Wer den Mund zur Justiz aufmacht, sollte die Gewaltenteilung kennen
Angriff auf Bundesverwaltungsgericht entlarvt Verlogenheit, Hang zur Willkür und seltsames Demokratieverständnis der Landeshauptleute und anderer Politiker.
Vor rund acht Jahren ging ein Aufschrei durch das Land, nachdem eine Umfrage unter Islam-Lehrern ihr gering ausgeprägtes Demokratieverständnis gezeigt hat. „Islam gefährdet unsere Demokratie“, alarmierten einige Medien. Schon damals aber war klar: Wir gefährden unsere Demokratie schon selbst – im Alleingang gewissermaßen, per Beschädigung jener Säulen, die sie tragen sollen und müssen.
Das beste Beispiel dafür lieferten diese Woche die Landeshauptleute mit ihrem Brief an die Regierung und der Forderung nach Entmachtung des Bundesverwaltungsgerichts in Sachen Umweltschutz. Anlassfall wie bekannt: die Ablehnung des Baus der dritten Piste am Wiener Flughafen Schwechat. Haben die Länderchefs in all ihrer „Herrlichkeit“schon etwas von Gewaltenteilung zwischen Exekutive, Gesetzgebung und Judikatur gehört? Und wenn ja, warum denkt niemand nach, bevor er den Mund aufmacht – und einen solchen Brief diktiert?
Tirols Landeshauptmann Günther Platter als Vorsitzender der Landeshauptmännerkonferenz – einem übrigens in keiner Weise „demokratisch legitimiertem Organ“– wäre das anzuraten gewesen. Denn die Argumentation in diesem Brief gibt Anlass zu tiefer Sorge, ob ein Landeshauptmann die Pfeiler der Demokratie überhaupt kennt – oder schlimmer noch: sie auch achten und bewahren möchte.
Bei der „Werteentscheidung“zwischen Umweltschutz und „öffentlichem Interesse“dürften nicht Gerichte das letzte Wort haben, sondern nur „demokratisch legitimierte Organe“. Wenn aber allein die Politik darüber bestimmen darf, was – Recht hin oder her – im „öffentlichen Interesse“liegt, dann ist die Gewaltentrennung aufgehoben, die Säulen der Demokratie brechen ein.
Es gibt kaum einen anderen Begriff, der für politischen Missbrauch anfälliger wäre als „öffentliches Interesse“. Darunter lässt sich alles einreihen und verteidigen – „öffentliche Ruhe und Ordnung“, Arbeitsplätze, Sicherheit, Notverordnung etc. Damit ist dann ohne Kontrolle einer juristischen Instanz der Willkür Tür und Tor geöffnet. Dass sich ein Regierungsmitglied wie der Tiroler Andrä Rupprechter auch dazu hergibt, macht die Sache nur noch schlimmer.
Wer braucht dann in Österreich noch Fanatiker zur Gefährdung der Demokratie? Und wie heuchlerisch ist dann jede Kritik aus Österreich an den Zugriffen auf die Justiz in Polen, Ungarn oder der Türkei, wenn man hierzulande einfach eine gerichtliche Instanz nach einem politisch nicht opportunen Urteil abschaffen will?
Das sollte die berühmte „rote Linie“sein. Das Bauverbot in Schwechat mag inhaltlich durchaus zu kritisieren sein, denn ein verstärkter Flugverkehr über Schwechat nach Bratislava schützt die Umwelt auch nicht. Deshalb aber das Gericht als solches in Frage zu stellen, offenbart eine Gesinnung, wie sie in Warschau, Budapest und Istanbul verurteilt wird. Verlogener geht es nicht mehr. Tirols Wirtschaftsbundchef Franz Hörl ist in seinem seltsamen Demokratieverständnis wenigstens ehrlich: Laut „Tiroler Tageszeitung“meinte er, bei Umwelt und Nutzung der Natur hätten Gerichte „wenig Sinn“. Heute die Natur, morgen Asylfragen und übermorgen?
Das Ganze wäre vielleicht noch der Schlichtheit eines Tiroler Politikers mit Eigeninteresse (eine Tiroler Causa ist anhängig) zuzuschreiben, hätte es nicht landesweit Methode. Wann immer ein Urteil politisch unangenehm ist, wird die Instanz als solche angegriffen. Ob das der Verfassungsgerichtshof ist (Ortstafelstreit oder Aufhebung der Wahl 2016) oder ein Strafgericht (Kärnten), der Rechnungshof oder auch der ORF.
Die Kritik am Bundesverwaltungsgericht berührt Grundsatzfragen. Bis Freitagnachmittag hat sich Bundespräsident Alexander Van der Bellen nicht geäußert. Bedauerlich! Wann, wenn nicht jetzt – bevor noch jemand auf die Idee kommt, jemand anderem die Schuld an der Schwächung der Demokratie zu geben. Zur Autorin: