Ein paar Runden im Wahlkampfkarussell
Streamingtipps. Die Wahl in Frankreich naht, und Populisten haben Hochkonjunktur. Die Politikverdrossenheit der Gegenwart spiegelt sich nicht nur in „House of Cards“: drei Filme und eine Serie zur Lage.
Selbst ein Land wie die USA zieht das, was man landläufig als „Politik“bezeichnet, nicht erst seit gestern in Zweifel. Doch im amerikanischen Kino macht sich eine unleugbare Desillusionierungstendenz bemerkbar – nach und nach hat sich jede Form von Idealismus aus seinen Erzählungen verabschiedet. In Frank Capras Klassiker aus dem Jahr 1939 ging Mr. Smith nach Washington, stemmte sich gegen korrupte Verhältnisse und verteidigte hartnäckig die höchsten Werte seiner Nation. Der Lohn? Ein Happy End. Heute würde Smith wahrscheinlich als Häufchen Elend in der Gosse landen. Das implizieren nicht nur Serien wie „House of Cards“, sondern auch Filme wie „The Ides of March“: Ein junger Wahlkampfmanager (Ryan Gosling) setzt sich aus Überzeugung für den Idealtypus eines demokratischen Präsidentschaftskandidaten (George Clooney) ein. Der Lohn? Ein paar deftige Wirklichkeitswatschen im Zuge zynischer Ränkespiele – unter solchen Umständen mutiert sogar Charme-Gosling irgendwann zu Zombie-Gosling. Spannend ist das Moralstück im unterkühlten Siebziger-Look durchaus, auch hervorragend gespielt (in Nebenrollen: Paul Giamatti, Philip Seymour Hoffman, Evan Rachel Wood). Nur will man danach nie wieder etwas mit Politik zu tun haben. Noch ein „Liberal Hollywood“Lehrstück, wieder von George Clooney produziert – und doch in vielerlei Hinsicht eine Umkehrung von „The Ides of March“. Ein Film, der zynisch beginnt und hoffnungsvoll endet, der weniger dramatisches Gewicht aufbringt, dies aber mit Witz, Biss und Schmiss kompensiert. Die abgebrühte Spindoktorin Jane Bodine (betont ausgeblichen: Sandra Bullock) wird von einer amerikanischen Consultingfirma aus dem Ruhestand gezerrt, um dem unbeliebten konservativen Politiker Castillo (Joaquim de Almeida) in Bolivien zu einer zweiten Amtszeit zu verhelfen (der Film basiert auf einer gleichnamigen Doku über die bolivianische Präsidentschaftswahl 2002).
Bodines Hauptmotivation ist nicht das Wohl der Wählerschaft, sondern der Berater des gegnerischen Lagers (ein herrlich mephistophelischer Billy Bob Thornton), mit dem sie noch mehrere Hühnchen zu rupfen hat. Ihr sukzessives Re-Branding Castillos zum starken Mann des Volkes und Heilsbringer in Krisenzeiten, dessen barsches Gebaren als Authentizitätsmerkmal fungiert, wirkt angesichts der Entstehungszeit des Films (dem kaum Erfolg beschieden war) regelrecht prophetisch. Die moralische Wertung kommt erst am Schluss – bis dahin konzentriert sich das Drehbuch auf die lustvolle Dekonstruktion diverser Imagestrategien und Schmutzkübeltaktiken, wie sie in Wahlkampagnen auf der ganzen Welt zum Einsatz kommen. Aufschlussreich ist das allemal – und auch das Fazit ist bei aller Naivität sympathisch: „If you don’t like the road you’re on, start paving another one.“Sky Manchmal wird so getan, als wäre europäischer Populismus ein relativ neues Phänomen. Wie absurd diese Vorstellung ist, beweisen Zeitdokumente wie „Die Wahlkämpfer“. Gedreht wurde der Film 1992, zur ersten Blütezeit der FPÖ. So unvoreingenommen wie möglich schaut er dem Volk aufs Maul und beobachtet, wie sich mehr oder weniger berechtigte Sorgen in Ressentiments verwandeln. Früher war alles besser, Ordnung muss wieder her, die Ausländer sind schuld. Und mittendrin der charismatische Jörg Haider und seine Sonny Boys als „frischer Wind“und „Hechte im Karpfenteich“auf Stimmenfang. „Das ist, wie wenn mich jemand rächen würde für alles, was ich mitgemacht habe“, sagt ein Funktionär, und das Karussell dreht sich weiter. So war das damals, so ist das heute, so wird das hoffentlich nicht immer sein. Willkommen in der Hölle des berufspolitischen Durcheinanders! Die dauerfrustrierte Vizepräsidentin Selina Meyer (famos: Julia Louis-Dreyfus) laviert mit Müh und Not durch die Zumutungen ihres Jobs (der für sie nicht viel mehr ist als das), stets in Sorge um die Wahrung ihres Gesichts und die Pflege ihres „Vermächtnisses“. Unterstützt – und behindert – wird sie dabei von einem Haufen scharfzüngiger, karrieregeiler Unsympathler, die man nur mit zugekniffenen Augen als „Team“bezeichnen könnte. „Veep“ist ein US-Remake der britischen Serie „The Thick of It“. Strittig, ob ihre Verpflanzung von „Seinfeld“-Misanthropie, „The Office“–Fremdschämhumor und „Arrested Development“-Plotkonstruktion in die Untiefen des Politzirkus wirklich „satirisch“ist – Unterhaltungswert kann man ihr jedenfalls schwer absprechen, dafür sorgen tolles Timing und dichter Dialogwitz. Am 16. April startete die sechste Staffel – inzwischen wurde sogar das Geheimnis um Meyers Parteizugehörigkeit gelüftet. Der Erfolg der Show lässt sich vielleicht damit erklären, dass es ihr weniger um Politik geht als um das zugespitzte Porträt einer gnadenlos gestressten Ellbogengesellschaft. „Veep“: Demnächst auch in Ihrem Alltag!