Ermittlungen: Asylbescheid verkauft?
Korruptionsverdacht. Laut „Presse“-Recherchen könnte ein Beamter der Asylbehörde für positive Verfahren bis zu 2500 Euro verlangt haben. Die Staatsanwaltschaft bestätigt laufende Ermittlungen.
Wien. Die Entscheidung über die Gewährung von Schutz vor Verfolgung ist in Österreich ein individuelles und rechtsstaatliches Verfahren. Nun gibt es Hinweise darauf, dass positive Asyl bescheide und Aufenthaltstitel hierzulande in einigen wenigen Fällen auch käuflich erwerbbar waren.
Natürlich: Legal wäre so ein Vorgehen nicht. Dennoch, das ergaben Recherchen der „Presse“, könnten in einer Außenstelle des Bundesamts für Fremdenwesen und Asyl (BFA) im Fall eines verdächtigen Mitarbeiters die begehrten Dokumente zumindest eine Zeit lang gegen Bares über den Tisch gegangen sein.
Der mögliche Tatort ist – ausgerechnet – das Flüchtlingslager im niederö st er reichischenTraiskirchen. N ebender eigentlichen Großunterkunft für Asylwerber befinden sich auf dem Gelände nämlich noch weitere Dienststellen des Bundes, die unmittelbar mit Flüchtlings angelegenheiten zutun haben. Eines dieser Ämter ist die Regional direktion Niederösterreich des B FA.
Hier werden Asylwerber im Lauf ihrer Verfahren von den Sachbearbeitern der Asylbehörde erster Instanz zu Fluchtgründen und Fluchtrouten befragt. Einer dieser Sachbearbeiter war seit vielen Jahren Amtsdirektor K.
War deshalb, weil der laut Auskunft von Kollegen stets unauffällige und zuverlässige Beamte seit Herbst 2016 suspendiert ist. Der Verdacht: K. soll gegen Beträge von bis zu 2500 Euro positive Asylbescheide und Aufenthaltstitel verkauft haben. Die Zahl der dokumentierten Verdachtsfälle dürfte nach Angaben einer Quelle jedoch vergleichsweise gering sein: Die Rede ist von einer Menge im einstelligen Bereich.
Zwar wollte die vermeintlich verlangten Summen und Fallzahlen niemand bei den Strafverfolgungsbehörden offiziell bestätigen. Aber: „Ja, wir führen Ermittlungen“, sagt Ingrid Maschl-Clausen, Sprecherin der Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA). Die Verdachtsmomente lauten auf Bestechung (durch die Asylwerber) und Bestechlichkeit (des beschuldigten Beamten).
Trotz der offenbar sehr kleinen Zahl möglicher Fälle gilt die Akte innerhalb der involvierten Behörden als im höchsten Ausmaß brisant. Wenn Mitarbeiter von Asylbehörden vor dem Hintergrund der öffentlichen und emotional aufgeheizten Flüchtlingsdebatte begehrte Dokumente verkaufen, beinhaltet das politischen und gesellschaftlichen Sprengstoff.
Verschwiegene Ermittler
Womöglich ist auch das der Grund dafür, warum sowohl die WKStA als auch die mit der operativen Arbeit betrauten Spezialisten des Bundesamts zur Korruptionsbekämpfung und Korruptionsprävention (BAK) den Ball selbst Ministeriums-intern bisher extrem flach gehalten haben. Bis zuletzt waren nämlich die „normalen“Mitarbeiter der betroffenen Asylbehörde der Meinung gewesen, dass der verdächtige Amtsdirektor, der gleichzeitig Computerspezialist sein soll, nur versetzt worden sei. Und zwar nach Wiener Neustadt, wo sich eine weitere Außenstelle des Bundesamts für Asyl und Fremdenwesen befindet.
Weil K. in Wiener Neustadt nie ankam, und – sozusagen auf dem Weg dorthin – suspendiert wurde, gingen zunächst viele Spuren zum Fall verloren.
Aufgeflogen sein dürfte der mutmaßliche Schwarzhandel durch einen Whistleblower. Das spricht einerseits für die internen Kontrollmechanismen, weil die Machenschaften bereits nach einer relativ geringen Fallzahl erkannt wurden.
Andererseits wird jedoch auch offensichtlich, wie viel Macht den Sachbearbeitern im Asylverfahren zukommt. Genau genommen entscheiden sie nahezu allein über Wohl und Wehe der Antragsteller. Angesichts der hohen Fallzahlen können ihre Team- und Dienststellenleiter nämlich keine Detailkontrollen der Entscheidungen vornehmen. Bleiben also nur Stichproben und Auffälligkeiten – etwa bei positiven Bescheiden für Antragsteller aus Regionen, die normalerweise so gut wie nie Asyl bekommen.
Wiederholung der Verfahren
Doch was geschieht nun mit jenen Flüchtlingen, denen vorgeworfen wird, Bestechungsgeld gezahlt zu haben? Auch sie sind zunächst Teil des Strafverfahrens. Ergeben sich daraus nun Anhaltspunkte dafür, dass die im Asylbescheid dokumentierten Asylgründe nicht zutreffen, werden die Verfahren wiederholt. Ausgang: offen.