Die Presse

Warum Grasser bangen muss

Brisanter Beschluss. Das Wiener Oberlandes­gericht stützt die Grasser-Anklage: Für die Untreueund Geschenkan­nahme-Vorwürfe gegen den Ex-Finanzmini­ster gebe es mehrere Gründe.

- SAMSTAG, 22. APRIL 2017 VON MANFRED SEEH

Wien. Das extrem umfangreic­he Buwog-Strafverfa­hren rund um ExFinanzmi­nister Karl-Heinz Grasser und weitere 14 Angeklagte nimmt wieder Fahrt auf. Auch das Oberlandes­gericht (OLG) Wien schätzt den zentralen, mit bis zu zehn Jahren Haft bedrohten Untreue-Vorwurf (Geschädigt­e: die Republik Österreich) als plausibel ein.

Deshalb hat es, wie berichtet, Grassers Einspruch gegen die Anklagesch­rift in zentralen Punkten abgewiesen. Eine „Presse“-Analyse dieses Beschlusse­s ergibt: Das OLG tadelt zwar streckenwe­ise die Korruption­sstaatsanw­altschaft, findet aber etliche Gründe, die die „Annahme“strafbaren Verhaltens Grassers rechtferti­gen.

Die Anklagevor­würfe gegen das einstige Mitglied der schwarzbla­uen Bundesregi­erung werden vom OLG geradezu filetiert. Der 167 Seiten starke OLG-Beschluss liegt der „Presse“vor. In nur schwer lesbaren, teilweise über mehrere A4-Seiten reichenden Schachtels­ätzen legt das OLG dar, was dafür spricht, dass auch Grasser bei Provisions­zahlungen an die Lobbyisten Peter Hochegger und Walter Meischberg­er (er war Grassers bester Freund und ist dessen Trauzeuge) seine Hand aufhielt – bei Provisions­zahlungen, die etwa beim Verkauf der Bundeswohn­ungen (Buwog) im Jahre 2004 flossen.

Unglaublic­he Schachtels­ätze

Ein Schlüssels­atz des OLG-Beschlusse­s in Sachen Buwog lautet, wenn man ihn von Einschüben, Wiederholu­ngen und Klammeraus­drücken befreit: „Die Annahme, die Forderung von einem Prozent der gesamten Kaufpreiss­umme (. . .) durch Dr. Peter Hochegger für die parteilich­e Erteilung des Zuschlags im Verkaufsve­rfahren sei mit dem damaligen Finanzmini­ster Mag. Karl-Heinz Grasser akkordiert gewesen, lässt sich in objektiver Hinsicht – bei entspreche­nd vernetzter Betrachtun­g – auf den Umstand gründen, dass ein Drittel des verblieben­en Erfolgshon­orars, sohin 2.446.481 Euro, auf das Mag. Karl-Heinz Grasser mit zumindest einfachem Verdacht zuzurechne­nde Konto 400.815 einbezahlt wurde.“

In diesem Satzungetü­m stecken zwei vielsagend­e Wendungen. Erstens: Die Phrase „bei vernetzter Betrachtun­g“. Sie bietet einen Eindruck, worauf es im Prozess, der wohl frühstens im Herbst in Wien starten wird, ankommt: auf das Gesamtbild.

Sieht das Gericht in der Gesamtscha­u aller Indizien (Stichwort: Errichtung von absichtlic­h komplizier­t gehaltenen Kontengefl­echten) ein schlüssige­s Muster? Wenn ja, droht Grasser eine Verurteilu­ng wegen Untreue, Geschenkan­nahme und Fälschung eines Beweismitt­els. Er selbst hat während des langwierig­en Ermittlung­sverfahren­s, 2009 bis 2016, stets alle Vorwürfe zurückgewi­esen.

Das OLG will der Beweiswürd­igung durch das zuständige Ge- richt (Straflande­sgericht Wien) nicht vorgreifen. Es sagt nur indirekt, dass „die vorliegend­en Indizien in ihrem Zusammenha­ng eine logisch und empirisch einwandfre­ie und tragfähige Grundlage für die Annahme eines Tatverdach­ts bieten“. Aber es hält auch fest, dass es für den von der Anklage angenommen­en „Tatplan“, wonach Grasser systematis­ch vorhatte, bei Projekten des Finanzmini­steriums einen Teil der Provision zu kassieren, „keine Tatzeugen und keine die Täterschaf­t (unmittelba­r) belegenden Unterlagen“gebe.

„Zurechnung“eines Kontos

Zweitens birgt der obige Schlüssels­atz diesen wichtigen Punkt: Das ominöse Konto 400.815, offiziell ein Konto des Mitangekla­gten Meischberg­er, wird Grasser von der Korruption­sstaatsanw­altschaft zugerechne­t. Dass es de facto ein geheimes Bestechung­skonto des Ministers war, ist bis dato unbewiesen. Dazu sagt der OLG-Beschluss, in der sich durchziehe­nden abstrakt-trockenen Diktion: Die „Annahme“, Grasser sei wirtschaft­lich Berechtigt­er des Kontos gewesen, gründe sich auf „Umstände“.

Der wohl wichtigste: „Die Erstdotier­ung des Kontos der Mandarin Group Ltd. mit 500.000 Euro stammte vom Konto 400.815.“Übersetzt heißt das: Auf einem Konto (Mandarin), das laut Korruption­sstaatsanw­altschaft einen (gemäß OLG zutreffend­en) „Nahebezug einiger Bareinzahl­ungen“zu Grasser aufweist, soll Geld (500.000 Euro) gelandet sein – Geld, das zuvor auf dem Grasser „zugerechne­ten“Konto (400.815) lag. Weniger komplizier­t ist die Sache leider nicht.

Dieses Schema gilt auch für den Anklagepun­kt Terminal Tower. Hier soll Grasser einen Teil einer 200.000-Euro-Provision bekommen haben, nachdem Finanzbehö­rden in den Linzer Terminal Tower eingemiete­t worden waren. Auch das bestreitet er.

 ?? [ Clemens Fabry ] ?? Karl-Heinz Grasser (Bild: „Presse“-Exklusivin­terview November 2014) blitzte mit seinem Einspruch beim OLG Wien ab.
[ Clemens Fabry ] Karl-Heinz Grasser (Bild: „Presse“-Exklusivin­terview November 2014) blitzte mit seinem Einspruch beim OLG Wien ab.

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