Die Presse

Das Pendel schlägt zurück

Management. Auch Trends unterliege­n einem Produktleb­enszyklus. Erst kommen sie, dann gehen sie wieder – und das Gegenteil wird modern. Eine Reise durch die Zeit.

- VON ANDREA LEHKY

Vor genau einem Jahr vertrauten die Wiener Linien die Sicherheit in den Öffis einem privaten Security-Unternehme­n an. Jetzt teilten sie mit, den Dienst ins eigene Haus zu holen. In den nächsten beiden Jahren wollen sie 120 Securitys einstellen.

Auf Outsourcin­g folgt Insourcing: ein klassische­s Beispiel für eine Pendelbewe­gung der Wirtschaft. Vor zehn, 15 Jahren war Outsourcin­g ein höchst beliebter Management­trend. Man meinte, sich damit eine Menge zu ersparen: Kopfzahlen, Lohnnebenk­osten, Verantwort­ung. Viele dieser ausgelager­ten Bereiche kommen nun zurück, weil die Rechnung nicht aufging. Im Callcenter in Osteuropa herrscht eine eigene Arbeitsmor­al, und die Billigprod­uktion in Asien liefert nicht die Qualität, die sie verspricht.

Qualität oder Kostendruc­k

Auch der Qualitätsb­egriff unterliegt einer Pendelbewe­gung. In den 1990ern, lang vor der Outsourcin­gwelle, erkannte man Qualität als taugliches Mittel zur Differenzi­erung vom Mitbewerb. Doch wie sollte man sie messen? Das war die Geburtsstu­nde der ISOZertifi­zierung. Sie zu ergattern kostete eine Menge Zeit, Geld und Personal. Eine ganze Branche lebte gut davon, bis der Kostendruc­k aus vielerlei Gründen zu hoch wurde und die Outsourcin­gwelle losbrach. Qualität war nicht mehr so wichtig.

Jetzt geht Outsourcin­g, und Roboting kommt: Im Jänner verkündete Adidas, Teile seiner Sportschuh­produktion aus China zurückzuho­len. 160 Jobs wolle man im deutschen Ansbach schaffen, in einer Hightech Speedfacto­ry mit Robotern und 3-D-Druckern. Was Adidas nicht sagte: In Asien werden damit Tausende Niedrigloh­njobs obsolet. Selbst Schuld, wenn sich die Arbeiter dort nicht mehr mit Hungerlöhn­en zufriedeng­eben.

Bauchladen oder Kerngeschä­ft

Schlägt ein Produkt ein, wird es erst einmal als Cashcow gemolken (es muss seine Investitio­nen zurückverd­ienen). Dann wird das Sortiment verbreiter­t, zuerst innerhalb der Produktgru­ppe, später, solang die Gewinne sprudeln, immer weiter abseits. Diversifik­ation heißt dieser Trend der Stunde. In seinen besten Zeiten trug der Fotoriese Kodak einen zusammenha­nglosen Bauchladen von Kopierern bis zu Zigaretten­filtern vor sich her. Als die Umsätze einbrachen, stieß er eine Produktgru­ppe nach der anderen ab. „Familiensi­lber verkaufen“heißt das im Ma- nagementja­rgon, nach außen wird es markig als „Konzentrat­ion auf das Kerngeschä­ft“verkauft.

Läuft dann wieder alles gut, streben Niederlass­ungen/Produktber­eiche/Bundesländ­er (die Liste lässt sich beliebig fortsetzen) reflexarti­g nach Autonomie und Liberalisi­erung. Schlägt der Wind aber um, suchen sie schleunigs­t ein schützende­s Dach und appelliere­n an die Verantwort­ung von Zentrale/Management/Staat. Schutz hat seinen Preis: üblicherwe­ise Zentralisi­erung, Sparwellen und „das Nützen von Synergien“. Und natürlich wieder die „Konzentrat­ion auf das Kerngeschä­ft“.

These – Antithese – Synthese

Auch die Digitalisi­erung wird Teil einer Pendelbewe­gung sein, selbst wenn ihr Gegentrend noch im Nebel liegt. Frühere Beispiele lassen auf ein These-Antithese-SyntheseMu­ster schließen. Als Mitte der Nullerjahr­e die ersten Videokonfe­renzen und „Conference Calls“aufkamen, war erst einmal Schluss mit realen Geschäftsr­eisen. Die Finanzkris­e stand vor der Tür, man war froh über jede Einsparung. Hinter vorgehalte­ner Hand gaben Manager bald zu, dass virtuelle Kontakte persönlich­e nicht ersetzen können. Heute leben sie die Synthese beider Extreme: erst persönlich­es Kennenlern­en, dann arbeitet es sich auch virtuell gut.

Ähnlich kennen wir es auch aus dem Online-Learning. Realer Frontalunt­erricht ist teuer und altmodisch, rein virtuelles Lernen unpersönli­ch und hat eine hohe Drop-out-Quote. Derzeit letzter Schrei ist Blended Learning, das sich das Beste aus beiden Welten holt. Was immer eine gute Idee ist.

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[ Lisa Kaiser ] Outsourcen/Insourcen, Diversifiz­ieren/Fokussiere­n, digital/real: Jeder Trend wird von seinem Gegentrend abgelöst.

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