Die Presse

Opposition bläst zum Sturm gegen Maduro

Venezuela. Der Präsident mobilisier­te alle Kräfte gegen die Demonstran­ten und aktivierte sogar einen Notfallpla­n. Doch das Opposition­sbündnis fühlt sich gestärkt – vom Unmut über die Wirtschaft­skrise und vom Zuspruch aus Südamerika.

- Von unserem Korrespond­enten ANDREAS FINK

Buenos Aires/Caracas. Ehe in den meisten Städten Venezuelas die Gegner der Regierung auf die Straßen zogen, war der Mittwoch von beiden Konfliktpa­rteien zum D-Day erklärt worden. „Es ist der Zeitpunkt des Kampfs“, rief Präsident Nicolas´ Maduro in einer TVAnsprach­e. „Entscheide­nde Stunden für das Schicksal unserer Heimat sind angebroche­n.“Zuvor hatten Opposition­sführer einen nationalen Protesttag verkündet, die „Mutter aller Märsche“.

Das Opposition­sbündnis hatte das Datum für den Großprotes­t mit Bedacht gewählt: Am 19. April 1810 begann mit der Absetzung des spanischen Statthalte­rs Venezuelas Rebellion gegen die spanischen Kolonialhe­rren, die am 5. Juli 1811 in die Unabhängig­keit mündete.

Repression gegen Demos

Die Aufgabe, die sich die Opposition nun stellt, dürfte von vergleichb­arem Ausmaß sein. Denn trotz der jahrelange­n Versorgung­skrise, trotz Rezession und Mega-Inflation und einer überborden­den Kriminalit­ätswelle, die Venezuela zum gefährlich­sten Land des Kontinents hat werden lassen, konnte sich Maduro im Amt halten. Als willfährig­e Richter Ende März das Parlament auflösten, brach sich der zwischenze­itlich erlahmte Furor der Regierungs­gegner neue Bahn.

Bereits fünf Protesttag­e veranstalt­ete die Opposition seit Anfang des Monats in der Metropole Caracas und mehreren Städten des Landes, und sie musste dabei eine stetig zunehmende Repression in Kauf nehmen. Mehrere junge Demonstran­ten wurden erschossen, und mindestens 30 Demonstran­ten wurden festgenomm­en, zusätzlich zu den 144 Regimegegn­ern, die schon vorher inhaftiert und zu teilweise hohen Gefängniss­trafen verurteilt wurden. Zuletzt versuchten Polizei und Nationalga­rde, die Märsche schon zu deren Beginn zu unterbinde­n, indem sie die Demonstran­ten aus Hubschraub­ern mit Tränengas besprühten und Gummigesch­osse abfeuerten, noch ehe sich ein Protestzug in Bewegung setzen konnte.

Weil sich die Opposition auch dadurch nicht von ihren Plänen für den Großaufmar­sch am Mittwoch abbringen ließ, verstieg sich der Staatschef in den Tagen zuvor zu immer drastische­ren Drohungen. Zunächst ordnete er den Einsatz der Streitkräf­te am Mittwoch an. Dann befahl er der Miliz, bewaffnete­n regierungs­treuen Bürgern, Bauern und Arbeitern, am Mittwoch zur Verteidigu­ng der bolivarisc­hen Revolution zur Verfügung zu stehen. Und schließlic­h aktivierte er den „Plan Zamora“, eine nationale Notfallstr­ategie zur Verteidigu­ng des Landes vor dem Zerfall der inneren Ordnung. Gleichzeit­ig denunziert­e Maduro einen angebliche­n Umsturzver­such im Inneren der Streitkräf­te und beschuldig­te den Vorsitzend­en des Parlaments, Julio Borges, einen Staatsstre­ich anzuzettel­n. Die Justiz solle gegen den Opposition­spolitiker vorgehen.

Borges hatte am Dienstag die Regierungs­gegner dezidiert zu friedliche­m Protest aufgerufen und von der Regierung erneut verlangt, freie Wahlen zu ermögliche­n. Die zu Ende des Vorjahres angesetzte­n Gouverneur­swahlen wurden vom regierungs­nahen nationalen Wahlrat auf unbestimmt­e Zeit verschoben. Die Opposition befürchtet, dass sich dieses Vorgehen auch bei den 2018 anstehende­n Präsidents­chaftswahl­en wiederhole­n könnte.

Nach einer endlosen Serie von Rückschläg­en scheint die Opposition nun wieder gestärkt. Medikament­enmangel und Hunger in weiten Teilen der Bevölkerun­g tragen dazu ebenso bei wie der immer erbärmlich­ere Zustand der venezolani­schen Volkswirts­chaft, die zunehmende Repression und die exzessive Kriminalit­ät.

Unterstütz­ung aus Washington

Vor allem spüren Maduros Gegner erhebliche Rückendeck­ung aus dem Ausland. Am Montag forderte eine Gruppe elf lateinamer­ikanischer Länder, angeführt von Brasilien, Mexiko, Argentinie­n und Kolumbien, Venezuelas Regierung solle „das verfassung­smäßige Recht zu friedliche­m Protest garantiere­n“. Auch wenn Venezuelas Außenminis­terin, Delcy Rodr´ıguez, das Papier als Einmischun­g und „primitiv, vulgär und lächerlich“bezeichnet­e, hat sich in der Vorwoche erstmals auch die neue US-Regierung dezidiert zu Venezuela geäußert hat. In einem Kommunique´ kritisiert­e das Außenminis­terium das 15-jährige Politikver­bot gegen Opposition­sführer Capriles und forderte die Bürger zu friedliche­n Demonstrat­ionen auf. Der Slogan der Demonstran­ten lautete denn auch: „Die Angst hat ein Ende.“

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[ Reuters ] Die Demonstran­ten waren auf alles gefasst – und wappneten sich gegen das Großaufgeb­ot von Polizei und Militär.

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