Wenn Aktionäre ausgebootet werden
Gesetz. Bisher fehlten hierzulande Regeln, wenn Firmen die Börse verlassen wollen. Die geplante Novelle zum Börsegesetz stößt aber auf massive Kritik: das Delisting werde zu leicht gemacht.
Wien. Seit 2014 gab es an der Wiener Börse keinen Börsegang, sieht man von dem nunmehrigen Minilisting von Cleen Energy im geregelten Freiverkehr ab. Auch das war der erste Neuzugang seit 2015. Viele Unternehmen haben sich indes von der Wiener Börse verabschiedet. Ganz einfach war das sogenannte Delisting allerdings nicht, weil es hierzulande dafür keine gesetzliche Regelung gibt (außer im Freiverkehr, der Regionalliga sozusagen).
Wollte man den teuren und langwierigen Gesellschafterausschluss (Squeeze-out) umgehen, für den ein 90-prozentiger Aktienbesitz notwendig ist, musste eine Firma entweder insolvent werden, was nicht wirklich optimal ist. Oder sie wählte eine Hintertür: über die Verschmelzung mit einer nicht notierten Gesellschaft (wie etwa die BWT), die Umwandlung in eine GmbH oder die Umstellung von Inhaber- auf in Wien nicht handelbare Namensaktien. Dieses sogenannte kalte Delisting wird freilich allseits kritisch gesehen.
Jetzt schafft das Finanzministerium – in Umsetzung an eine EURichtlinie (MiFID II) – gesetzliche Regeln für das Delisting und hat dazu einen Entwurf für eine Novelle zum Börsegesetz ausgesendet. „Prinzipiell ist das gut“, lautet die erste Reaktion der Kapitalmarktteilnehmer. Der neue RHI-Chef, Stefan Borgas, hat dieses Thema erst kürzlich im „Presse“-Interview angesprochen.
Das „Aber“folgt freilich unmittelbar – nicht nur wegen der äußerst knappen Begutachtungsfrist von drei Wochen, die am Montag abläuft. Der größte Dorn im Auge ist dem Kleinaktionärsvertreter Wilhelm Rasinger die Quote, mit der ein Delisting eingeleitet werden kann. Dem Entwurf zufolge soll dafür eine Mehrheit von 50 Prozent plus einer Aktie genügen. „Viele Unternehmen an der Wiener Börse haben nur einen Streubesitz von unter 25 Prozent – ein Delisting wäre daher ganz einfach“, sagt Rasinger. Das würde die Börse erst recht schwächen.
Sorge um Anlegerschutz
In dasselbe Horn stößt der Investor Rupert-Heinrich Staller. Er räumt ein, dass in einer Hauptversammlung schon 30 Prozent des Kapitals die Stimmenmehrheit bedeuten könne. „Damit öffnet man einer Rein-raus-Vorgangsweise Tür und Tor.“Das Gesetz vefehle das wichtige Ziel des Anleger- schutzes: „Unternehmen erhalten eine Möglichkeit, Aktionäre billig loszuwerden.“Und: „Bisher haben Unternehmen auch wegen des Mangels von Delisting-Regeln die Wiener Börse gemieden, künftig wird es ihnen zu leicht gemacht, wieder zu verschwinden.“Zudem fehle es hierzulande an Plattformen, auf denen nicht gelistete Aktien gehandelt werden können.
Positiv bewerten Staller und Rasinger indes, dass – ähnlich wie beim Squeeze-out – ein Pflichtangebot an die Aktionäre verlangt wird. Dabei zieht das Gesetz vier Preisuntergrenzen ein, die sich an dem gewichteten Aktienkurs in verschiedenem Zeitspannen orientieren. Dieses Preisoffert ist laut
soll bisher fehlende Regeln zum Abgang von der Börse schaffen. Am Entwurf gibt es freilich auch massive Kritik. Unternehmen werde ein Delisting zu leicht gemacht, sagen Investor RupertHeinrich Staller und Kleinaktionärsvertreter Wilhelm Rasinger. Denn ein Delisting könne schon mit einem Kapital von 50 Prozent plus einer Aktie eingeleitet werden. Positiv wird indes gewertet, dass ein Abfindungsangebot wie im Squeeze-out vorgesehen ist. Gesetz künftig auch erforderlich, wenn eine Firma ein kaltes Delisting anstrebt. Nicht in die Tasche greifen müssen soll jedoch der Firmeneigentümer, wenn ein Zweitlisting an einem anderen europäischen Finanzplatz bestehen bleibt. Was Staller als „Abgang durch die Hintertür“kritisiert.
Karl Fuchs, Geschäftsführer des Aktienforums, versteht die Einwände und kann sich eine Schwelle von 75 Prozent vorstellen. „Wir sind generell für eine ausgewogene Regelung, die Unternehmen und Aktionären gleichermaßen zugute kommt.“Österreich sollte freilich auch beim Delisting nicht strenger als andere europäische Staaten vorgehen. So etwa muss in Deutschland die Hauptversammlung gar nicht zustimmen und es ist – im Gegensatz zum österreichischen Entwurf – auch kein Abfindungsangebot erforderlich.
Die direkt betroffene Wiener Börse hält sich indes äußerst bedeckt: „Grundsätzlich unterstützt die Wiener Börse jede Angleichung an europäische und internationale Standards. Als neutraler Infrastrukturdienstleister werden wir das Ergebnis der Diskussion zwischen Unternehmen und Investoren akzeptieren“, lautete das wenig aufschlussreiche Statement.