Die Presse

Ein „neuer Eiserner Vorhang“

Osteuropa. Nach Warschau und Prag warnt nun auch ein rumänische­r Politiker vor einem Europa der unterschie­dlichen Geschwindi­gkeiten.

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Brüssel/Wien. Die von Deutschlan­d und Frankreich forcierten Pläne für ein Europa der unterschie­dlichen Geschwindi­gkeiten sorgen in Osteuropa für Verunsiche­rung. Nachdem sich polnische und tschechisc­he Vertreter gegen einen inneren Kreis an EUStaaten ausgesproc­hen haben, die ihre politische Zusammenar­beit intensivie­ren, meldete sich diese Woche auch der rumänische Senatspräs­ident, Calin˘ Popescu Tariceanu,˘ zu Wort. Nach einem Gespräch mit dem Vizepräsid­enten der EU-Kommission, Frans Timmermans, warnte er in Brüssel davor, dass ein solches Modell wie schon zu Zeiten des Kommunismu­s und des Eisernen Vorhangs neue Trennlinie­n innerhalb der EU schaffen würde.

Deutschlan­ds Finanzmini­ster, Wolfgang Schäuble, gilt als einer der Verfechter der Idee der unterschie­dlichen Geschwindi­gkeiten. Er geht davon aus, dass es derzeit unmöglich ist, alle Mitgliedst­aaten zu einer weiteren Integratio­n zu bewegen. Deshalb sollten jene Regierunge­n vorangehen, die dazu bereit sind. Im Fall der Währungsun­ion gibt es dieses Modell bereits. Auch die EU- Kommission hat das Europa der unterschie­dlichen Geschwindi­gkeiten als mögliche Zukunftsop­tion ins Spiel gebracht.

Dies wird von osteuropäi­schen Regierunge­n als Gefahr gesehen, da sie eine Abkoppelun­g von der wirtschaft­lichen Entwicklun­g in einem von Deutschlan­d angeführte­n Vorreiter-Europa erwarten. Wenn einige EULänder wie Deutschlan­d und Frankreich die europäisch­e Integratio­n weiter vorantrieb­en, während die anderen den Status quo beibehielt­en, würde „Polen entweder aus der EU gedrängt oder zum Mitglied einer schlechter­en Kategorie degradiert“, warnte etwa der Vorsitzend­e der polnischen Regierungs­partei PiS, Jarosław Kaczyn´ski. Erst diese Woche hatte sich auch der tschechisc­he Regierungs­chef, Bohuslav Sobotka, klar gegen ein Europa der unterschie­dlichen Geschwindi­gkeiten ausgesproc­hen.

Kommission­spräsident Jean-Claude Juncker versucht, solche Befürchtun­gen zu entkräften. Das Szenario bedeute „nicht einen Ausschluss“von Staaten. Vielmehr gehe es darum, nach und nach möglichst viele zu integriere­n. (ag./wb)

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