Neue Lagen: Außerhalb ist relativ
Wohnen in Wien-Umgebung. Sehnsucht nach Grün, leistbares Eigentum und bessere Verkehrsanbindungen an Wien sorgen für Rekordzuwächse auch außerhalb des Speckgürtels.
Sankt Pölten, Mistelbach und Pixendorf: Die Namen klingen nicht gerade nach Hot Spots österreichischer Wohnträume. Sind sie aber: Sie konnten in den vergangenen Jahren spannende Zuwachsraten und zahlreiche Neubauprojekte verzeichnen.
Grundsätzlich sind alle Orte entlang der Westbahn in Pendlerentfernung von Wien immer stärker nachgefragt, auch Mistelbach hat mächtig an Popularität zugelegt. So verzeichnet der Bezirk St. Pölten Stadt laut aktuellem Remax-Immobilienspiegel, der die Verbücherungen von Immobilientransaktionen berücksichtigt, von 2015 auf 2016 einen Zuwachs von 52,1 Prozent, der Wert dieser Verbücherungen ist um 37 Prozent gestiegen. Auf dem zweiten Platz in Niederösterreich folgt Mistelbach mit einem Zuwachs von 16,5 Prozent bei der Anzahl der Transaktionen und 28,3 Prozent des Wertes. Und in Pixendorf – falls das jemand nicht kennen sollte: Die 234 Einwohner zählende Katastralgemeinde gehört zu Michelhausen und liegt zwischen Atzgenbrugg und Tulln – entsteht gerade ein Wohnpark, der die Einwohnerzahl mächtig nach oben schnellen lassen dürfte. „Wir vermarkten in Pixendorf derzeit Grundstücke für Einfamilienhäuser und Doppelhaushälften“, berichtet Jürgen Grabmüller, Immo-Contract-Verkaufsleiter Österreich, über das Projekt Wohnpark Tullnerfeld der VÖ/WO Plan & Design GmbH. „Außerdem entstehen Eigentumswohnungen im verdichteten Wohnbau.“
Neuer Bahnhof, alte Träume
Die Tatsache, dass die kleine Gemeinde, in der es laut Grabmüller bisher „gerade einmal zwei Wirtshäuser“gegeben hat, plötzlich für Entwickler und Investoren so interessant wird, hat einen schlichten Grund, und der heißt Bahnhof Tullnerfeld. „Er liegt 600 Meter vom Wohnpark entfernt“, erklärt Grabmüller. Und sorgt seit 2012 dafür, dass Pendler, die im Grünen leben und in Wien arbeiten wollen, in 18 Minuten am Westbahnhof sind.
Dass es sich außerhalb Wiens grüner und günstiger leben lässt als innerhalb des Gürtels, ist nicht neu, der Stellenwert eines naturnahen Umfelds ist aber vor allem bei der jüngeren Generation höher als je zuvor. Die bessere Anbindung – etwa durch die Westbahn, aber auch die A5 nach Mistelbach – macht dafür den „erweiterten“Speckgürtel mit Preisen deutlich unter jenen im klassischen Speckgürtel interessant. Was naturgemäß Investoren auf den Plan ruft, die diesen Bedarf decken wollen. Dazu gehört in Mistelbach auch Ex-Skirennfahrer Rainer Schönfelder, der mit seiner „You Will Like It Living“-Gruppe den Wohnpark Mistelbach samt Eigentumswohnungen, Grundstücken und Doppelhäusern realisiert.
In St. Pölten errichtet der Wiener Immobilienentwickler Coraf mit dem Quartier Zentral auf einem 8500 Quadratmeter großen Areal an der Maximilianstraße ein Wohnbauprojekt in bester Innenstadtlage, in dem bis Mitte 2018 rund 130 neue Wohnungen, später bis zu 200 Einheiten entstehen sollen. Zu den Investoren gehören unter anderen Semper Constantia Immoinvest für die VBV-Vorsorgekasse und die Erste Immobilien KAG, die die Landeshauptstadt schon eine Weile auf dem Radar hatte, wie Peter Karl, CEO der Erste Zuwachsraten von 37 oder gar 52 Prozent an Immobilientransaktionen machen fraglos deutlich, dass der Trend nach oben zeigt. Aktuell dürfen sich darüber und freuen, aber auch kleine Gemeinden wie Pixendorf werden plötzlich zu aufstrebenden Immobilienstandorten. Zu den Kriterien, die diese Erfolge möglich machen, zählen vor allem eine gute nach Wien und
vor Ort. Immobilien KAG, erklärt: „Wir haben uns in St. Pölten schon länger umgesehen, neuer Wohnraum wird hier nachhaltig nachgefragt.“
Schleichender Imagewandel
Die Zeiten, in denen es für manchen Wiener geradezu denkunmöglich war, nach St. Pölten zu ziehen, sind vorbei. „Das Image wird schrittweise besser“, weiß Bernhard Reikersdorfer, Geschäftsführer von Remax Austria, „auch wenn wir noch nicht Graz, Salzburg, Innsbruck oder Linz sind.“Dafür sei St. Pölten für eine Landeshauptstadt sehr leistbar, was zur wachsenden Popularität ebenso beitrage wie die bestehende Infrastruktur. Denn „wenn ich zwei Autos brauche, kann das das Familienbudget genauso belasten wie eine Wohnung näher an der Stadt“, gibt Grabmüller zu bedenken. Wenn durch fehlende Kinderbetreuungsmöglichkeit zudem nur noch ein Elternteil arbeiten gehen kann, ist der finanzielle Vorsprung im Grünen auch schnell aufgebraucht. „Das Wichtigste ist die Verkehrsanbindung, dann die Kinderbetreuungsmöglichkeit“, kennt Reikersdorfer die Kriterien, nach denen die neuen Lebensmittelpunkte ausgewählt werden. Und die plötzlich aus einem No-NameOrt wie Pixendorf einen PendlerHotspot machen können. (SMA)