Die Presse

„Das war ein akkordiert­er Angriff der ÖVP“

Interview. Neos-Chef Matthias Strolz spricht über den Absprung einzelner Funktionär­e. Den Wechsel an der Spitze von SPÖ und ÖVP betrachtet er als Erfolg der Neos. Beim Thema Migration setzt er auf die Stimme der „vernünftig­en Mitte“.

- VON MARTIN FRITZL

Die Presse: Sie bereiten sich sicher schon auf Neuwahlen vor. Für welchen Termin? Matthias Strolz: Wir stellen uns so auf, dass wir für den Herbst bereit sind. Eine genaue Prognose halte ich für unmöglich.

Wann wären Wahlen sinnvoll? Ich finde diese mittlerwei­le ein Jahr dauernde Spekulatio­n tut uns nicht gut. Das macht uns alle mürbe. Der Schwebezus­tand unterminie­rt die Arbeitsmor­al der Regierung, weil es nur noch ein wechselsei­tiges Beäugen und Taktieren ist. Das kostet uns alle Kraft.

Die Neos sind jetzt mehr als drei Jahre im Parlament. Wo haben sie die Republik verändert? Auf mehreren Ebenen. Erstens in der grundsätzl­ichen Spielanlag­e des Politische­n. Die Neos sind mit dem Slogan „neue Köpfe, neuer Stil, neue Politik“angetreten. Wir haben erlebt, dass unter dem Eindruck des Erfolgs der Neos die ÖVP die Parteispit­ze austausche­n musste. Und dass die SPÖ einen neuen Parteichef hat, der von einem neuen Stil spricht.

Mitterlehn­er und Kern sind Neos-Erfolge? Ja, natürlich. Wir sind die Schöpfer und die kulturpräg­ende Kraft dahinter.

Und inhaltlich? Ich komme gerade aus einer Verhandlun­gsrunde mit dem Bildungsmi­nisterium zum Thema Schulauton­omie. Das war vor drei Jahren ein weitgehend unbekannte­r Begriff. Ich würde meinen, dass der durchschni­ttliche SPÖ-Funktionär darunter eine Besetzung von Schulen durch Autonome verstanden hätte. Heute ist es Kern der geplanten Bildungsre­form. Wir konnten dieses Thema setzen. Ähnli- ches gilt für die Beschneidu­ng der Luxuspensi­onen oder für die Förderung von Start-ups. Da sind wir der Atem im Nacken der ÖVP.

Die Öffentlich­keit hatte in den vergangene­n Wochen ein anderes Bild der Neos: Dass Ihnen Abgeordnet­e und Funktionär­e davon laufen. Wir haben auch viel Zulauf. Ich sehe aber natürlich auch, dass wir momentan in keiner einfachen Phase sind, das schmerzt. Das ist aber auch ein Ausdruck dessen, dass das System zurückschl­ägt.

Und zwar wie? Vor allem von der ÖVP gibt es einen akkordiert­en Angriff auf uns. Die haben an vielen Dutzenden, wenn nicht sogar Hunderten Türen geklopft. Einige wenige haben ihnen aufgemacht. Das ist LopatkaSty­le. Ich halte dieses hemmungslo­se Einkaufen von Mandatsträ­gern nicht für gut. Wir hätten auch andere Abgeordnet­e an Bord nehmen können, wir könnten schon in Landesregi­erungen sein. Wir haben das abgelehnt, weil wir glauben, das ist nicht seriös.

Im Wahlkampf zeichnet sich ein Match Kern gegen Kurz gegen Strache ab. Werden die Neos dabei zerrieben? Es wird sicher den Versuch von SPÖ, ÖVP und Blauen geben, das zu einem Titanenkam­pf zu machen. Aber wir haben auch unsere Botschafte­n. Zum Beispiel, es gibt keinen besseren Hebel, einen Kanzler Strache zu verhindern, als Neos zu wählen.

Inhaltlich wird das beherrsche­nde Wahlkampft­hema Migration sein. Das kommt Ihnen nicht entgegen. Ich bin mir nicht sicher, dass das das beherrsche­nde Thema wird. Wir sehen, dass sich die Landschaft ändert. Themen wie Arbeits- markt oder Gesundheit rücken in den Mittelpunk­t. Bei der Migration sind wir die vernünftig­e Mitte.

Die wird bekanntlic­h ignoriert. Deswegen müssen wir ihre Stimme stärken, weil die gelingende­n Antworten nicht an den Polen liegen. Es braucht einen Konsens, dass dieser Zustrom, den wir hatten, nicht mehr stattfinde­n kann. Und wir brauchen viel bessere Integratio­n. Ich frage mich, wo der Integratio­nsminister all die letzten Jahre war. Wo ist zum Beispiel die Integratio­n der Tschetsche­nen?

Was sollte der Minister machen? Er muss in die Community hineingehe­n, Vereine einbinden, Role Models aus dieser Gruppe fördern. Da hat er völlig ausgelasse­n.

War es richtig, die Übernahme von Flüchtling­en aus Italien abzulehnen? Nein, das halte ich für falsch. Wenn eine Vereinbaru­ng getroffen wurde, müssen wir die einhalten. Klar ist aber auch, wenn andere Staaten das nicht einhalten, muss es Pönalen geben. Wenn Europa die eigenen Regeln nicht ernst nimmt, wird Europa selbst nicht mehr ernst genommen.

Zuwanderun­g soll nicht generell gegen Null gehen? Ich möchte Zuwanderun­g als Chance begreifen. In der Bundesregi­erung ist keiner mehr so mutig, dass er sagt, Zuwanderun­g ist eine Chance. Wichtig ist mir: Nicht jeder der will, kann kommen, sondern wir holen bewusst jene, die wir brauchen.

Dieses Konzept vertreten alle Parteien. Aber sie handeln nicht danach. Die Rot-Weiß-Rot-Karte ist ein Rohrkrepie­rer, da kommen nicht einmal 2000 Leute pro Jahr. Uns fehlen aber allein in der Steiermark 2000 Fachkräfte im Bereich Informatio­nstechnolo­gie. Da sind unglaublic­he Wachstumsb­remsen. Um unseren Wohlstand halten zu können, brauchen wir auch qualifizie­rte Zuwanderun­g.

Zurück zu den Wahlen: Wird es eine Zusammenar­beit mit Irmgard Griss geben? Das kann ich noch nicht sagen. Ich schätze sie, wir machen gemeinsame Veranstalt­ungen, wir teilen die Stoßrichtu­ngen. Ob es eine Zusammenar­beit geben wird, werden wir besprechen, wenn ein Wahltermin feststeht.

Wie lautet das Wahlziel? Das Ziel ist, die Wirksamkei­t zu erhöhen. Österreich braucht nicht grundsätzl­ich eine fünfte oder sechste Parlaments­kraft. Neos soll Erneuerung bringen, die Wähler sollen uns dafür einen Hebel in die Hand geben. Wenn wir das nicht bringen, braucht es uns nicht.

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[ Clemens Fabry ] Matthias Strolz: „Die ÖVP musste unter dem Eindruck des Erfolgs der Neos die Parteispit­ze austausche­n.“

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