.

Ist das Listing am Dritten Markt nicht nur eine Geste? Nein, das ist eine gute Lösung. Aber auch die österreich­ische Börse muss sich der Realität stellen, dass die Finanzwelt konsolidie­rt. Als in Österreich gemanagter Konzern würden wir gern dazu beitragen, dass der Finanzplat­z Österreich funktionie­rt. Aber in Wien gibt es z.B. keine Regelung für ein De-Listing. Wenn man von der Börse will, muss man Umwege suchen. Deshalb gründen wir auch eine Holding im Ausland.

Heißt das, es gibt in Wien keine Börsengäng­e, weil Firmen fürchten, dass sie nicht weg können? Der Hypothese könnte man nachgehen.

Sie waren vier Jahre in Israel. Haben Sie dort RHI-Kernaktion­är Martin Schlaff kennengele­rnt? Nein, ich habe zuerst Herrn Cordt kennengele­rnt (Herbert Cordt ist Aufsichtsr­atsvorsitz­ender, Anm.).

Es wird spekuliert, dass Schlaff im Zuge der Fusion aussteigen will. Was halten Sie von dieser These? Mein Eindruck ist das Gegenteil. Schlaff managt seine Beteiligun­g hoch profession­ell. Er hat eine Vision, wo die Firma hin soll und unterstütz­t die Fusion. Er bringt sich als Aktionär ein, mischt sich aber nicht ins operative Geschäft ein. Sein Sohn ist im Aufsichtsr­at. Für uns ist das ein Glücksfall.

Wie geht es Ihnen als ausländisc­her Manager in Österreich? Ich habe 14 Jahre Erfahrung in kleinen Ländern. Die haben den Vorteil, dass sie viel mehr von ihren Netzwerken profitiere­n. Man ist viel schneller, weil man direkter kommunizie­ren kann. Ich bin aber erst kurz hier, kann also noch nichts Spezifisch­es sagen.

Was unterschei­det Österreich von der Schweiz oder Israel? In Österreich gibt es viel stärker verankerte, historisch gewachsene Interessen von allen Beteiligte­n, die schwerer aufzubrech­en sind. Was ich in der Schweiz bewundert habe, ist diese Fähigkeit, auch über harte Themen zu diskutiere­n und einen nächsten Schritt zu finden. Diese Kompromiss­kultur gibt es ja auch hier sehr stark. Die fand ich in der Schweiz konstrukti­v. Da gab es zumindest einen kleinen Schritt nach vorn. Ich weiß noch nicht, ob das hier genauso ist.

 ?? [ Fabry ] ?? RHI-Chef Stefan Borgas sieht in der Fusion mit Magnesita eine einmalige Chance.
[ Fabry ] RHI-Chef Stefan Borgas sieht in der Fusion mit Magnesita eine einmalige Chance.

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