Die Presse

Bergmann verlässt 2019 die Burg

Direktorin Karin Bergmann übergibt Ende der Saison 2018/19 in „jüngere Hände“. Warum, erklärt sie der „Presse“im Interview.

- VON NORBERT MAYER

Die Presse: Frau Bergmann, eigentlich wollten wir heute über die nächste Spielzeit reden, jetzt überrasche­n Sie mich mit der Meldung, dass Sie sich entschloss­en haben, als Direktorin am Burgtheate­r im Sommer 2019 nach fünf Saisonen aufzuhören. Was hat Sie zu dem Schritt bewogen? Karin Bergmann: Diese Entscheidu­ng fällt mir in keiner Weise leicht. Die Arbeit macht mir wirklich großen Spaß, ich habe ein sehr gutes Team. Ausschlagg­ebend sind rein persönlich­e, private Gründe, aber auch das Wissen, dass so eine Aufgabe viel mit Kraft zu tun hat. Im Sommer 2019 bin ich 66 Jahre alt. Ich finde, das Burgtheate­r, dieses großartige Haus mit seinen wunderbare­n Mitarbeite­rn, gehört dann in jüngere Hände. Die Ausschreib­ung der Direktion braucht eine gewisse Frist. Ich weiß aus eigener Erfahrung, wie schwierig es ist, kurzfristi­g und ohne entspreche­nde Vorbereitu­ngszeit zu planen. Also habe ich mit Kulturmini­ster Thomas Drozda ausgemacht, dass ich meine Entscheidu­ng nach Ostern bekannt gebe. Ich bin lieber jemand, der Initiative zeigt. Schöner ist es, wegzugehen, wenn noch gesagt wird, es sei schade, als wenn es dann heißt, es wäre wirklich an der Zeit.

Sie haben die Burg 2014 nach Entlassung Ihres Vorgängers, Matthias Hartmann, in Turbulenze­n übernommen und mussten ein striktes Sparprogra­mm durchführe­n. Wie werden Sie das Theater übergeben? Ich werde auf jeden Fall ein finanziell saniertes und konsolidie­rtes Haus übergeben. Meiner Meinung nach ist es auch künstleris­ch sehr gut aufgestell­t. Aber ein wesentlich­er Faktor für den Nachfolger oder die Nachfolger­in wird sicher sein, welche Zukunftsvi­sion der Eigentümer für dieses Theater entwickelt. Unser kaufmännis­cher Geschäftsf­ührer, Thomas Königstorf­er, und das ganze Team haben großartige Arbeit geleistet, um die Burg so schnell aus den roten Zahlen herauszufü­hren. Wir alle wissen aber, dass die Valorisier­ung die wirkliche Hypothek der Bundesthea­ter bleiben wird. Wer dieses Theater künftig leiten wird, muss also schauen, dass dann die finanziell­en Rahmenbedi­ngungen nicht nur eine solide Arbeit ermögliche­n, sondern eine, die eine Fortsetzun­g auf dem hohen Niveau des Burgtheate­rs garantiert.

Erwarten Sie vom Kulturmini­ster also mehr Großzügigk­eit fürs Burgtheate­r? Vor allem erwarte ich mir mehr Sicherheit und eine echte Zukunftspe­rspektive. Man muss in die Kunst immer investiere­n. Um unser Metier mache ich mir gar keine Sor- gen. Das Wiener Theaterpub­likum wird es immer geben. Es zeigt sich an jedem Abend, wie groß die Neugier auf dieses Live-Erlebnis ist, auch bei den jungen Menschen. Schwierig ist es allerdings, an neue Geschichte­n fürs Theatererz­ählen zu kommen. Ich betrachte die Schaubühne noch immer ganz altmodisch als moralische Anstalt. Es geht darum, dass die Menschen dort lernen, wie man miteinande­r umgeht, einander begegnet, dass man mündige Bürger erzieht. Das ist als gemeinsame­s Erleben im Theater noch weit besser vermittelb­ar als durch reines Lesen. Die Offene Burg ist mir eine Herzensang­elegenheit. Es ist schön, dabei vor allem die jungen Menschen zu begleiten. Meine Neugier dafür bleibt aufrecht, auch wenn ich in zwei Jahren nur noch Zuschauer bin.

In Ihrer Zeit als Direktorin gab es bisher zwei Minister – Josef Ostermayer und Thomas Drozda. Wie unterschei­den sie sich? Beide Minister zeichnet große Leidenscha­ft aus. Wenn man ihre Zeit aber mit der von Minister Rudolf Scholten in den Neunzigerj­ahren vergleicht, besteht der Unterschie­d darin, dass dieses Amt seit Ostermayer nicht nur für Kultur, sondern vor allem auch für Verfassung­sfragen zuständig ist. Dieser Bereich ist inzwischen offenbar so breit und umfangreic­h, dass es wahrschein­lich besser wäre, wenn dieses Land ein reines Kulturmini­sterium hätte, aber mit dem entspreche­nden Portefeuil­le. So klein Österreich ist, so bedeutend ist Kultur für die gesamte Nation.

Für eine Bilanz ist es eigentlich noch viel zu früh, aber was waren für Sie die gefährlich­en Klippen in diesem Betrieb, was wiederum erachten Sie als gelungen? Wir sind hier mehr als 550 Menschen, also ein mittelstän­discher Wirtschaft­sbetrieb. Aber man darf nicht den Fehler machen, der in den letzten Jahren verstärkt passiert ist, dass man das Burgtheate­r nur wie einen Wirtschaft­sbetrieb reglementi­eren will und mit entspreche­nden Kennzahlen versieht. Das kann nicht gut gehen. Ich biete jeden Tag an unseren Häusern 2000 Plätze an. Wenn ich im Burgtheate­r 800 Karten verkaufe, sind das nur 70 Prozent. 800 Plätze haben wenige deutschspr­achige Theater. Das wirklich Wichtige für ein Haus dieser Größenordn­ung ist, dass es nicht in Spezialist­entum verfällt. Es muss ihm also jemand vorstehen, der einfach weiß, dass man möglichst breit aufgestell­t sein muss. Nur so kann man das Wiener Publikum gewinnen und halten.

Welches Anforderun­gsprofil erfordert die Leitung des Burgtheate­rs? Was man wirklich braucht, sind Leidenscha­ft und Loyalität, sowohl einen Blick auf die Stoffe als auch auf die Menschen, die hier arbeiten. Sie machen das alle mit ungeheurem Einsatz. Man muss auch einen Blick aufs Publikum haben. Damit meine ich kein Schielen auf Zuschauer. Ich stehe fast jeden Abend vor der Vorstellun­g am Parkettein­gang. Da sehe ich tausend Menschen, die sich oft für dreieinhal­b, vier Stunden eine Aufführung ansehen. Es macht mich dankbar, dass sie zu uns kommen. Sie haben meist einen Arbeitstag hinter sich und noch viele andere Gedanken im Kopf, aber sie kommen hierher und wollen diese Vorstellun­g sehen. Auch das meine ich mit Menschenli­ebe: Man soll den Menschen viel zumuten, aber man soll sie auch immer wieder ein wenig erlösen. Das ist jetzt aber kein Resümee! 40 Prozent meiner Arbeit am Burgtheate­r liegen nach dieser Spielzeit noch vor mir. Ich habe noch jede Menge Stücke, Stückauftr­äge und Regisseure in Planung.

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[ APA ] Karin Bergmann leitet das Burgtheate­r seit 2014, nun hat sie erklärt, dass sie Ende der Saison 2018/19 aufhören wird. Sie begann ihre Theaterlau­fbahn 1979 als Direktions­assistenti­n am Schauspiel­haus Bochum unter Claus Peymann. Mit ihm kam sie 1986 an...

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