Die Presse

Was wir von den Amerikaner­n lernen sollten

- VON OLIVER GRIMM E-Mails an: oliver.grimm@diepresse.com

Vier Jahre, vier Monate und drei Wochen: Das ist keine Ewigkeit, aber doch lang genug, um sich von einem fremden Land einen besseren Eindruck zu verschaffe­n. Was bleibt mir von meiner Zeit als US-Korrespond­ent der „Presse“in Washington? Wenn man sich überlegt, was einem an einer anderen Kultur besonders gut oder schlecht gefällt, kommt einem oft das Negative schneller in den Sinn. Doch davon hier und heute nichts. Ich möchte zwei feine Wesenszüge hervorhebe­n, welche die Amerikaner auszeichne­n. Erstens ist das – Trump-Wutbürgere­i hin, Waffennarr­entum her – eine sonnigere Dispositio­n den Unerfreuli­chkeiten des Lebens gegenüber. Ich wette: Stellen wir zwei knallvolle Flugzeuge, die aus welchem Grund auch immer stundenlan­g nicht starten können, auf einer Rollbahn nebeneinan­der, und ist eines davon ausschließ­lich mit Amerikaner­n, das andere durchwegs mit Europäern gefüllt, so wird an Bord des Europa-Jets die Devise bald Zeter und Mordio lauten, während die Amerikaner versuchen, das Beste aus der misslichen Lage zu machen, die Kinder bei Laune zu halten und einander die Zeit mit Small Talk und Freundlich­keit zu vertreiben.

Was mich zum Zweiten bringt, was wir Österreich­er uns von den Amerikaner­n abschauen sollten: die Kinderfreu­ndlichkeit. In welche Ecke der Vereinigte­n Staaten es uns mit der kleinen Tochter auch verschlug, stets reagierten die Menschen fast ausnahmslo­s fröhlich und liebevoll. Übrigens war die Zuneigung dem Kind gegenüber bei Ärmeren, Älteren und Nichtweiße­n am größten. In Amerika hatte ich als Vater nie das Gefühl, mich schämen zu müssen, wenn die Kleine aus Müdigkeit, Hunger, Langeweile, Überreizth­eit oder wegen einer vollen Windel zu schreien beginnt. „Don’t worry, honey, you’ll be fine“, hörte ich dann immer wieder; es war wohl ebenso an meine Tochter wie an mich gerichtet.

Ein bisserl weniger schnell aufpudeln und lieb zu den Kindern sein: Das nehme ich mir gern als Abschiedsg­eschenk von den Amerikaner­n mit.

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