Was wir von den Amerikanern lernen sollten
Vier Jahre, vier Monate und drei Wochen: Das ist keine Ewigkeit, aber doch lang genug, um sich von einem fremden Land einen besseren Eindruck zu verschaffen. Was bleibt mir von meiner Zeit als US-Korrespondent der „Presse“in Washington? Wenn man sich überlegt, was einem an einer anderen Kultur besonders gut oder schlecht gefällt, kommt einem oft das Negative schneller in den Sinn. Doch davon hier und heute nichts. Ich möchte zwei feine Wesenszüge hervorheben, welche die Amerikaner auszeichnen. Erstens ist das – Trump-Wutbürgerei hin, Waffennarrentum her – eine sonnigere Disposition den Unerfreulichkeiten des Lebens gegenüber. Ich wette: Stellen wir zwei knallvolle Flugzeuge, die aus welchem Grund auch immer stundenlang nicht starten können, auf einer Rollbahn nebeneinander, und ist eines davon ausschließlich mit Amerikanern, das andere durchwegs mit Europäern gefüllt, so wird an Bord des Europa-Jets die Devise bald Zeter und Mordio lauten, während die Amerikaner versuchen, das Beste aus der misslichen Lage zu machen, die Kinder bei Laune zu halten und einander die Zeit mit Small Talk und Freundlichkeit zu vertreiben.
Was mich zum Zweiten bringt, was wir Österreicher uns von den Amerikanern abschauen sollten: die Kinderfreundlichkeit. In welche Ecke der Vereinigten Staaten es uns mit der kleinen Tochter auch verschlug, stets reagierten die Menschen fast ausnahmslos fröhlich und liebevoll. Übrigens war die Zuneigung dem Kind gegenüber bei Ärmeren, Älteren und Nichtweißen am größten. In Amerika hatte ich als Vater nie das Gefühl, mich schämen zu müssen, wenn die Kleine aus Müdigkeit, Hunger, Langeweile, Überreiztheit oder wegen einer vollen Windel zu schreien beginnt. „Don’t worry, honey, you’ll be fine“, hörte ich dann immer wieder; es war wohl ebenso an meine Tochter wie an mich gerichtet.
Ein bisserl weniger schnell aufpudeln und lieb zu den Kindern sein: Das nehme ich mir gern als Abschiedsgeschenk von den Amerikanern mit.