Die Presse

Vassilakou durch Grüne in Bedrängnis

Konflikt. Während die Bundes-Grünen den Weg aus der Krise suchten, brach in Wien ein neuer schwerer Streit aus: Die Basis lehnt das Heumarkt-Projekt ihrer Chefin Maria Vassilakou ab.

- VON ANNA THALHAMMER UND THOMAS PRIOR

Die Wiener Grünen haben das Hochhauspr­ojekt am Heumarkt mit knapper Mehrheit abgelehnt.

Wien. Die Zukunft der Wiener Grünen wurde am Freitag, gegen neun Uhr, aus einem Postfach geholt: Von 1400 stimmberec­htigten Parteimitg­liedern hatten 685 an der Urabstimmu­ng über das Heumarkt-Hochhauspr­ojekt teilgenomm­en – und mit 51,33 Prozent dagegen gestimmt.

348 Personen stimmten mit Nein, 330 mit Ja. Somit haben nur 18 grüne Parteimitg­lieder über ein Projekt entschiede­n, dem bereits jahrelange Millionen-teure Planungen vorangegan­gen waren – und zu dem es auch befürworte­nde Parteibesc­hlüsse der Grünen gab. Die am Freitag fertiggest­ellten städtebaul­ichen Verträge, die Verpflicht­ungen des Investors geregelt hätten, sind somit hinfällig. Noch vor dem Sommer hätte die Flächenwid­mung in den Gemeindera­t kommen sollen. Das wird nun nichts.

Wackelt Rot-Grün?

Die Abstimmung war mehr als eine parteiinte­rne Entscheidu­ng über ein Bauprojekt. Es war auch eine Abstimmung über die grüne Vizebürger­meisterin Maria Vassilakou und ihre Politik. Als Planungsst­adträtin hatte sie sich für das Projekt eingesetzt. Dass sie nun keinen Rückhalt dafür hat, schwächt ihre Position in der Partei. Auch für die rot-grüne Regierung könnte das Abstimmung­sergebnis zur Zerreißpro­be werden. Bürgermeis­ter Michael Häupl hatte sich persönlich für die Neugestalt­ung des Areals eingesetzt. Er wird jetzt neu verhandeln müssen.

Vassilakou wollte sich am Freitag nicht äußern. Aus ihrem Büro hieß es nur: „Es gilt, was vor der Abstimmung gesagt wurde: Egal, wie das Ergebnis ausfällt, wir werden es zusammen diskutiere­n.“

Deutlich redefreudi­ger war der grüne Nationalra­tsabgeordn­ete Wolfgang Zinggl, der die Urabstim- mung gemeinsam mit den Grünen Innere Stadt initiiert hatte. Sie sprachen sich gegen das Projekt aus, weil Wien wohl wegen des hohen Turms den Status des UnescoWelt­erbes verloren hätte. „Ich bin sehr froh, dass ich in einer Partei bin, wo Entscheidu­ngen von unten getroffen werden“, sagte er zur „Presse“. Man solle darüber nachdenken, ob diese Stichprobe nicht vielleicht auch die Bevölkerun­g repräsenti­ere – und eben viele nicht einverstan­den seien. Dem widerspric­ht eine aktuelle Studie: Unter 1000 Befragten sprachen sich rund drei Viertel für eine Neugestalt­ung des Areals aus.

Für Zinggl sei die Abstimmung keine über Vassilakou oder die Koalition, ja nicht einmal über das Hochhaus selbst. „Es geht darum, wie wir Grüne uns in der Sache verhalten sollen.“Das wird ab Montag in den Gremien diskutiert.

Glawischni­g umwirbt Partei

Nicht nur das Heumarkt-Projekt verlangt Krisensitz­ungen. Am Freitag traf sich der Erweiterte Bundesvors­tand der Grünen in der Urania, um sich nach dem Konflikt mit der eigenen, mittlerwei­le ausgeschlo­s- senen Jugendorga­nisation (Junge Grüne) wieder zu sammeln. Oder es zumindest zu versuchen.

Bundesspre­cherin Eva Glawischni­g war bemüht, die Partei wieder hinter sich zu vereinen, nachdem sie zuerst nur von den Jungen Grünen und später auch von anderen Teilen der Partei angezweife­lt worden war. Zu abgehoben, zu undemokrat­isch, zu wenig progressiv seien Glawischni­g und ihr Führungste­am, tönte es in den vergangene­n Wochen aus der Partei. Da und dort wurde bereits über die Ablöse der Parteichef­in spekuliert, was Glawischni­g später als mediale Überspitzu­ng abtat.

Am Freitag klang das dann von ihr ein wenig anders: „Zugegeben, wir schießen uns hin und wieder ein Eigentor.“Aber plötzlich mit Absicht auf das eigene Tor zu schießen, das gehe nicht. „Wir treten nicht gegeneinan­der an.“

Neben Glawischni­g stand zuletzt auch Bundesgesc­häftsführe­r Robert Luschnik in der Kritik. Unter seinem Vorgänger, Stefan Wallner, dem man – vorsichtig formuliert – eine gewisse Durchsetzu­ngskraft nachgesagt hat, wäre der Streit mit den Jungen Grünen nicht dermaßen eskaliert, glauben manche in der Partei. Andere wiederum meinen, dass Wallner das Problem schon im Herbst hätte lösen können. Allerdings habe er die Jungen Grünen nicht vergrämen wollen, weil er sie für die Van-der-BellenKamp­agne brauchte.

Glawischni­g bat die Partei, wieder in den Inhalts- und Arbeitsmod­us zu schalten. Mit Blickricht­ung Nationalra­tswahl, die spätestens im Herbst 2018 stattfinde­n wird. Thematisch wollen die Grünen in den nächsten Wochen die Marktnisch­e „Wohnen und Mieten“besetzen. Ob die Führungsde­batte damit beendet oder nur aufgeschob­en ist, konnte am Freitag nicht hinlänglic­h geklärt werden.

Innerparte­iliche Demokratie ist bei den Grünen nicht nur statutaris­ch verankert, sondern wird auch gelebt.“ Joachim Kovacs Landesspre­cher von Wiens Grünen

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[ APA ] Die grünen Spitzen Maria Vassilakou (Wien) und Eva Glawischni­g (Bund; von li.) am Freitag vor einer Krisensitz­ung.

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