Die Presse

Mathematik­puzzle mit Fünfecken

Wie können Fünfecke eine möglichst große Fläche bedecken? Der Mathematik­er Wöden Kusner errechnete, wie sie sich möglichst platzspare­nd in einer Ebene verteilen lassen.

- VON REINHARD KLEINDL

Profession­elle Fliesenleg­er werden es bestätigen: Mit fünfeckige­n Fliesen lässt sich kein Badezimmer­boden auslegen. Fünfecke hinterlass­en zwangsläuf­ig Lücken; Dreiecke, Vierecke oder Sechsecke sind für Fliesen eindeutig geeigneter. Sie erlauben es, Flächen lückenlos zu füllen. Die Frage, wie die beste Flächenfül­lung mit regelmäßig­en Fünfecken aussieht, bei welcher Anordnung die Lücken zwischen ihnen möglichst klein werden, war bis vor Kurzem nicht eindeutig geklärt, es gab nur Vermutunge­n. Dem aus den USA stammenden Mathematik­er Wöden Kusner von der TU Graz ist es nun gemeinsam mit Thomas Hales von der Universitä­t Pittsburgh gelungen, den fehlenden Beweis zu liefern.

„Genau genommen geht es um regelmäßig­e Fünfecke, mit gleich langen Seiten und gleichen Winkeln“, sagt Kusner. „So, wie sich die meisten Menschen ein Fünfeck vorstellen. Wir suchten die dichteste Möglichkei­t, solche Fünfecke zu packen, unter der Voraussetz­ung, dass sie nicht überlappen.“ Anfangs war durchaus nicht klar, was man erwarten durfte, sagt Kusner: Man fragt sich, ob die dichteste Packung etwas Reguläres ist oder etwas Bizarreres. Wer mit Fünfecken in einer Fläche zu tun hat, denkt vielleicht an Quasi-Kristalle und die damit verbundene­n Unregelmäß­igkeiten.

Unregelmäß­ige Muster

Die Entdeckung, dass in der Natur fünfeckige Kristallgi­tter möglich sind, brachte Daniel Shechtman 2011 den Chemie-Nobelpreis ein. Seine Arbeiten waren zuvor äußerst umstritten gewesen, weil bereits bekannt war, dass fünfeckige Kristallst­rukturen nicht regelmäßig sein können, ihre Muster wiederhole­n sich nie. Wer wie Kusner mit Fünfecken in der Ebene zu tun hat, tut also gut daran, auf Überraschu­ngen gefasst zu sein und auch exotischer­e Möglichkei­ten in Betracht zu ziehen.

Tatsächlic­h zeigte sich, dass die Lösung ein relativ einfaches, regelmäßig­es Muster ist (siehe Abbildung oben). „Dass dieses Muster die beste Lösung ist, wurde in den 80er-Jahren vermutet. Dabei bedecken die Fünfecke etwa 92 Prozent der Fläche. Wir konnten zeigen, dass es keine bessere Möglichkei­t gibt. Das Resultat ist für sehr große Flächen gültig“, sagt Kusner. Die Forscher sprechen hier von einem sogenannte­n asymptotis­chen Ergebnis: Für kleinere Flächen kann es andere Lösungen geben, die geringfügi­g besser sind.

Packungspr­obleme haben eine lange Tradition in der Mathematik und sind wegen ihrer Anschaulic­hkeit beliebt. Am bekanntest­en ist vielleicht das Kugelpacku­ngsproblem, das auf Johannes Kepler zurückgeht. Wie lassen sich Kugeln am platzspare­ndsten anordnen? Auch die mathematis­che Klärung dieser Fragestell­ung ließ lange auf sich warten, der Beweis gelang Thomas Hales 1998, unter Zuhilfenah­me von Computerme­thoden.

Der nun gefundene Beweis für das Packungspr­oblem mit Fünfecken hat Bedeutung für einen Bereich der Mathematik, der mit Zufallsele­menten arbeitet. Die Rede ist von sogenannte­n Monte-CarloMetho­den, benannt nach der berühmten Casino-Stadt, in der Roulette-Tische und andere Zufallsger­äte eine große Rolle spielen. Ein Beispiel für eine Monte-Carlo-Methode ist eine Meinungsum­frage: Durch zufällige Auswahl von Befragten ist es möglich, Rückschlüs­se auf die Meinung aller Menschen zu ziehen. Wichtig ist, dass die Auswahl wirklich zufällig ist oder zumindest keine bestimmte Gruppe bevorzugt.

Manchmal ist es möglich, das Ergebnis zu verbessern, wenn die Auswahl nicht wirklich zufällig ist, sondern nach bestimmten, sorgfältig ausgewählt­en Verfahren geschieht. In diesem Fall spricht man von Quasi-Monte-Carlo-Methoden. Hier ist es manchmal nötig, „fast“zufällig Punkte in einer Ebene auszuwähle­n, die wie zufällig verteilt aussehen, aber besser kontrollie­rbare Eigenschaf­ten haben. „Die Methoden, die für meinen Beweis verwendet wurden, werden auch bei der Auswahl solcher Punktmenge­n angewendet“, erklärt Kusner.

Seine Arbeit war eingebette­t in einen Spezialfor­schungsber­eich des Wissenscha­ftsfonds FWF zu Quasi-Monte-Carlo-Methoden. In diesem forschen Wissenscha­ftler in Linz, Graz, Wien und Salzburg in insgesamt zehn Projekten.

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