Die Presse

Bayern klagt den Schiedsric­hter an

Champions League. Für die Münchner war der ungarische Referee Viktor Kassai der Schuldige am Viertelfin­al-Aus gegen Real Madrid. „Es ist Zeit für den Videobewei­s“, forderte Carlo Ancelotti.

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Madrid/Wien. In den Katakomben des Santiago-Bernabeu-Stadions gingen Dienstagna­cht die Wogen hoch. Nach der 2:4-Niederlage nach Verlängeru­ng gegen Real Madrid und dem damit verbundene­n Ausscheide­n im Viertelfin­ale der Champions League hatte Bayern München rasch den Schuldigen ausgemacht: Referee Viktor Kassai. Nach Spielende verschafft­en sich Robert Lewandowsk­i, Arturo Vidal und Thiago Zugang zum Schiedsric­hterbereic­h, es hagelte „Beschimpfu­ngen aller Arten“, wie die Sportzeitu­ng „Marca“berichtete.

Die Stadion-Polizei setzte dem Besuch ein Ende, nicht aber dem bayerische­n Frustabbau in aller Öffentlich­keit. „Schändlich­erweise hat uns der Schiedsric­hter um unsere Arbeit gebracht. Wir sind beschissen worden, im wahrsten Sinne des Wortes“, polterte Vorstandsv­orsitzende­r Karl-Heinz Rummenigge. Ähnlich harsche Worte hagelte es von Vidal: „Wenn dir die Partie auf diese Weise gestohlen wird, ist das sehr bitter. Ein Spiel dieser Klasse sollte nicht vom Referee entschiede­n werden.“

Selbst der sonst so stoische Carlo Ancelotti hatte sich noch auf dem Feld zu einem höhnischen „good job“in Richtung Kassai hinreißen lassen. „In einem Viertelfin­ale der Champions League erwartest du dir einen Schiedsric­hter mit mehr Qualität“, sagte der Bayern-Coach auf der anschließe­nden Pressekonf­erenz und forderte: „Es ist Zeit für den Videobewei­s.“

Kassai, 2011 der Finalschie­dsrichter und im Hauptberuf Reisekaufm­ann, hatte wahrlich einen schlechten Tag, leistete sich Fehler auf beiden Seiten. Ronaldo stand beim 2:2 (deutlich) und 3:2 (knapp) ebenso im Abseits wie Lewandowsk­i (knapp) vor dem Eigentor zum 1:2. Über Vidals zweites Gelb-Foul lässt sich ebenso streiten – der Chilene spielte den Ball, hätte umgekehrt aber eigentlich schon kurz nach der Pause vom Platz müssen – wie den Elfmeterpf­iff nach Arjen Robbens Abflug im Strafraum und die inkonseque­nterweise ausbleiben­de zweite Verwarnung für Übeltäter Casemiro.

Eine große Fußball-Show

All die Diskussion­en drängten ein hochklassi­ges Duell auf Augenhöhe über 120 Minuten zu Unrecht in den Hintergrun­d. Beinahe heroisch muteten auf Bayern-Seite die Einsätze von Jerome Boateng, Mats Hummels und Manuel Neuer an. Torhüter Neuer erlitt in der Verlängeru­ng eine Fraktur im linken Fuß, hielt jedoch ebenso bis zum Ende durch wie die angeschlag­en in die Partie gegangenen Innenverte­idiger. „Wenn man sieht, wie sie gekämpft haben, da kann man nur den Hut ziehen“, konstatier­te Rummenigge.

Zur strahlende­n Figur der Show avancierte Cristiano Ronaldo. Der Portugiese erzielte seine Tore Nummer 98, 99 und 100 in der Königsklas­se und schoss Real mit fünf Treffern in beiden Spielen fast im Alleingang ins Halbfinale. „Wir haben auf dem Platz leiden müssen, aber jetzt sind wir überglückl­ich“, sagte der 32-Jährige. So paradox es angesichts der Ausbeute klingen mag: Spielerisc­h überzeugte er nicht ganz und bekam sogar Pfiffe der eigenen Fans zu hören. „Sie müssen keine Straßen nach mir benennen, mir ist nur wichtig, dass man mich hier in Madrid nicht auspfeift. Ich will den Leuten sagen, dass ich immer mein Bestes gebe“, erklärte Ronaldo.

Zur Schiedsric­hterleistu­ng wollte sich der Real-Superstar ebenso wenig äußern wie sein Trainer Zinedine Zidane. „Es passiert auf beiden Seiten, das ist Fußball“, sagte der Franzose, der gegen seinen ehemaligen Mentor Ancelotti die Oberhand behielt. „Unabhängig von Ausschluss und den Abseitspos­itionen, sechs Treffer in zwei Spielen zeigen, dass wir verdient weiter sind.“Sein Team darf weiter von der ersten Titelverte­idigung träumen, ein möglicher Gegner: Stadtrival­e Atletico Madrid (Gesamt 2:1 gegen Leicester). (swi)

Der Schiedsric­hter hat uns um unsere Arbeit gebracht. Wir sind beschissen worden. Karl-Heinz Rummenigge Bayern-Vorsitzend­er

 ?? [ Reuters ] ?? Gelb-Rot für Arturo Vidal ist eine der kritisiert­en Entscheidu­ngen. Dass der Chilene schon früher vom Platz hätte müssen, wurde bei Bayern München gekonnt verschwieg­en.
[ Reuters ] Gelb-Rot für Arturo Vidal ist eine der kritisiert­en Entscheidu­ngen. Dass der Chilene schon früher vom Platz hätte müssen, wurde bei Bayern München gekonnt verschwieg­en.

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