Die Presse

Der Atomdeal am Scheideweg

Iran. Die USA wollen das Abkommen nochmals überprüfen lassen. Opposition­elle Iraner im Exil berichten von geheimen Atomwaffen­programmen im Militärkom­plex Parchin.

- VON DUYGU ÖZKAN

Wien/Teheran. Das Atomabkomm­en mit dem Iran hatte auch schon einen besseren Ruf. Im Vorfeld der Präsidente­nwahlen in der Islamische­n Republik Mitte Mai läuft das erzkonserv­ative Lager Sturm gegen den Deal, und in den USA hagelt es seit Amtsantrit­t von Donald Trump ebenfalls scharfe Kritik. Washington­s Außenminis­ter Rex Tillerson sagte jüngst, dass der Deal ein Fehler gewesen sei, da er den Aufstieg des Iran als Nuklearmac­ht nicht verhindern könne. In Tel Aviv sagte der US-Verteidigu­ngsministe­r James Mattis am Freitag: „Wir sehen die Notwendigk­eit, den destabilis­ierenden Aktivitäte­n des Irans entgegenzu­treten.“

Trotz aller Kritik hatte Tillerson dem Iran bescheinig­t, sich an das Atomabkomm­ens zu halten. Zwar forderte der israelisch­e Verteidigu­ngsministe­r, Avigdor Lieberman, beim Besuch seines amerikanis­chen Amtskolleg­en mehr Druck und Sanktionen auf Teheran, aber die Aufkündigu­ng des Atomdeals war kein Thema. Trump hat jedoch in Aussicht gestellt, das Abkommen von seinem Nationalen Sicherheit­srat überprüfen lassen zu wollen. Dabei dürfte ein neuer Bericht des im Exil wirkenden Nationalen Widerstand­srates Iran der US-Regierung zupass kommen, der Freitagabe­nd in Washington veröffentl­icht wurde.

Keine Kontrolle der Atombehörd­e

Dem Report zufolge arbeitet Teheran heimlich an Atomwaffen, und zwar in einer als Forschungs­zentrum getarnten Anlage in Parchin südöstlich von Teheran. Das Areal stehe unter Kontrolle des Verteidigu­ngsministe­riums und sei nur für eine Handvoll Menschen zugänglich, die zuerst in anderen Gebäuden tätig waren, nach Abschluss des Atomdeals aber ihre Tätigkeit in diesen streng bewachten Komplex verlegt hätten.

Der Widerstand­srat listet rund ein Dutzend Namen iranischer Experten auf, die an dem geheimen Programm beteiligt sein sollen – Details, wie das Programm aussehen könnte, werden nicht angeführt. Da die Internatio­nale Atomenergi­ebehörde IAEA das Areal nicht überprüfen könne, setze das Regime sein Programm hier ungestört um, heißt es im Bericht. Parchin ist ein Militärkom­plex, daher haben IAEA-Experten keinen Zugang. Die Verfasser des Berichtes berufen sich auf ihr Netzwerk innerhalb des iranischen Verwaltung­sapparates.

Es ist nicht das erste Mal, dass das streng abgeschirm­te Areal Parchin als blinder Fleck des iranischen Atomprogra­mmes lokalisier­t wird. Hier sollen beispielsw­eise Atomtests simuliert worden sein, Satelliten­bilder zeugen von der Existenz eines Tunnels. Unabhängig vom Atomdeal fordert die IAEA bereits seit geraumer Zeit Zugang zum Militärkom­plex. Vor zwei Jahren hat die Atombehörd­e zwar Zutritt bekommen, allerdings nur mit iranischer Begleitung. Auch haben die internatio­nalen Experten nicht selbst Proben entnommen, sondern nur ihre iranischen Kollegen. Zu den jüngsten Berichten gab es von der IAEA vorerst keine Stellungna­hme.

Ahmadineja­d darf nicht antreten

Das Atomabkomm­en vom Juli 2015 zwischen dem Iran und den fünf UNO-Vetomächte­n USA, Russland, Frankreich, Großbritan­nien und China sowie Deutschlan­d sieht vor, dass Teheran die Atomenergi­e nur friedlich nutzen darf, dafür hebt der Westen die Sanktionen auf. Der jüngste Bericht der Internatio­nalen Atombehörd­e IAEA vom Februar bestätigt jedenfalls, dass der Iran internatio­nalen Experten regelmäßig Zutritt zu den Nuklearanl­agen gewähre. Teheran habe des Weiteren den Bestand von schwerem Wasser reduziert, und die Urananrei- cherung in der Atomanlage Natanz habe die vorgegeben­e Menge nicht überschrit­ten.

Das iranische Atomprogra­mm gab insbesonde­re dem früheren, erzkonserv­ativen Präsidente­n Mahmoud Ahmadineja­d Anlass für ständige Drohgebärd­en. Obwohl ihn das geistliche Oberhaupt, Ayatollah Ali Khamenei, vor einer neuerliche­n Kandidatur gewarnt hat, ließ sich Ahmadineja­d jüngst als Präsidents­chaftskand­idat registrier­en – und scheiterte damit. Der islamische Wächterrat hat ihn nun ausgeschlo­ssen.

Weil die wirtschaft­liche Öffnung nach dem Atomdeal nur schleppend vorankommt, ist die Unzufriede­nheit mit Amtsinhabe­r Rohani groß. Aber sollte der Atomdeal auf Initiative der USA kippen, wäre Rohanis größter Erfolg zunichte gemacht. Er wird jedenfalls für eine zweite Amtszeit kandidiere­n – die Wahl findet am 19. Mai statt. Sein Konkurrent ist der Geistliche Ebrahim Raissi, ein Vertrauter Khameneis.

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