China setzt Fuß in Europas Stahlwelt
Die Volksrepublik, die sich mit Billigimporten zum Erzfeind der europäischen Stahlindustrie gemacht hat, kauft sich nun bei ihr ein: Das Werk Koˇsice geht an He Steel.
Wien/Linz/Koˇsice. Erst vor zwei Wochen hat die EU-Kommission vorläufige Antidumping-Maßnahmen gegen Stahlprodukte aus China beschlossen – die Strafzölle liegen zwischen 18 und 36 Prozent. China macht vor allem den europäischen Stahlkochern seit einiger Zeit mit Billigimporten das Leben schwer. Die Überkapazitäten und der Preisdruck haben zu einer regelrechten Krise geführt. Europäische Stahlaktien sind unter Druck.
Jetzt wollen sich die Chinesen aber nicht mit Massenimporten begnügen und setzen erstmals direkt einen Fuß in den europäischen Markt: Der chinesische Stahlgigant He Steel steht unmittelbar vor dem Kauf des slowakischen Stahlwerks in Kosice.ˇ Der Kaufvertrag mit dem Eigentümer US Steel soll in den nächsten Tagen unterzeichnet werden, berichtete der ORF am Freitag. Die Transaktion wurde vom slowakischen Ministerpräsidenten, Robert Fico, bereits bestätigt.
Die Chinesen lassen für den Einstieg in Europa viel Geld springen: Der Kaufpreis wird auf 1,4 Mrd. Euro geschätzt. Das dürfte für den staatlichen Konzern jedoch kein Problem sein: He Steel rutscht nach der Fusion der ebenfalls chinesischen Unternehmen Bao Steel und Wuhan Steel zwar vom zweiten auf den dritten Platz weltweit – die Nummer eins ist unangefochten Arcelor Mittal. Aber der auf der Börse Shenzen notierte Konzern mit 33.000 Mitarbeitern hat volle Kassen und macht offiziellen Angaben zufolge im Jahr 2015 rund 180 Mio. Euro Nettogewinn.
Hohe Investitionen notwendig
Die Amerikaner beschäftigen in Kosiceˇ im armen Osten der Slowakei rund 12.000 Mitarbeiter und sind daher ein enorm wichtiger Arbeitgeber. In der Region ist man daher zuversichtlich, dass die dortige Produktion auch nach dem Besitzerwechsel erhalten bleibt. Deshalb hat die slowakische Regierung schon 2013 den US-Konzern vom geplanten Rückzug mit Subventionen abgehalten. Jetzt ist das nicht mehr so.
Die Amerikaner verlassen die Slowakei aber nicht, weil das Werk schlecht geht – im Vorjahr hat Kosiceˇ einen Gewinn von 185 Mio. Dollar gemacht und damit wesentlich zur Reduktion des Verlustes von US Steel auf 440 Mio. Dollar beigetragen. Allerdings sind nach Einschätzungen von Experten direkt in der Produktion in Kosiceˇ in den nächsten Jahren Investitionen für gut eine Mrd. Euro fällig, um EU-Anforderungen an eine umweltverträgliche Produktion erfüllen zu können.
Die Amerikaner werden vor allem von Steuerbegünstigungen, die der neue US-Präsident, Donald Trump, „seiner“Stahlindustrie versprochen hat, zurück in die Heimat gelockt. Trump hat erst am Donnerstag weitere Abwehrmaßnahmen zum Schutz der US-Stahlunternehmen angekündigt. Dabei hat er aber nicht nur Chinas, sondern auch die europäischen Konkurrenten im Visier.
Europäische Preise
Wolfgang Eder, Boss der Voestalpine und Vizepräsident des Weltstahlverbands, kann dem Schritt von He Steel auch Positives abgewinnen: Sollte der Deal tatsächlich zustande kommen, könnten sich die chinesischen Betreiber zwar Strafzölle für Billigimporte aus China ersparen, sie müssten aber mit europäischen Kosten arbeiten, sagte Eder im ORF-„Morgenjournal“. Damit werde es für sie schwieriger, die europäischen Preise zu unterbieten. Außerdem müssten sie die Kostenstruktur viel transparenter als in China halten. „Insofern ist es vielleicht sogar eine Möglichkeit, etwas genauer zu erfahren, wie chinesische Konkurrenten ihre Kosten entwickeln“, betonte der Voest-Chef.