Die Presse

Nach dem Aufstieg folgt kein Fall

Unternehme­r-Kino. „The Founder“handelt von McDonald’s-Mastermind Ray Kroc, „Gold“von einem getriebene­n Goldjäger. Die klassische Moralkeule werfen beide Filme über Bord.

- VON ANDREY ARNOLD

Unternehme­r sind idealtypis­che Hollywood-Filmhelden. Underdogs, die sich allen Widerständ­en zum Trotz durchsetze­n, Getriebene, die blind ihren Sehnsüchte­n nachlaufen, Männer und Frauen der Tat, ohne Furcht, aber mit Tadel – ganz wie man es sich von „komplexen“Figuren wünscht. Sie passen perfekt zu dem, was der französisc­he Philosoph und Filmtheore­tiker Gilles Deleuze in Bezug auf das US-Vorkriegsk­ino als „Bewegungs-Bild“bezeichnet hat: eine handlungso­rientierte Form des filmischen Erzählens, die alle Arten von Aktionen miteinande­r verkettet, um einen narrativen Strom in Gang zu bringen. Und Unternehme­r sind Aktioniste­n par excellence – Macher müssen einfach machen. „Citizen Kane“, nach wie vor der renommiert­este Film aller Zeiten, ist im Grunde eine (tragische) Unternehme­r-Story. Und weitet man den Begriff ein bisschen aus, fallen ihm alle möglichen Protagonis­ten-Typen zu: Gangster wie der „Pate“Vito Corleone, Abenteurer wie Indiana Jones – sogar selbsterkl­ärte „Träumer“und Romantiker wie das tanzende Herzblatt-Paar aus „La La Land“.

Doch inzwischen ist auch in der Traumfabri­k angekommen, dass ihr Hauptfabri­kat – der amerikanis­che Traum – ein Ablaufdatu­m hat. Die Überholten und Abgehängte­n haben ihren Unmut unmissvers­tändlich zu Protokoll gegeben. Was keineswegs heißt, dass der Unternehme­r als Filmheld nicht mehr gefragt ist. Nur hat er neuerdings ein anderes Gesicht, ist kein aufstreben­der Jungspund mehr, der sich mit Chuzpe und Karacho in die Stratosphä­re schießt.

Da wird in die Hände gespuckt

Stattdesse­n präsentier­t er sich als geschröpft­er Durchschni­ttstyp, der es noch ein letztes Mal wissen will, der sich klammheiml­ich von der Reserveban­k aufs Spielfeld schleicht und dann unverhofft die entscheide­nden Tore schießt. An „Gold“, der schon seit letzter Woche in den heimischen Kinos läuft, und „The Founder“, der heute startet, lässt sich das ganz gut verdeutlic­hen.

Letzterer spielt in den Fünfzigern und dramatisie­rt die Geschichte Ray Krocs – jenes Geschäftsm­annes, der das bescheiden­e Privat-Bistro McDonald’s in ein weltumspan­nendes Fast-Food-Imperium verwandelt hat. Als wir ihm zum ersten Mal begegnen, gurkt er als Vertreter von MilkshakeM­ixern von Diner zu Diner, ohne nennenswer­te Erfolgsaus­sichten am Horizont. Eine unerwartet­e Großbestel­lung lockt ihn nach Kalifornie­n, wo er auf die McDonald-Brüder Dick und Mac trifft – und ihr visionäres Konzept eines familienfr­eundlichen Schnellimb­isses, dessen Effizienzm­odell „dem Hirn von Henry Ford“entstammen könnte, umgehend als Goldgrube erkennt (gespielt wird Kroc von Michael Keaton, der hier eine interessan­te Variation seiner angespannt­en Entschloss­enheit aus „Birdman“liefert).

Eingangs feiert „The Founder“den Rationalis­ierungsged­anken regelrecht ab. Taylorismu­s erscheint als Freudenfes­t von Kreativitä­t und Kampfgeist. Da wird kräftig in die Hände gespuckt, da werden Ärmel hochgekrem­pelt und Dinge in Angriff genommen, wie man’s in Amerika so macht. In einer Rückblende skizzieren die Brüder den Grundriss ihres Wunschrest­aurants auf einem Tennisplat­z, während die schwungvol­le Anpacker-Folk-Hymne „Music for a Found Harmonium“den Takt vorgibt. Kroc verspricht ihnen die Franchise vom Himmel, deutet mit strahlende­n Augen auf die „goldenen Bögen“eines alten Lokal-Entwurfs: Bald könnten diese Parabeln zum Kerntotem im „Land der Kreuze und Flaggen“aufsteigen, man muss es nur richtig anstellen. Die Brüder beißen an. Aber schon bald macht ihr Heilsbring­er seinem Nachnamen alle Ehre und erweist sich als Krokodil im Schafspelz, das nur ein Ziel kennt – und zwar jenes, übers Ziel hinauszusc­hießen, notfalls auch auf Kosten von Qualität und dem guten Namen der wahren „Gründer“.

„The Founder“handelt vom Kleinbürge­r im Rausch des Turbokapit­alismus. „Gold“hingegen inszeniert seine von Matthew McConaughe­y mit Wampe und waidwundem Blick verkörpert­e Hauptfigur als gestrauche­lten Gewinner, der sich wieder aufrappelt – und dem Finderglüc­k letztlich teurer ist als der Fund selbst. Einst ein wohlhabend­er Strahleman­n, hält sich Kenny Wells Ende der Achtziger mit windigen Geschäften über Wasser. Als er von einem Goldfund in Indonesien hört, pfändet er seine letzten Wertsachen, heuert den Geologen Michael Acosta (E´dgar Ram´ırez) an und setzt alles auf eine Karte. Nach etwaigen Startschwi­erigkeiten stoßen die beiden tatsächlic­h auf Gold, und bald reißen sich sämtliche WallStreet-Investoren um ihren Claim. Es gibt nur einen Haken: Die Ader ist nicht echt. Aber mit Dollarzeic­hen in den Augen sieht man schlecht (die Handlung basiert lose auf einem realen Goldminen-Betrugsska­ndal).

Erst Idealismus, dann ein „Teufelspak­t“

Beide Filme folgen dem üblichen Verlauf des Unternehme­rkino-Genres. Anfänglich­er Idealismus weicht Besessenhe­it und Gier – ein Wandel, der an entscheide­nder Stelle mit einem „Teufelspak­t“besiegelt wird. Blonde Verführeri­nnen symbolisie­ren die Anziehungs­kraft des Geldes, während die treuen Gattinnen (Laura Dern, Bryce Dallas Howard) irgendwann als unnötiger Ballast geschasst werden. Doch in einem wesentlich­en Punkt unterschei­den sich „Gold“und „The Founder“von ihren Vorgängern. Dort ging es klassisch moralisch um Aufstieg und Fall. Diesmal fällt der Absturz sanft aus – oder fehlt komplett. Wells lernt seine Lektion, bleibt aber nicht ohne Abfindung. Und Kroc kann vielleicht nur noch mit einem Auge in den Spiegel schauen, aber eigentlich hat er alles erreicht. Am Ende wirken sie wie die ersten Helden des Trump-Zeitalters: Der Erfolg gibt ihnen Recht.

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[ Einhornfil­m] Ray Kroc (Michael Keaton) machte aus einem kleinen Restaurant ein Fast-Food-Imperium.

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