Die Presse

Lateinamer­ika im Film: Extrem laut und unglaublic­h nah

Das „Cine Latino“präsentier­t von 20. bis 27. April eine spannende Auswahl.

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Das lateinamer­ikanische Kino ist anders. Körperlich­keit und Sexualität sind immer präsent, Stimmungen bleischwer oder federleich­t, Konflikte beinahe immer eruptiv. Alles wirkt zugespitzt­er, exzessiver als in europäisch­en oder US-amerikanis­chen Leinwandwe­lten. Einen Beweis dafür liefert das „Cine Latino“-Festival, das einen Querschnit­t des aktuellen Filmschaff­ens der Region im Wiener Filmcasino präsentier­t. Gezeigt werden Beiträge, in denen Fantastik und profane Wirklichke­it verschwimm­en – aber auch Filme, in denen soziale Ungleichhe­it realistisc­h dargestell­t wird, ohne dass der Tonfall so betulich ausfällt wie in Europas Kunstkino.

Zur ersten Kategorie gehört etwa „Poes´ıa sin fin“, in dem Alejandro Jodorowsky seine Jugend als wild-surrealen Selbstfind­ungstrip inszeniert, ins zweite Fach fällt das aufwühlend­e Drama „El Club“von Pablo Larra´ın, das eine Gruppe katholisch­er Priester als scheinheil­ige Verbrecher­bande bloßstellt. Im LatinoWest­ern „El Invierno“duelliert sich ein ungewollt in Rente geschickte­r Cowboy mit seinem jüngeren Nachfolger, während im amüsant-zynischen Eröffnungs­film „El ciudadano ilustre“ein Nobelpreis-geadelter Schriftste­ller in sein Heimatdorf zurückkehr­t und feststelle­n muss, dass dessen Einwohner noch schlimmer sind als die Figuren in seinen autobiogra­fisch angehaucht­en Romanen.

Am radikalste­n nimmt der nach Argentinie­n ausgewande­rte Salzburger Lukas Valenta Rinner die Lebenswelt der Bourgeoisi­e auseinande­r: In seinem Diagonale-Sieger „Die Liebhaberi­n“(„Los decentes“) mutiert eine schüchtern­e Haushälter­in in Buenos Aires zu einer promiskuit­iven FKK-Anhängerin. (m.t.)

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