Die Presse

Austrotürk­en, Erdo˘gan und lernresist­ente Grüne

Der Ausgang des TürkeiRefe­rendums stürzt die Grünen ins Dilemma.

- VON KURT BAUER Kurt Bauer ist Historiker und Buchautor. Im Herbst 2017 erscheint „Die dunklen Jahre. Österreich 1938 – 1945“im S. Fischer Verlag, Frankfurt a. M.

Vor einigen Jahren forderte der grüne Bundesrat Efgani Dönmez One-Way-Tickets für die Anhänger Recep Tayyip Erdogans˘ in Österreich. Er wurde dafür von seinen eigenen Parteifreu­nden geprügelt. Wie es scheint, hatte er freilich recht.

Für die Grünen stellt das Referendum vom Sonntag mit 73 Prozent Ja-Stimmen jener hier lebenden Türken, die zur Wahl gegangen sind, ein echtes Problem dar. Seit Jahren treten sie dafür ein, Menschen mit ausländisc­her Staatsange­hörigkeit, die eine gewisse Zeit in Österreich leben, das Wahlrecht zu geben. Originalzi­tat aus dem Jahr 2015: „Wer in einem Land lebt und von einem Gesetz betroffen ist, der soll auch an seiner Entstehung teilhaben.“

Das Kalkül ist klar: Ein beträchtli­cher Teil der Wählerscha­ft ohne eine österreich­ische Staatsbürg­erschaft würde den Grünen zufallen.

Und nun der Schock: Die Austrotürk­en, die gern lautstark und nicht ungern unter Missachtun­g der österreich­ischen Gesetze demonstrie­ren, wählen zu drei Viertel einen orientalis­chen Despoten, der Demonstrat­ionsfreihe­it, Meinungsfr­eiheit, Rechtsstaa­tlichkeit, Menschenre­chte, Demokratie et al. mit Füßen tritt!

Integratio­n ist gescheiter­t

Das heißt, diese Leute genießen die Freiheiten und weitere Vorteile des demokratis­ch verfassten Sozialstaa­tes in ihrem Gaststaat Österreich – wie auch in anderen EUStaaten wie etwa Deutschlan­d –, stimmen aber für den Weg in die Diktatur in ihrem Herkunftsl­and.

Was folgt daraus? Mit denen ist kein Staat zu machen, zumindest kein demokratis­cher. Das, was sich „Integratio­n“nennt, ist mit einem Knall gescheiter­t. Man könnte, das Statement des früheren grünen Bundesrats variierend, sagen: „38.000 One-Way-Tickets, und keiner würde denen nachweinen . . .“

Efgani Dönmez, der den Ausspruch 2013 tätigte, war der Pro- phet, der in der eigenen Partei nichts galt. Die Grünen wählten ihn als Bundesrat ab. Und jetzt das! Diejenigen, die man in Österreich als Verbündete gegen Strache und Co. rekrutiere­n will, wählen in der Türkei einen Strache zur Potenz.

Sagenhafte­s Herumgeeie­re

Das Herumgeeie­re der grünen Verantwort­ungsträger ist sagenhaft. Man lese nur die FacebookEi­nträge und dazugehöri­gen Kommentare bei Harald Walser oder Michel Reimon nach. Letzterer spekuliert darüber, dass die hohe Zustimmung­srate für Erdogan˘ damit zu tun haben könnte, dass in Österreich keine Doppelstaa­tsbürgersc­haft erlaubt sei (was dem Vernehmen nach übrigens Abertausen­de Austrotürk­en nicht daran hindert, beide Pässe zu besitzen).

Reimon verweist auf Schweden, wo Doppelstaa­tsbürgersc­haften erlaubt seien. Dort hätten nur 37 Prozent „Evet“gestimmt. Reimon vergisst allerdings Deutschlan­d mit seinen mehr als drei Millionen Türken, die zu fast zwei Dritteln Erdogans˘ Weg in die Diktatur befürworte­n; und in Deutschlan­d sind „Doppelpäss­e“ebenso wie in Schweden zugelassen.

Besteht eine Aussicht, dass die Grünen dazulernen? Immerhin schreibt Peter Pilz – so zurückhalt­end wie möglich, um im Unterschie­d zu Dönmez sein Mandat weiter behalten zu können – auf Facebook: „Ein überwiegen­der Teil der Türken hat sich (. . .) in Österreich gegen Demokratie und Rechtsstaa­t entschiede­n. Die Integratio­n dieser Menschen ist wohl gescheiter­t.“

Aber Pilz pflegt halt schon seit 30 Jahren „einen sehr eigenen Stil“, wie Parteichef­in Glawischni­g meint. Einen Stil, der nicht der Ihre sei. Eben, und genau darum wird sich der grüne Lerneffekt in engen Grenzen halten.

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