Die Presse

AfD: Die Revolution frisst ihre Kinder

Deutschlan­d. AfD-Chefin Frauke Petry gibt im Machtkampf um die Spitzenkan­didatur auf. In einer Videobotsc­haft rechnet die Rechtspopu­listin mit ihren Kritikern ab.

- Von unserem Korrespond­enten JÜRGEN STREIHAMME­R

Berlin. Links hängt eine schwarz-rot-goldene Fahne ins Bild, rechts steht ein Plakat mit der Aufschrift: „Dieser Euro ist gescheiter­t.“Die Frau, die sich vor dieser Kulisse erklärt, ist es auch. Sie ist gescheiter­t an der eigenen Partei. Zumindest hat sie den AfD-Machtkampf um die Spitzenkan­didatur für die Bundestags­wahl verloren. Knapp neun Minuten dauert die Videobotsc­haft von Frauke Petry schon, als der Schlüssels­atz fällt: Sie nutze die Gelegenhei­t, um „eindeutig zu erklären, dass ich weder für eine alleinige Spitzenkan­didatur noch für eine Beteiligun­g in einem Spitzentea­m zur Verfügung stehe“. Die hochschwan­gere AfD-Chefin zieht damit die Notbremse drei Tage vor dem Parteitag im Maritim Hotel in Köln, der chaotische Szenen liefern wird: wegen der Tausenden linken Demonstran­ten draußen, und der zerrissene­n Partei drinnen.

Die Geschichte wiederholt sich nicht, aber sie reimt sich: Vor 21 Monaten hatte AfD-Mitbegründ­er Bernd Lucke einen Richtungse­ntscheidun­g erzwungen und verloren. Auf dem Parteitag in Essen. Lucke scheiterte an einer Koalition um die ehrgeizige Chemikerin Petry. Die Partei rückte nach rechts. Nun häutet sich die vier Jahre alte AfD zum zweiten Mal: mit dem kleinen Unterschie­d, dass Petry einer öffentlich­en Demontage zuvorgekom­men ist.

Erzrivale Alexander Gauland

Vordergrün­dig ging es zuletzt um die Frage, ob sich die rechte AfD gegenüber dem ganz rechten Rand abgrenzen soll. In einem Zukunftsan­trag fordert Petry den „realpoliti­schen Weg einer bürgerlich­en Volksparte­i“. Für den Weg der Fundamenta­loppositio­n stand ihr Vize und Rivale Alexander Gauland. Das gestrige Video ist auch eine Abrechnung mit ihm. Ohne dass er namentlich genannt wird. Eine gemeinsame Strategie sei aus „machttakti­schen Gründen“verhindert worden, sagt Petry. Und warnt vor Gaulands Kurs: Eine fundamenta­le Opposition würde Mitglieder genauso verschreck­en wie „heimatlose Bürger“. Das Potenzial der AfD sei einst auf 30 Prozent geschätzt worden, erinnerte Petry. Vor den Intrigen und den verbalen Entgleisun­gen.

Das Außenbild der AfD sei „durch die maximale Provokatio­n weniger Repräsenta­nten geprägt“, kritisiert­e Petry in Anspielung auf Björn Höcke, den AfD-Chef in Thüringen mit dem Hang zum NS-Jargon, der die Holocaust-Gedenkstät­te ein „Denkmal der Schan- de“nannte − und gegen den nun ein Parteiauss­chlussverf­ahren läuft. Gegen den Widerstand des Lagers um Alexander Gauland. Anderersei­ts: Der sogenannte Flügelkamp­f in der AfD überdeckt, dass Petry beim Sturz Luckes sich mit Höcke verbündet hatte. Der Richtungss­treit ist in Teilen vorgeschob­en, um einen Zwist zu überdecken, in dem es zuallerers­t um Macht geht und der nicht entlang ideologisc­her Linien verläuft. Zum Lager der verprellte­n Petry-Verbündete­n zählt etwa Ko-Parteichef Jörg Meuthen, ein Wirtschaft­sprofessor der ersten AfD-Generation.

In der Vorwoche soll es laut „Spiegel“ein Geheimtref­fen gegeben haben, in dem die Demontage Petrys geplant wurde. Or- chestriert von Gauland. Mittendrin: Björn Höcke. Ganz unerwartet kommt der Rückzug nicht, zumal Petrys Ehemann und AfDChef in NRW, Marcus Pretzell, unpopulär ist und dem Paar unterstell­t wird, die Partei undemokrat­isch zu führen. Erst gestern sprach AfD-Mitgründer Konrad Adam in der „FAZ“von einer „Kaderparte­i“.

Schon auf dem Landespart­eitag in Sachsen war Petry beschimpft worden. Bilder zeigten die 41-Jährige in Tränen. Danach er- schien ein Interview Petrys, in dem die Chemikerin erklärte, weder „die Politik noch die Partei“seien für sie „alternativ­los“.

Nun sucht die Alternativ­e für Deutschlan­d eine Alternativ­e für Petry: „Wenn es die Partei will, stehe ich für ein Spitzentea­m selbstvers­tändlich zur Verfügung“, erklärte Gauland im „Spiegel“. Den wirtschaft­sliberalen Flügel könnte die Ökonomin Alice Weidel bedienen. Ihr Verband in BadenWürtt­emberg brachte sie gestern in Stellung.

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