ÖVP besinnt sich auf ihre Wurzeln
Strategie. Wiens ÖVP konnte mit den Themen Sicherheit und Asyl nicht punkten, wie eine Umfrage ergab. Sie will nun wieder auf Wirtschaft setzen, wo ihr Kompetenz zugeschrieben wird.
Wien. Die geschrumpfte Wiener ÖVP will keine breite Volkspartei mehr sein. Statt auf eine große Themenpalette will man sich nun vor allem auf einen Bereich fokussieren: auf Wirtschaft und Gewerbe.
Diese Kurskorrektur wurde vor Kurzem im Vorstand präsentiert: Ein Grund dafür ist, dass die geschrumpfte Stadtpartei wohl gar nicht mehr die Ressourcen hat, eine breite Themenpalette abzudecken. Bei den Gemeinderatswahlen 2015 erzielten die Schwarzen mit dem damaligen Spitzenkandidaten und heutigen Klubobmann, Manfred Juraczka, ihr historisch schlechtestes Ergebnis von 9,1 Prozent. Die ÖVP hat darum nur mehr sieben Gemeinderatssitze, die Parteienförderung wurde gekürzt. Der damalige BundesÖVP-Generalsekretär, Gernot Blümel, übernahm die Partei, verjüngte sie, erhöhte den Frauenanteil. Inhaltlich setzte er auf jene Themen, die im Bund gut funktionierten: Sicherheit und Asyl.
Andere Themen als Kurz
Was für den jungen Außenminister, Sebastian Kurz, gut funktioniert hatte, war für die Partei in der Hauptstadt offenbar nicht die richtige Strategie. Das zeigt die aktuelle jährliche Umfrage, die die ÖVP zur internen Zielüberprüfung durchführen ließ. Die Quintessenz daraus wurde nun dem Vorstand präsentiert. Und die ist wohl ein weiterer Grund, warum Blümel künftig bei aktiver Themensetzung eine andere Richtung einschlagen will. 800 per Telefon befragte Personen gaben unter anderem an, wen sie gewählt haben und welchen Parteien sie in welchen Themenbereichen Kompetenzen zusprechen. Das überraschende Ergebnis: Im Bereich Asyl und Sicherheit konnte die ÖVP in Wien kaum punkten. Die größte Kompetenz wird hier nach wie vor der FPÖ zugeschrieben. Auch bei Themen wie Wohnen, Verkehr oder Umwelt schnitten andere Parteien deutlich besser ab.
Einzig im Themenbereich Wirtschaft und Gewerbe ist die ÖVP nach wie vor führend. So glauben 87 Prozent der ÖVP-Wähler, dass ihre Partei hier am kompetentesten ist – aber auch 43 Prozent der FPÖ-Wähler, 28 Prozent der Nichtwähler, 32 Prozent der Neos-affinen und 25 Prozent der SPÖ-Stammklientel sprechen der ÖVP hier große Kompetenz zu.
Vor allem bei den FPÖ- und Neos-Wählern sieht die ÖVP darum Wählerpotenzial – denn beide Gruppen haben außerdem dazu angegeben, dass die ÖVP ihre zweite Wahl wäre.
Wienweit gesehen hat das Thema Arbeit für die Bürger die zweithöchste Relevanz – was eng an das Thema Wirtschaft gekoppelt ist. „Thematisch setzen wir darum auf alles, das der Wirtschaft dabei hilft, Arbeitsplätze zu schaffen. Denn Wirtschaft, Wachstum und Arbeitsplätze sind die entscheidenden Themen für Wien“, sagt Blümel zur „Presse“. „Um diese Themen kümmert sich sonst niemand.“
Sonntagsöffnung als Ziel
Die Neos hätten ihre Glaubwürdigkeit im Bereich Wirtschaft und Arbeitsplätze schon längst verspielt, sagt er. Als Beispiele dafür nennt er etwa deren Nein zur dritten Piste am Flughafen oder deren Ablehnung der geforderten Demozonen. Für Letztere will sich Blümel ebenso einsetzen wie für die Sonntagsöffnung. Demonstrationen finden oft an denselben Plätzen statt – wie etwa am Ring oder auf der Mariahilfer Straße. Geschäftsleute klagen darüber und sprechen von Umsatzeinbußen.
Die Unzufriedenheit in Wien ist nicht nur in diesen Grätzeln groß: Laut Umfrage sind wienweit nur 41 Prozent eher oder sehr mit der rot-grünen Regierungsarbeit zufrieden – 58 Prozent eher oder sehr unzufrieden. Bei der Befragung im Dezember 2015 war es halbe-halbe. Noch unbeliebter ist allerdings die Bundesregierung: Hier gaben 72 Prozent an, wenig oder nicht zufrieden zu sein – 2015 waren es noch 65 Prozent.