Zeugen Jehovas wollen klagen
Russland. Höchstgericht verbot die Glaubensgemeinschaft wegen „Extremismus“. Die Auflösung der Zentrale in St. Petersburg steht bevor.
Moskau/Wien. Nach dem Verbot der Zeugen Jehovas in Russland will die Glaubensgemeinschaft gegen die Gerichtsentscheidung Einspruch erheben. „Wir hoffen, dass unsere vom Gesetz garantierten Rechte und unser Schutz als eine friedliche religiöse Gruppe so bald wie möglich wiederhergestellt werden“, sagte Jaroslaw Siwulskij, ein Sprecher des russischen Ablegers der Zeugen Jehovas. Die Glaubensgemeinschaft hat nun 30 Tage Zeit, um die Klage einzureichen. Sollte das Gericht dem Einspruch nicht stattgeben, will man den Fall vor den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) in Straßburg bringen.
Am Donnerstag hatte das Oberste Gericht Russlands die Zeugen Jehovas als extremistisch verboten und ihr Vermögen eingezogen. Die Glaubensgemeinschaft müsse ihre Russland-Zentrale in St. Petersburg und 395 lokale Organisationen auflösen, befanden die Richter. Die Zeugen Jehovas zeigten „Merkmale extremistischer Tätigkeit“, erklärte eine Vertreterin des Justizministeriums gegenüber der Nachrichtenagentur Interfax. „Sie stellen eine Gefahr für die Rechte der Bürger, die öffentliche Ordnung und die öffentliche Sicherheit dar.“
Russische Behörden haben mehrere Veröffentlichungen der Gruppe als „extremistische“Literatur klassifiziert, darunter auch das Organ „Der Wachturm“. Trotz des Verbots werde die Zeitschrift weiter verteilt, kritisierte die Behörde. Das Verbot für Mitglieder der Zeugen Jehovas, sich Bluttransfusionen zu unterziehen, verstoße gegen die Menschenrechte, hieß es weiters.
Orthodoxe Kirche einflussreich
Die Zeugen Jehovas stammen aus den Vereinigten Staaten. Weltweit haben sie ca. acht Millionen Anhänger. In Russland hat die Gemeinschaft nach eigenen Angaben 175.000 Mitglieder in 2277 lokalen Gruppen. In mehreren Staaten weltweit sind die Zeugen Jehovas verboten. Kritiker werfen der Glaubensgemeinschaft vor, mit autoritären Methoden zu arbeiten. In Russland ist in den vergangenen Jahren der gesellschaftliche Einfluss der orthodoxen Kirche stark gewachsen. Andere christliche Gemeinschaften werden mit Argwohn betrachtet. (APA/dpa/Reuters)