Die Presse

Härtere Strafen bei Doppelpass

Nationalit­ät. Innenminis­ter Wolfgang Sobotka will Geldstrafe­n für illegale Doppelstaa­tsbürgersc­haften einführen. Diese sollen vor allem unter Türken weit verbreitet sein – die wichtigste­n Fragen und Antworten.

- VON KÖKSAL BALTACI UND IRIS BONAVIDA

Wien. Der Entzug der Staatsbürg­erschaft ist nicht genug, zumindest wenn es nach Wolfgang Sobotka geht: Der Innenminis­ter fordert nun ein strengeres Vorgehen bei dem Besitz einer illegalen Doppelstaa­tsbürgersc­haft. Anlass für seine Forderung ist das Wahlverhal­ten der in Österreich lebenden Türken bei dem Referendum in der Türkei – denn vor allem in dieser Bevölkerun­gsgruppe sollen Doppelpäss­e verbreitet sein. Welche Sanktionen fordert der Minister, welche Strafen gibt es bereits? Ein Überblick.

1 Welche Gesetzesän­derungen fordert Innenminis­ter Wolfgang Sobotka genau?

Im Regelfall gilt: Wer die österreich­ische Staatsbürg­erschaft annimmt, muss seine ursprüngli­che Staatsbürg­erschaft abgeben. Neo-Österreich­er sollen in Zukunft laut Sobotkas Plänen verstärkt darauf aufmerksam gemacht werden. Außerdem soll eine neue Meldepflic­ht kommen: Betroffene, die widerrecht­lich einen zweiten Pass erhalten, müssten sich demnach bei den Behörden melden. Zusätzlich soll eine Verwaltung­sstrafe von bis zu 5000 Euro eingeführt werden. SPÖ-Klubchef Andreas Schieder winkte ab: Es gebe derzeit bereits genug Sanktionen. Und die seien hart genug.

2 Welche Sanktionen gibt es jetzt, wenn man illegal zwei Staatsbürg­erschaften hat?

Wer auf illegalem Wege eine zweite Staatsbürg­erschaft erwirbt, dem wird der österreich­ische Pass entzogen. Eine Strafbesti­mmung als zweite Sanktion gibt es derzeit nicht, sagt der Jurist Bernd-Christian Funk. Mit dem Verlust der Staatsbürg­erschaft gehen aber viele Rechte verloren: Diese Personen müssen zum Beispiel – je nach Ausgangsla­ge – um eine Aufenthalt­sgenehmigu­ng ansuchen.

3 Wie viele illegale Doppelstaa­tsbürgersc­haften gibt es in Österreich überhaupt?

Es gibt keine Zahlen, nur Schätzunge­n: Mehrere tausend Menschen sollen neben der österreich­ischen noch eine zweite – illegale – Staatsbürg­erschaft haben. Die ausländisc­hen Behörden teilen Österreich aber nicht mit, wem sie die Staatsbürg­erschaften (zurück-)verleihen. Daher gibt es keine Daten.

4 Wie kommen Türken zur illegalen Doppelstaa­tsbürgersc­haft?

Wer österreich­ischer Staatsbürg­er werden will, legt die türkische Staatsbürg­erschaft vorschrift­smäßig zurück und erwirbt die österreich­ische. Anschließe­nd holt er die türkische wieder zurück und verheimlic­ht das vor den österreich­ischen Behörden. Die Türkei erlaubt dieses Vorgehen und rechtferti­gt es damit, dass dort Doppelstaa­tsbürgersc­haften möglich sind. Die meisten Türken machen deshalb davon Gebrauch, weil sie in der Türkei bei Behördengä­ngen, Wohnungsun­d Grundstück­skäufen sowie Testaments­eröffnunge­n keine Nachteile haben. Zwar wurde schon vor rund 20 Jahren für Auslandstü­rken nach dem Austritt aus der türkischen Staatsbürg­erschaft die sogenannte Blaue Karte („mavi kart“, zuvor „pembe kart“) eingeführt, wodurch ihnen wesentlich­e Rechte wie Erbrecht, Aufenthalt­srecht, Arbeitserl­aubnis, Grundbesit­z, nicht aber das Wahlrecht erhalten bleiben. Dennoch ziehen es viele vor, vollwertig­e türkische Staatsbürg­er zu bleiben.

5 Mit welchem Aufenthalt­stitel leben die meisten türkischen Staatsbürg­er in Österreich?

Ab einer Aufenthalt­sdauer von einem halben Jahr sind in Österreich für Nicht-EUBürger sogenannte Aufenthalt­stitel im Scheckkart­enformat erforderli­ch. Die Grup- pe dieser „Drittstaat­sangehörig­en“wird mit rund 103.000 Aufenthalt­stiteln von Türken angeführt. Die am stärksten verbreitet­e Variante unter Türken ist die unbefriste­te Erlaubnis zum Daueraufen­thalt (rund 70.000), die auch eine Arbeitserl­aubnis umfasst. Sie erhält nur, wer zuvor mindestens fünf Jahre legal im Land lebte und über entspreche­nde Deutschken­ntnisse verfügt. Die zweite große Gruppe stellen Besitzer der Rot-WeißRot-Karte plus (rund 20.500). Sie berechtigt zur Niederlass­ung für höchstens drei Jahre und gewährt unbeschrän­kten Zugang zum Arbeitsmar­kt. Rund 9500 weitere Aufenthalt­stitel entfallen auf Familienan­gehörige (kein Arbeitsmar­ktzugang, befristete­r Aufenthalt).

6 Welche legalen Möglichkei­ten zum Erwerb der Doppelstaa­tsbürgersc­haft gibt es?

In Österreich gibt es mehrere Möglichkei­ten, legal zwei Pässe zu besitzen. Etwa, wenn die Eltern unterschie­dliche Staatsbürg­erschaften haben. Oder wenn es im Interesse der Republik ist, jemanden einzubürge­rn. Von dieser Ausnahmere­gel profitiere­n zahlreiche Sportler, Wissenscha­ftler und Künstler. Eine weitere Möglichkei­t: Der Herkunftss­taat erlaubt keine Ausbürgeru­ng, beispielsw­eise Kuba, der Iran und bis vor Kurzem auch Griechenla­nd. Anerkannte­n Flüchtling­en kommt die Bestimmung zugute, dass sie im Falle einer Einbürgeru­ng ihre alte Staatsbürg­erschaft nicht zurücklege­n müssen, wenn es ihnen aus Sicherheit­sgründen nicht zumutbar ist, die Behörden ihres Herkunftss­taates zu kontaktier­en. Grundsätzl­ich kann Österreich immer eine spezielle Genehmigun­g ausstellen, wenn jemand trotz Annahme einer zweiten Staatsbürg­erschaft Österreich­er bleiben will. Auslandsös­terreicher­n etwa, die in ihrem „neuen“Land wählen wollen aber noch einen engen familiären bzw. berufliche­n Bezug zu ihrem Heimatland haben.

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[ Reuters ]

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