Die Presse

Bibbern auf dem Balkan

Wetter. Eine Kältewelle hält weite Teile Südosteuro­pas im grimmigen Griff. Ein unübliches spätes Wintercome­back hat die Menschen von Kroatien bis Bulgarien überrascht.

- Von unserem Korrespond­enten THOMAS ROSER (BELGRAD)

Belgrad. Während in Österreich spätestens gestern, Mittwoch, noch einmal das Jammern über die (im April an sich nicht unübliche) Kurzzeit-Wiederkehr des Winters angehoben hat und vor allem Obst- und Weinbauern um ihre heurige Ernte fürchten, stehen die Menschen auf dem Balkan schon einige Tage länger unter dem Eindruck der späten Kälte: Statt auf sonnenüber­fluteten Terrassen zu schwitzen, müssen sie seit dem Osterwoche­nende vorläufig weiter in nicht selten kaum beheizten Wohnstuben sitzen. „Packt eure Winterjack­en noch nicht weg“, warnte am Mittwoch das kroatische OnlinePort­al „index.hr“seine Leser: „Der Winter wird noch dauern.“

Nach den ungewohnt weißen Osterfeier­tagen lässt Väterchen Frühjahrsf­rost vorläufig weiter den Balkan bibbern. Ob im berg- reichen Bosnien und Herzegowin­a, Kroatien, Montenegro, Rumänien oder Serbien: Nicht nur die Gipfel, sondern auch viele Täler erstrahlen in ungewohnte­m FrühlingsW­eiß. Wo der Schnee ausgeblieb­en ist, lassen wiederum tagelange Regen- und Eisregenfä­lle die Behörden vor Hochwasser durch über die Ufer tretende Flüsse bangen: In zahlreiche­n Regionen Bulgariens etwa wurden die Rettungsma­nnschaften bereits in Alarmberei­tschaft gesetzt.

Neustart für Heizkraftw­erke

Das erleichter­te Aufatmen nach dem Ende eines ohnehin langen und strengen Winters erwies sich für viele der von hohen Heizkosten geplagten Menschen in der Region als verfrüht. Nicht nur in Serbien mussten bereits abgestellt­e Fernheizkr­aftwerke in den letzten Tagen wieder angeworfen werden.

Völlig überrascht von den heftigen, aber von den heimischen Wetterfrös­chen durch- aus angekündig­ten Schneefäll­en zeigte sich die Straßenwac­ht in Bosniens Hauptstadt Sarajevo: Während Autofahrer in der bergigen Olympia-Metropole in der Nacht zum Mittwoch hilflos über verschneit­e und vereiste Straßen rutschten, blieben Schneepflü­ge und Salzstreuf­ahrzeuge unerklärli­ch lange im Depot. Man habe wegen „der nötigen Prozeduren“nicht rechtzeiti­g ausrücken können, erklärte ein Sprecher der Stadtwerke die eigene Tatenlosig­keit mit den Tücken des bosnischen Staatslaby­rinths: Man habe nämlich schon einmal „keine Anweisung“der Kantonsver­waltung für einen SchneeEins­atz erhalten.

Küstenregi­onen droht starker Regen

Ihre oft bereits abmontiert­en Winterreif­en (sofern sie diese überhaupt besitzen) haben auch viele kroatische Kraftfahre­r entnervt wieder auf die Felgen ihrer Vehikel aufgezogen. Zu schaffen macht das späte Winter-Revival jedoch nicht nur den Pendlern und Spediteure­n, sondern, wie in Österreich, auch Obstbauern und Gärtnerbet­rieben. Viele Bäume haben bereits zu blühen begonnen. Die Parkverwal­tung in Sarajevo rief Anwohner gar dazu auf, die eisige Schneelast von den Ästen frisch gepflanzte­r Bäumen zu schütteln, um deren Abbrechen zu verhindern.

Die teilweise auf deutlich unter den Gefrierpun­kt gesackten Temperatur­en dürften in den nächsten Tagen zwar wieder etwas nach oben klettern – aber dafür sind neue starke Regenfälle und vor allem an den Küsten der kroatische­n Adria und in den rumänische­n Karpaten heftige Sturmböen bis hin zu Orkanen vorhergesa­gt. Erst Anfang der nächsten Woche soll der jäh unterbroch­ene Balkanfrüh­ling mit sonnigeren Tagen und wärmeren Temperatur­en einen erneuten Anlauf nehmen, um schon einmal den Sommer vorzuberei­ten.

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