Bibbern auf dem Balkan
Wetter. Eine Kältewelle hält weite Teile Südosteuropas im grimmigen Griff. Ein unübliches spätes Wintercomeback hat die Menschen von Kroatien bis Bulgarien überrascht.
Belgrad. Während in Österreich spätestens gestern, Mittwoch, noch einmal das Jammern über die (im April an sich nicht unübliche) Kurzzeit-Wiederkehr des Winters angehoben hat und vor allem Obst- und Weinbauern um ihre heurige Ernte fürchten, stehen die Menschen auf dem Balkan schon einige Tage länger unter dem Eindruck der späten Kälte: Statt auf sonnenüberfluteten Terrassen zu schwitzen, müssen sie seit dem Osterwochenende vorläufig weiter in nicht selten kaum beheizten Wohnstuben sitzen. „Packt eure Winterjacken noch nicht weg“, warnte am Mittwoch das kroatische OnlinePortal „index.hr“seine Leser: „Der Winter wird noch dauern.“
Nach den ungewohnt weißen Osterfeiertagen lässt Väterchen Frühjahrsfrost vorläufig weiter den Balkan bibbern. Ob im berg- reichen Bosnien und Herzegowina, Kroatien, Montenegro, Rumänien oder Serbien: Nicht nur die Gipfel, sondern auch viele Täler erstrahlen in ungewohntem FrühlingsWeiß. Wo der Schnee ausgeblieben ist, lassen wiederum tagelange Regen- und Eisregenfälle die Behörden vor Hochwasser durch über die Ufer tretende Flüsse bangen: In zahlreichen Regionen Bulgariens etwa wurden die Rettungsmannschaften bereits in Alarmbereitschaft gesetzt.
Neustart für Heizkraftwerke
Das erleichterte Aufatmen nach dem Ende eines ohnehin langen und strengen Winters erwies sich für viele der von hohen Heizkosten geplagten Menschen in der Region als verfrüht. Nicht nur in Serbien mussten bereits abgestellte Fernheizkraftwerke in den letzten Tagen wieder angeworfen werden.
Völlig überrascht von den heftigen, aber von den heimischen Wetterfröschen durch- aus angekündigten Schneefällen zeigte sich die Straßenwacht in Bosniens Hauptstadt Sarajevo: Während Autofahrer in der bergigen Olympia-Metropole in der Nacht zum Mittwoch hilflos über verschneite und vereiste Straßen rutschten, blieben Schneepflüge und Salzstreufahrzeuge unerklärlich lange im Depot. Man habe wegen „der nötigen Prozeduren“nicht rechtzeitig ausrücken können, erklärte ein Sprecher der Stadtwerke die eigene Tatenlosigkeit mit den Tücken des bosnischen Staatslabyrinths: Man habe nämlich schon einmal „keine Anweisung“der Kantonsverwaltung für einen SchneeEinsatz erhalten.
Küstenregionen droht starker Regen
Ihre oft bereits abmontierten Winterreifen (sofern sie diese überhaupt besitzen) haben auch viele kroatische Kraftfahrer entnervt wieder auf die Felgen ihrer Vehikel aufgezogen. Zu schaffen macht das späte Winter-Revival jedoch nicht nur den Pendlern und Spediteuren, sondern, wie in Österreich, auch Obstbauern und Gärtnerbetrieben. Viele Bäume haben bereits zu blühen begonnen. Die Parkverwaltung in Sarajevo rief Anwohner gar dazu auf, die eisige Schneelast von den Ästen frisch gepflanzter Bäumen zu schütteln, um deren Abbrechen zu verhindern.
Die teilweise auf deutlich unter den Gefrierpunkt gesackten Temperaturen dürften in den nächsten Tagen zwar wieder etwas nach oben klettern – aber dafür sind neue starke Regenfälle und vor allem an den Küsten der kroatischen Adria und in den rumänischen Karpaten heftige Sturmböen bis hin zu Orkanen vorhergesagt. Erst Anfang der nächsten Woche soll der jäh unterbrochene Balkanfrühling mit sonnigeren Tagen und wärmeren Temperaturen einen erneuten Anlauf nehmen, um schon einmal den Sommer vorzubereiten.